Zwangserkrankung

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elwira.pegg
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Zwangserkrankung

Beitrag von elwira.pegg »

Ich heiße Edda und bin Mutter eines über 30-jährigen Sohnes, der seit mehr als 10 Jahren eine Zwangserkrankung hat. Der vor Jahren von einem klinischen Psychologen und Verhaltenstherapeuten in einer über einen Zeitraum von ca. 5 Jahren erfolgten Gesprächstherapie diagnostizierte Waschzwang mit ausgeprägter Angst vor Radioaktivität (Tschernobyl!) und Kontamination (psychotischer Anteil) war auch ausschlaggebend für den Auszug von uns Eltern in eine andere Wohnung, nachdem sich mein Mann auf Grund einer Erkrankung einer Bestrahlungstherapie unterziehen musste und an eine Rückkehr in die gemeinsame Wohnung unmittelbar nach Beendigung dieser für unseren Sohn undenkbar war ("alles verstrahlt!"). Seit damals lebt er allein in der Wohnung. Diese Angst hat sich im Laufe der Zeit zu einer generalisierten Angst entwickelt und durch den Verlust des Vaters vor 1,5 Jahren massiv verstärkt und manifestiert sich in einem Leben in völliger Isolation. Abgesehen von seiner Programmiertätigkeit am PC und Konsumieren von Sportsendungen gestaltet er sein Leben nach den Regeln des Zwangs. An den Wochenenden fahre ich zu ihm und werde in der Wohnung für diese Zeit "zwangsbeglückt", in dem ich mich ebenso den Zwangsregeln entsprechend verhalte, was wiederum eine Einschränkung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit in der eigenen Wohnung bedeutet. In der Begegnung mit anderen Menschen bei unseren gemeinsamen Aktivitäten (1x pro Woche Einkaufen, Wandern) ist Angst vor einem "Unglück"ein ständiger Begleiter. Zudem wird seit einem Jahr ein schwelender Konflikt mit dem Nachbarn der oberhalb gelegenen Wohnung in Form von gezielter Lärmerzeugung über die Wände, Türstöcke und Böden beider Beteiligten ausgetragen. Widerstandsbewegungen von mir und meinem Sohn bei den Durchsetzungsbestrebungen eines Projektes der Eigentümerschaft (Balkonerweiterung) haben nun dazu geführt, dass das vom Zwang gelenkte Verhalten meines Sohnes in den Fokus der Wahrnehmung einiger Hausbewohner gerückt ist, in dem mir diese ihre Beobachtungen (unveränderte Position der Jalousien, kein Lüften, /beschlagene Fenster durch langes Duschen, Enstehung hoher Luftfeuchtigkeit, beginnende Schimmelbildung und daraus resultierend entsprechende Geruchsentwickungung) mitgeteilt haben. Umstände, die zu verstärkter Aggression in der Kommuniktion zwischen mir und meinem Sohn führen und die ohnehin unter dem Druck des Zwangs stehende Beziehung noch zusätzlich belasten. Wenn ich die Wochenenden bei meinem Sohn verbringe, wird trotz Widerstand ein wenig gelüftet.
Leider hat sich mein Sohn während seiner Gesprächstherapie nie auf die so notwendigen Expositionsübungen bzw auf Konfrontation eingelassen. Als sich der Therapeut aus persönlichen Gründen aus der verhaltenstherapeutischen Tätigkeit zurückgezog, war mein Sohn sehr enttäuscht und fühlte sich allein gelassen.Er zeigt bis heute keine Bereitschaft und lehnt auch jegliche, wahrscheinlich für einen leichteren Einstieg notwendige Medikation ab. Ein einziges Gespräch meines Sohnes mit einer VTin aus diesem Team, die mit mir bzgl. Umgang mit meinem Sohn arbeitet, war zwar bereichernd, aber letztendlich nicht zielführend.
Mir ist bewusst, dass ich mich in dieses Zwangssystem eingegliedert habe und mit meiner Unterstützung zur Komplizin des Zwangs mache und somit einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Zwangs leiste, weil ich ihn konserviere. Ich nehme mich selbst gleichsam in einer Zwangsjacke steckend wahr, aus der ich mich nicht befreien kann. Zwar fahre ich zur Zeit an den Wochenenden nicht zu ihm, da mein Aufenthalt in der Wohnung nach einem Urlaub in Bayern (5 Atomkraftwerke!) Kontaminierung dieser bedeutet.Insofern hat sich eine Unterbrechung dieses Wochenendrituals ergeben. Aber das Ritual der Entsorgung der von meinem Sohn in der Wohnung sorgfältig vorbereiteten "Müllsammelstellen" führe ich nach wie vor jeden Montag durch. Dazu "darf" ich die Wohnung bis ins Vorzimmer betreten. Es ist für mich ein Wechselspiel der Gefühle und mein ambivalentes Empfinden ist zermürbend. Einerseits tut er mir Leid und möchte ich als einziger Ansprechpartner meines Sohnes für ihn ein offenes Ohr haben und mit ihm gemeinsame Interessen im Gespräch und, soweit es sich realisieren lässt, auch in der realen Welt wahrnehmen, jedoch stets unter der Dominanz des Zwangs. Andererseits lösen dieses vom Zwang bestimmte Denken und Handeln meines Sohnes bei mir oft Reaktionen der Unbeherrschtheit und der Wut aus, die wiederum Selbstzweifel nach sich ziehen, vor allem, wenn dann Vorwürfe von meinem Sohn kommen.
Als realistisches Ziel schwebt mir vor, dass mein Sohn insofern Besserung erfährt, als er ein selbstständiges Leben führen, besser als jetzt leben und den Alltag bestreiten kann, ohne auf mich oder jemand anderen angewiesen zu sein. Es bedeutet nicht Druck, dass er sich um Arbeit kümmern oder an den Pflichten des Lebens teilnehmen muss.
Soweit die Darstellung des Sachverhaltes. Ich bin an einem Austausch mit Betroffenen oder Angehörigen interessiert und dankbar für entsprechende Ratschläge.

edda
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Yorge
Beiträge: 333
Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Versöhnung

Beitrag von Yorge »

Ich muss zugeben, wenn es um Angehörige geht, verspüre ich schon auch manchmal Ärger, dass diese mit ihren Einstellungen und Handlungen den Zwang mitverursacht haben und dann auch noch weiter aufrecht erhalten, weil sie einfach nicht merken (wollen), dass sich was ändern muss - und zwar nicht in dem sie versuchen endlich ihren Angehörigen dazu zu bringen, den Irrsinn zu lassen. Sondern sie selbst müssen an sich arbeiten und was ändern. In deinem Bericht kommt allerdings deutlich heraus, dass du ja auch nicht weißt wie. Also finde ich das schon auch unfair von mir, zu erwarten, dass die Angehörigen schon wüssten, was die Lösung wäre. Schaue darauf, dass du einen Weg findest, damit es dir mit deinem Sohn besser geht - nicht wie du seinen Zwang löst. Wenn das bedeutet, dass du dir keine Zwänge von ihm auferlegen lässt und das zu einem Konflikt führt, wird das ev. zu einer unangenehmen Spannung in dir führen und dem Verlangen ihm doch nachzugeben. Dabei zu bleiben und das auszuhalten ist vielleicht für dich ähnlich schwierig wie für deinen Sohn, dem Zwang nicht nachzugeben. Ich denke in jeder heilbringenden Beziehung geht es darum, was Manfred Stelzig so ähnlich (für Eltern-Kind-Beziehung) geschrieben hat. Zuerst kommt Beziehung (oder auch bedingungslose Wertschätzung vielleicht auch Liebe), dann Erziehung und dann erst Leistung. Schau gut auf dich. Sei ehrlich dir selbst und deinem Sohn gegenüber. Hört auf gegeneinander zu kämpfen. Lass deinen Sohn spüren, wie unglaublich viel er dir bedeutet, egal was er gerade nicht/schafft - dadurch verlierst du nichts wesentliches und gewinnst ganz was wertvolles.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Micky

Re: Zwangserkrankung

Beitrag von Micky »

Hallo,
vielleicht würde es Ihnen helfen, ein Seminar für Angehörige zu besuchen. Ich war diesbezüglich letztes Jahr bei einem Seminar in Münster.
Zwänge führen immer zu Spannungen mit den Angehörigen, aber bei dem Seminar wurde auch explizit darauf eingegangen, wie sich die Angehörigen nach und nach aus der Einbindung in die Zwänge befreien können.
Außerdem konnte man sich mit anderen Angehörigen austauschen.
Ich wünsche Ihnen ganz viel Kraft und alles Gute weiterhin. Versuchen Sie das beste aus der Situation zu machen und lassen Sie sich nicht unterkriegen.
Mimi55

Re: Zwangserkrankung

Beitrag von Mimi55 »

Hallo Edda
Ich habe ähnliche Probleme mit meinen 25 jährigem Sohn der seit ca 11 Jahren an einer Zwangserkrankung leidet.
Er hat mehrere Therapien hinter sich gebracht, eigentlich laut seiner Aussage alles nur mir zuliebe gemacht. Er war ca 18 Monate vor zwei Jahren krankgeschrieben und arbeitet nun wieder seit einem Jahr , allerdings mit dem Ziel
Einen Kredit aufzunehmen 48000 Euro das hat er auch geschafft. Insgesamt hat er in den 5 Monaten nun 75000 Euro ausgegeben für Alkohol und Frauen. Laut seiner Aussage kann man ihn nicht mehr helfen ! Manchmal denke ich das er keinen Leidensdruck hat ! Das lese ich auch zwischen deinen Zeilen was deinen Sohn betrifft.
Ich denke mein Sohn hat eine Persönlichkeitsstörung. Für uns als Angehörige vor allen als Mütter ist es sehr schwer dass alles mit anzuschauen. Jeder hätte gerne Kinder
Die ihr Leben gut meistern. Ich habe die letzten Jahre sehr viel mit meinen Sohn mitgemacht , selbstmorddrohungen , Vorwürfe alkoholexzesse usw. Trotz allen liebe ich meinen Sohn über alles
Aber er muss sein eigenes Leben führen und die Kraft finden es auch zu meistern . Ich weiß wie schwer es ist loszulassen und handeln im Nichthandeln zu praktizieren . Ich forsche und suche seit Jahren in Literaturen und neuen Forschungen nach Neuen Erkenntnissen.
Ich kann dich sehr gut verstehen und weiß
Was du fühlst . Wir können gerne mal telefonieren wenn du möchtest
Lg Mimi
Mimi55

Re: Zwangserkrankung

Beitrag von Mimi55 »

Ja das ist wirklich unglaublich solch eine Summe auf diese kurze Zeit auszugeben ! Kreditaufnahme habe ich schon geschrieben und und der Rest von einer Versicherung! Ich dachte mein Sohn wäre bipolar, der Psychiater ist da anderer Meinung! Selbstunsichere Persönlichkeit mit emotional instabilen Anteilen . Er hat es geschafft sich das Geld zu besorgen und wirklich alles zu verballern . Die Wohnung schaut aus, alles ist defekt nichts in Ordnung , aber das ist ihn egal . Er will sein Geltungssüchtiges Verhalten ausleben . Er wurde sehr sparsam erzogen ich war alleinerziehende Mutter und komme aus einer sehr sehr armen Famile, habe mir wirklich alles erarbeiten müssen
Deshalb bin ich genauso schockiert und es ist sehr schwer für mich das so zu sehen
elwira.pegg
Beiträge: 4
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:14

Re: Zwangserkrankung

Beitrag von elwira.pegg »

Hallo Micky, Yorge und Mimi!

Danke für eure Meinungen und Ideen! Ich möchte meinen Sohn nicht länger in seinem Zwang unterstützen, doch es gelingt mir nicht. Warum um alles in der Welt zeigt er denn keine Bereitschaft für professionelle Hife? Welchen Motivationsanreiz dafür gibt es?

Liebe Grüße Edda
Mimi55

Re: Zwangserkrankung

Beitrag von Mimi55 »

Liebe Edda
Ich kann dich gut verstehen, mir geht es mit meinen Sohn ähnlich. Er war einmal in der Schln Klinik am Chiemsee, danach wurde alles noch schlimmer. Er war der Meinung er ist schwer krank im Kopf und wird nicht mehr gesund. Dann war er noch ein paar Monate bei einen Therapeuten der wirklich Unfähig war. Kurz danach also er war 18 Monate krank geschrieben ist er noch in eine Tagesklinik. Die waren allerdings total überfordert. Mein Sohn sagt er habe sich aufgegeben , er leidet auch unter ADHS . Medikamente hat er auch schon eingenommen, hat nichts geholfen. Seit ca 9 Monaten war er nicht mehr bei seinen Psychister. Er arbeitet wieder seit einem Jahr , hat wie schon erwähnt das viele Geld ausgegeben.
Er geht weg in diverse Club, das kann er.
Was deinen Sohn anbelangt geht er ja anscheinend nicht außer Haus? Habe ich das richtig verstanden?
Es ist schwer als Angehörige dazustehen und hilflos zuzusehen ... ich weiß auch nicht wie man einen Menschen zu einer Therapie bewegen kann. Er muss es wollen und er braucht einen Leidensdruck, den hat mein und dein Sohn anscheinend nicht. Ich gehe zu einer Therapeutin, sie ist schon 70, so richtig helfen kann sie mir auch nicht. Es ist schwer das alles auszuhalten. Diese Erkrankung ist auch noch nicht so richtig erforscht. Irgendwann wird man feststellen das ein Eiweiß Molekül im Gehirn fehlt und alles organisch bedingt ist.
Wir können gerne mal telefonieren wenn du magst.
Viel Kraft dir , Lg Mimi
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