Zwangsstörung wie kann ich helfen?

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Anna Katharina

Zwangsstörung wie kann ich helfen?

Beitrag von Anna Katharina »

Hallo alle zusammen!

Vielleicht gibt es ja hier jemanden, der in einer ähnlichen Situation war und diese lösen konnte.
Folgende Situation:
Meine kleine Schwester (21) hat schon über Jahre eine mehr oder minder stark ausgeprägte Zwangsstörung, die v.a. während der stressigen Abiturzeit angefangen hat. Erst waren es nur „banale“ Dinge, wie häufiges, langes Händewaschen und Abstand von anderen Leuten halten und ein häufiges Kontrollieren ob der Herd aus ist/ die Tür abgeschlossen u.ä., aber es hatte sie da noch nicht eingeschränkt oder belastet.
Inzwischen ist es auch durch ein noch stressigeres Studium (sie wohnt jetzt auch nicht mehr bei unseren Eltern) so schlimm geworden, dass sie ihren Alltag kaum noch bestreiten kann. Sie hat Wiederholungsticks durch die sie kaum aus dem Haus kommt und surreale Ängste v.a. vor Inkontinenz und davor, dass etwas schlimmes passieren könnte. Sie kann z.B. inzwischen nicht mehr Auto fahren, da sie während der Fahrt denkt sie hätte jemanden überfahren (obwohl niemand in der Nähe war).
Sie ist sich dessen auch bewusst und es belastet sie, aber sie möchte sich nicht behandeln lassen. Sie hatte ein paar Termine bei einem Psychiater, aber sie lehnt eine richtige Therapie und Medikation (auch homöopathisch) dazu ab.

Das Ganze belastet mich und unsere Familie sehr, da weder ich noch meine Eltern wissen wie wir ihr helfen können und es frustriert, wenn sie sich scheinbar auch nicht helfen lassen will. Das führt dann auch immer öfter zu Streit untereinander, der alles noch schlimmer macht.
Wenn jemand ähnliche Erfahrungen gemacht hat, freue ich mich auf einen Austausch.

Viele Grüße,
Anna
Zuletzt geändert von Anna Katharina am Mi 10. Apr 2019, 16:15, insgesamt 1-mal geändert.
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OCD-Marie
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Re: Zwangsstörung wie kann ich helfen?

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Anna !

Die Situation lösen... ja... ist eigentlich ganz einfach:

Akzeptiert deine Schwester so wie sie ist. Seid für sie da und respektiert ihre Ansichten und Entscheidungen, auch wenn sie nicht mit den euren übereinstimmen.

Dann ist alles gut, so wie es ist.

Denn deine "kleine Schwester" ist kein Kind mehr. Sie ist eine volljährige erwachsene Frau, die selbst über ihr Leben entscheidet. Die so, wie andere auch, ihr eigenes Leben leben möchte. Und wenn sie keine Therapie möchte, dann ist das ihre Entscheidung. Es ist schließlich ja auch ihr Leben !

Die Frage, wie du helfen kannst, wäre damit schon beantwortet. Auch wenn das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Antwort ist, die du erwartet hast oder gar lesen wolltest.

Wenn euch Außenstehende die Situation belastet (was nachvollziehbar ist), dann ist das vor allem erst einmal euer eigenes Problem. Für gewöhnlich versuchen Menschen ihre Probleme (oder das, was sie als solche empfinden) im Äußeren zu lösen. Wenn eine Wand als unansehnlich betrachtet wird, dann streicht man sie neu. Der kaputte Blumentopf wird ausgetauscht. Die Möbel neu angeordnet, der Kleiderschrank neu "bestückt" usw.
Das Problem ist, ihr habt es hier nicht mit Sachen zu tun, sondern mit einem Menschen. Und den versucht ihr zu verändern, damit IHR euch wieder besser fühlen könnt. Und auch wenn du nun einwenden willst, ihr seid um ihr Wohl besorgt - das Problem bleibt: ihr wollt deine Schwester verändern. Sie anders haben als sie ist... weil EUCH die Situation belastet...

Das Ergebnis davon könnt ihr ja schön beobachten: Frust, immer öfter Streit, alles wird nur noch schlimmer...

Und so wird es auch erst einmal bleiben.

Was nämlich gerne übersehen wird ist, dass Zwänge ihre Urspünge oft im familiären Umfeld haben. Besser gesagt in dem "Klima", das dort herscht(e). So gesehen sind die Angehörigen erst einmal Teil des Problems - und nicht der Lösung.

Deine Schwester hat sehr ausgeprägte Zwänge. Und diese Zwänge lassen tiefer in die Hintergründe blicken. Es geht um Angst vor Ablehnung. Um Unsicherheit. Um Schuldgefühle.

Wenn ihr also wirklich helfen wollt, werdet ihr nicht umhinkommen, euch erst einmal mit euch selbst auseinander zu setzen. Kritisch zu hinterfragen, wir ihr/ deine Eltern im laufe der Jahre dazu beigetragen habt, dass sie sich so fühlt wie sie sich heute fühlt. Selbstunsicher. Nicht wirklich akzeptiert. Voller Schuldgefühle.
Und dann natürlich dieses Verhalten zu ändern.

So wie du ihre Situation beschreibst habe ich Zweifel, das sie ihr Studium schaffen wird. Jedfalls derzeit. Und dennoch will sie weder Medikation noch Therapie. Auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Aber wie ist es denn mit dem Studium ? Wollte sie studieren. Macht sie das, woran ihr Herz hängt ? Oder macht sie nur das, was andere ihr "empfohlen" haben - oder gar von ihr erwarten ?
Vielleicht studiert sie, was sie gerne studieren wollte. Vielleicht ist ihr Therapieverweigerung auch einfach nur die Aufforderung: "Lasst mich so sein, wie ich will ! Hört auf, an mir zu zerren ! Hört auf, mir sagen zu wollen, was ich tun und lassen soll !"...
Vielleicht gibt es auch andere Gründe für ihre Weigerung. Vielleicht ist es auch eine "bunte Mischung"...

Ihr Verhalten ist auch ein Spiegel eures Verhaltens. Und darin liegt letztlich die ganze Antwort auf deine Frage.

Viele Grüsse
Marie
Miranda_L

Re: Zwangsstörung wie kann ich helfen?

Beitrag von Miranda_L »

Hallo Anna-Katharina,

Marie hat schon recht. Deine Schwester ist erwachsen, das bedeutet, dass sie selbst über ihr Schicksal entscheiden muss und darf.

Ich kann sehr gut verstehen, dass das für Angehörige sehr schwer ist, aber ihr Druck zu machen wird ihr nicht helfen.
Im Gegenteil. Gerade Zwänge und Ängste werden durch Druck und Stress gefördert und verstärkt.
Ihr müsst euch immer vor Augen führen, dass der Zwangskranke das alles ja nicht aus Spaß macht und nicht vor hat, andere damit zu ärgern.
Im Gegenteil. Er leidet ja selbst darunter und hätte es gerne anders.
Ihn also unter Druck zu setzen und für den Zwang zu bestrafen ist etwa so als würde man sauer auf einen Gelähmten sein, weil er nicht so schnell rennen kann.
Wenn sie schon im Studium so viel Stress hat, sollte die Familie ein Ruhepol sein, an dem sie Kraft schöpfen kann.

Wenn Zwänge bei ihr schon vor ihrem Auszug von Zuhause vorhanden sind, ist es sehr naheliegend, dass die Auslöser auch in der Umgebung zuhause zu finden sind.
Es ist also nicht damit getan, den Kranken zur Therapie zu schicken und ihm Medikamente zu verabreichen.

Medikamente sind sowieso ein heikles Thema, die können unterstützen, sind aber nicht die Lösung.
Zu homäopatischen Medikamenten gibt es ein schönes Video von Mai Thi Nguyen-Kim.

https://www.youtube.com/watch?v=vGLNQenxA1U

Andere Mittel haben teilweise enorme Nebenwirkungen und es ist immer eine Frage der Abwägung von Risiken zu Nutzen ob man so etwas freiwillig in erinen Körper lässt.
Die Ablehnung deiner Schwester ist also durchaus nachvollziehbar und verständlich.

Mein Tipp: Informiert euch über die Krankheit, lest Bücher, schaut euch die Internetseite der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen an, schaut Videos auf Youtube.
Auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen habe ich auch irgendwo Tipps gesehen, wie Angehörige mit Betroffenen umgehen können. Vielleicht hilft euch das...

Lasst aber deine Schwester ihre Entscheidungen selber treffen. Hilfe anbieten ist ok. Aber ihr solltet sie als erwachsene Person akzeptieren, die selbst entscheiden kann, ob sie diese Hilfe annehmen will.

Alles Gute
Miranda
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