Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Benutzeravatar
OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von OCD-Marie »


Hallo Peter

das ist eine gute Frage. Da bin ich auch gespannt, wie er/sie das machen will...

Ich habe mir da ja mal was überlegt.
  • Für Leute mit Infektionsängsten böte sich z.B. an:
    "Oh, ich könnte mich infiziert haben" -> "Das ist ja schön, wenn ich bald tot bin. Dann muss ich dieses Zwangs-Leben nicht länger ertragen"
  • oder wer Angst hat, mit dem Auto jemanden überfahren zu haben:
    -> "Hey klasse, ich hab´ den Typen erwischt. Wenigstens etwas, was ich in meinem Leben geschafft habe !"
  • und für Zwängler mit Ängsten, durch ihr Tun könnte ihren Liebsten etwas zustossen:
    -> "Ohje, was wenn meiner Tante jetzt ein schlimmer Unfall passiert?" -> "Na hoffentlich bricht sich die Alte bald ihr Genick. Das ist ja so ne blöde Kuh !"

:D

Und wenn Kampfsport das "non plus ultra" für alle Zwängler sei... was sollen seiner/ihrer Meinung nach dann all diejenigen tun, die Probleme mit Schmutz, Körperkontakt, Körperflüssigkeiten usw. haben ?

Mir ist auch nicht klar, was er/sie mit "Moments of excellence" meint - bzw. was das mit "sich selbst gönnen" zu tun hat. Denn zum einen ist das keine feststehende Redewendung und zum anderen lässt sich "excellence" wahlweise übersetzen mit "Vorzüglichkeit", "Güte" (im Sinne von "Qualität einer Ware"), "(Vor-)Trefflichkeit", "Spitzenleistung" oder auch "vorzügliche Leistung"...
Aber vielleicht meint er/sie ja "Momente der Güte" (mit sich selbst). Das würde man dann jedoch eher übersetzen mit "goodness", "kindness", "kindheartedness", "graciousness", ...

nunja...



Dennis_1985

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Dennis_1985 »

Hallo, zusammen,

ich würde eher versuchen, den Zwang als solchen zu erkennen und ihm dann mit kognitiven Antworten, Wahrscheinlichkeiten oder möglichen Deutungsversuchen zu begegnen.

Beispiel Waschzwänge ("Ich könnte mich infiziert haben"):
Warum soll ausgerechnet ich mich immer wieder infizieren?
Kenne ich dieses Muster meiner Gedanken nicht schon allzu gut?
--> Wenn ja, warum habe ich mich dann bislang noch nicht infiziert?
Was könnte mir dieser Zwang sagen wollen?
--> Ich habe großes Misstrauen (Warum?).
--> Ich fürchte mich vor meiner Umwelt (Weshalb?).


Eine positive Umwandlung des Gedankens fällt mir schwer, vielleicht in diesem Fall:
"Gut, dass ich vorsichtig bin. Aber ich muss es nicht übertreiben..."
"Ich achte auf mich und meine Umgebung. Nun reicht es aber auch..."


Herzliche Grüße
Dennis
Benutzeravatar
PeterAlleinzuhaus
Beiträge: 21
Registriert: Mi 2. Mai 2018, 20:36

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von PeterAlleinzuhaus »

Hallo OCD-Marie,
Deine Vorschläge für das Umkehren der Zwangsgedanken ins Positive klingen ja lustig. Allerdings braucht man da wohl schon eine ordentliche Menge schwarzen Humors, wenn das bei einem betroffenen wirklich wirken soll. Ich kann mir das nicht wirklich vorstellen. Aber wir sind ja alle mal auf die Antwort von Chonglee gespannt :)

Hallo Dennis,
Deine Vorschläge finde ich ganz gut. Es ist ein ersten wichtiger Schritt, den Zwang oder den Zwangsgedanken als solchen zu erkennen und ihn zu entlarven. Im englischen gibt es für die Entlarvung des Zwangs (egl. abgekürzt OCD) den schönen Reim "it's not me, it's my OCD" (zu deutsch: "das bin nicht ich, das ist nur mein Zwang"). Das Problem ist nur oft, das es in der direkten Zwangssituation nicht hilft. Da bleibt aber dann die Möglichkeit, die Sache hinterher zu analysieren und hier passen dann auch die kognitiven Fragen und Antworten wie z.B.
  • geht das technisch überhaupt, was ich da befürchte?
  • was habe ich denn wirklich gesehen, gehört oder gespürt?
Wichtig ist dann auch sicherlich die Frage, was uns der Zwang sagen will:
  • wovor habe ich Angst?
  • woran hindert mich der Zwang?
  • oder wovor will mich der Zwang beschützen?
Gruß Peter
Miranda_L

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Miranda_L »

Dennis_1985 hat geschrieben: Mo 28. Mai 2018, 11:57 Beispiel Waschzwänge ("Ich könnte mich infiziert haben"):
Warum soll ausgerechnet ich mich immer wieder infizieren?
Kenne ich dieses Muster meiner Gedanken nicht schon allzu gut?
--> Wenn ja, warum habe ich mich dann bislang noch nicht infiziert?


Hallo Dennis,
ich mache das zwar auch immer wieder, habe aber gemerkt, dass es nicht gut ist, mit dem Zwang zu diskutieren.

Wenn man diskutiert, hat der Zwang einen schon in seinem Kreislauf gefangen und die Gedanken drehen sich nur noch um das Thema anstatt um das, womit man sich eigentlich beschäftigen wollte.
Dennis_1985

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Dennis_1985 »

Optimal ist natürlich das typische "Stopp-Schild":

Sobald ein Zwang erkannt ist, sollte man versuchen, eine Abzweigung zu nehmen und sich mit anderen Gedanken zu beschäftigen.

Das ist allerdings eine überaus mühsame Übungssache - ich schaffe es bis heute auch nur stellenweise, mich im richtigen Zeitpunkt abzulenken.

Ich persönlich habe daneben gute Erfahrungen damit gemacht, die Aussage eines Zwangs verstehen und deuten zu lernen, ohne sich dabei auf eine inhaltliche Diskussion mit ihm einzulassen. Dann kann es auch gelingen, ihn an der Wurzel seines Übels zu packen und vielleicht sogar manch neue Lebensweisheit dazu zu gewinnen.

Aber wie bei allen Ansätzen, sich dem Zwang zu stellen, benötigt auch das immer wieder Kraft und Einsatz - und nur langsam stellt sich im Umgang mit dem Zwang eine Routine ein, ihn mit dessen eigenen Waffen zu besiegen.

Deshalb bleibt wohl nur, sich Ausdauer und Durchhaltevermögen zu wünschen. Auch viele kleine Erfolge können letztlich zum Durchbruch führen.
Antworten