Gefangen im Teufelskreis - Kontaminationsängste

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Mia
Beiträge: 16
Registriert: Mi 7. Aug 2019, 14:19

Gefangen im Teufelskreis - Kontaminationsängste

Beitrag von Mia »

Hallo Zusammen,

An alle Kontaminationsangstbetroffene unter Euch;
Kennt Ihr das auch, dass Ihr immer wieder eingenommen werdet von dem allumfassenden, beklemmenden, einengenden Gefühl, dass alles kontaminiert ist im Alltag, im Haushalt, und Ihr das Gefühl habt, Ihr müsst immerzu aufpassen, dass sich Dinge nicht berühren (um „Sauberkeitszonen“ einzuhalten)?

Ich habe das nicht immer gleich stark, zur Zeit jedoch sehr ausgeprägt, was mich in meinem Alltag sehr einschränkt ☹.
Ich brauche dadurch für einfache alltägliche Verrichtungen sehr viel Zeit, weil ich dazwischen immer wieder Hände waschen, Gegenstände desinfizieren oder „normale“ Handlungen vermeiden muss.
Das ist unglaublich anstrengend & zermürbend :( .

Z.B. kochen vermeide ich so oft es geht…. Ich habe das Glück (oder den Fluch?- da vermeidungsfördernd) dass ich in einem begleiteten Wohnen lebe & bei uns im Haus von Montag bis Freitag ein Mittagstisch angeboten wird. Da kann ich zu einem günstigen Preis sehr gut essen, was ich so oft es geht auch tue.
Das hat aber eben zur Folge, dass ich Zuhause kaum mehr koche, da mich das Kochen sehr viel Zeit kostet. Es ist mir unglaublich starken Ängsten besetzt- Angst, mich mit Essen, Lebensmitteln zu kontaminieren, beschmutzen.

Diese vielen Ängste vor Verunreinigung, Kontamination, etc. haben sich über viele Jahre so in mir „eingebrannt“, verselbständigt, dass ich das Gefühl habe, ich werde es nie schaffen, diese Ängste zu überwinden.
Bzw. Kann ich gar nicht glauben, dass ich die Ängste überwinden & zu einem normalen Verhalten im Leben (zurück-)finden kann.
Das wiederum löst das mittlerweile wie chronisch gewordene Grundgefühl in mir aus, dass ich total lebensunfähig bin, was mich wiederum zutiefst frustriert & deprimiert. -Ein Teufelskreis.

Von diesem Post erhoffe ich mir von Mitbetroffenen Verständnis und das Wissen, dass ich damit nicht alleine bin :cry:
Weil in meinem direkten Umfeld, -auch wenn es da durch das begleitete Wohnen viele Menschen mit psychischen Krankheiten gibt, niemanden kenne mit den, ähnlichen Ängsten & Problemen.

Mit meinem Mann ist es eine ständige Herausforderung bis Überforderung, zusammen Zusein- zusammen Zuleben, da er sich ja "normal" verhält.
Und dieses "Normal" mir eben sehr bedrohlich erscheint.

Ist das möglich, dass das Normale Verhalten der meisten Menschen uns Zwänglern einmal nicht mehr so bedrohlich vorkommt?

Liebe Grüsse, Mia
OCD-Marie

Re: Gefangen im Teufelskreis - Kontaminationsängste

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Mia

ja, ich kann nachvollziehen, was du beschreibst.
Nach allem, was du berichtest (hier und in deinem Beitrag ein paar Tage früher), würde ich sagen, dass du derzeit in einer ziemlichen Akut-Phase deiner Zwänge steckst.
Was ich bisher nicht so ganz nachvollziehen kann (im Gegensatz zu der "Sache" mit den Körperflüssigkeiten) ist, welche Angst dahintersteht, wenn du schreibst "Angst," dich "mit Essen, Lebensmitteln zu kontaminieren, beschmutzen" ? Wo siehst du da das "Problem" ?

Wie dem auch sei... Ich denke, es wäre Zeit für die Klinik. So wie die Dinge derzeit zu liegen scheinen, halte ich eine ambulante Therapie (noch dazu mit unregelmässigen Terminen) nicht wirklich sinnvoll.

Wichtig wäre, deine Depression wieder zurückzudrängen und vor allem deine Symptomlast spürbar zu reduzieren. Und das ginge in einem klinischen Setting deutlich besser...
Es gibt auch Kliniken mit Lehrküchen (z.B. Windach). So könntest du auch das Kochen intensiver üben.

Was meinst du ?

Liebe Grüsse
Marie
Mia
Beiträge: 16
Registriert: Mi 7. Aug 2019, 14:19

Re: Gefangen im Teufelskreis - Kontaminationsängste

Beitrag von Mia »

Hoi Marie,

Danke Dir für Dein Feedback!

Ich verstehe selber nicht, warum ich diese Kontaminationsängste vor Lebensmitteln & Essen habe.
Kann mir nicht erklären, woher es kommt.
Etwas in mir sagt einfach, ich muss aufpassen, dass ich mich nicht bekleckere mit Lebensmitteln.
Das Problem dabei sehe, empfinde ich dabei, dass Essensrückstände, Spuren nichts an mir, an meinen Fingern, auf meinen Kleider verloren haben.
Die dürfen da wie nicht sein.

Alleine nur schon wenn ich Hände wasche in der Küche, habe ich Angst, von Wasserspritzern kontaminiert zu sein. Diese Wasserspritzer sind ja nicht nur reines Wasser, sondern auch vermischt mit Essensspuren, Kaffespuren, etc. wenn ich vorher im Waschbecken z.B. eine Kaffetasse ausspülte.

Wasche ich im Badezimmer die Hände, habe ich Angst vor kontaminierten Wasserspritzern auf meine Kleider mit Ausscheidungsrückständen von der Toilette.
Ich habe irgendwann mit Schrecken bemerkt, festgestellt, dass ich beim Händewaschen sichtbare Spritzer an meine Kleider abbekomme.
Ich versuche immer recht sorgfältig meine Hände zu waschen, den Wasserhahn nicht stark aufzudrehen, um Spritzer zu verhindern. Fazit ist aber; es gibt einfach Spritzer, das gehört wohl dazu.

Was ein Klinikaufenthalt betrifft;
Ich war bereits 2-mal in den letzten 10 Jahren auf einer auf Ängste-& Zwänge spezialisierten Abteilung stationär. Da haben Sie eben mit ACT gearbeitet. Also ACT kombiniert mit Expositionen.

Bei diesen beiden Aufenthalten war ich leider nicht sehr mutig und bereit, mich intensiv & konsequent auf Expo’s einzulassen.
Ich habe dort eher das ACT verinnerlicht und kennengelernt.

Mein Psychiater, bei dem ich ja jetzt am Aufhören bin, bis Ende Jahr, ( habe noch 1-2 Stunden mit Ihm) hat mir immer wieder abgeraten, nochmals stationär zu gehen. Ich habe das Thema immer wieder mal angesprochen. Er denkt, dass mir das nicht viel bringen würde, nochmal in die Klinik zu gehen.
Er meint, es wäre für mich primär als Entlastung vom Alltag gedacht, Verantwortung abgeben zu können = kurzfristige Entlastung.
Wenn ich dann aber wieder nach Hause käme, ginge der Teufelskreis wieder los.
Ich sollte lieber in meinem Alltag einen Umgang finden, klar zu kommen.
Einfacher gesagt als getan…. :shock: :(

Was es für mich schwieriger als früher macht, nochmal in eine Klinik zu gehen ist, dass ich seit Frühling diesen Jahres eine Katze habe.
Es war schon lange ein Wunsch von mir, eine Katze zu haben, hatte es mir bisher nicht zugetraut.
Nun habe ich es mir zugetraut, -und merke, dass es für einen 2-3-Monatigen Klinikaufenthalt nicht so einfach ist, wenn Zuhause ein Tier versorgt sein möchte.
Mein Mann arbeitet unter der Woche weiter weg & kommt daher immer nur am Wochenende nach Hause.
Insofern kann er dann unter der Woche nicht auf die Katze schauen.
Jemand anderem zumuten, mehrere Wochen auf sie aufzupassen, sie zu füttern, finde ich auch schwierig.

Wobei es da sicher eine Lösung mit Nachbarn gäbe. Ich glaube, es fällt mir da einfach sehr schwer, loszulassen, diese Aufgabe abzugeben.

Letztes Jahr ging es mir zwangsmässig schon nicht gut, so dass ich bereits für 2 Vorgespräche zu derselben Klinik ging, wie ich schon war- entgegen der Meinung meines Psychiaters.

Das klingt jetzt vielleicht blöd, doch sah ich mich letztes Jahr vor der Entscheidung; Nochmal stationär gehen oder eine Katze zu mir nehmen.
Entweder oder.
Es fiel mir sehr schwer, mich zu entscheiden, - einen Platz in der Klinik hätte ich bekommen.
Habe mich dann gegen die Klinik und für eine Katze entschieden…
Was wohl nicht die vernünftigste Entscheidung war….
Irgendwie wollte ich mir einfach den langersehnten Wunsch nach einer Katze erfüllen und es ohne erneuten Klinikaufenthalt schaffen….

Vielleicht muss ich noch anmerken, dass ich eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung diagnostiziert bekommen habe, nebst den Zwängen & Depression.
Dass Vermeidungsverhalten also sehr ausgeprägt ist bei mir, in mittlerweile praktisch allen Lebensbereichen.
Das erklärt vielleicht mitunter, warum eine Zwangsbehandlung bisher nicht sehr erfolgreich war bei mir… :? :( .

Lg Mia
Hermann1
Beiträge: 69
Registriert: Di 18. Dez 2018, 19:19

Re: Gefangen im Teufelskreis - Kontaminationsängste

Beitrag von Hermann1 »

Moin,

es klingt vielleicht banal, aber es ist eigentlich ein Teil der Lösung:

Akzeptiere deine Zwänge und betrachte sie als unnötigen Ballast
und nimm Tabletten ein, ebenso wie ein Schilddrüsen- oder Zuckerkranker....
Mia
Beiträge: 16
Registriert: Mi 7. Aug 2019, 14:19

Re: Gefangen im Teufelskreis - Kontaminationsängste

Beitrag von Mia »


Hoi Hermann1,

Kurz & bündig; Das klingt ja recht simpel :idea: ....
Ob die Umsetzung das auch ist? :|

Das mit dem Akzeptieren meine ich.
Medikamente (SSRI) nehme ich schon jahrelang. Verschiedene ausprobiert.
Ohne ginge es mir vielleicht noch schlechter. Keine Ahnung.

Ich werde mir das mit einen erneuten Klinikaufenthalt ernsthaft überlegen.
Weil ich Zuhause einfach schlicht nicht mehr klarkomme.

Gruss, Mia
gaby
Beiträge: 5
Registriert: Do 5. Sep 2019, 11:09

Re: Gefangen im Teufelskreis - Kontaminationsängste

Beitrag von gaby »

Liebe Mia,
deine Probleme kenne ich und kann nachvollziehen, wie es dir geht.
Zum Thema Klinik .... wie du schreibst, hast du schon zwei Aufenthalte hinter dir, und es hat dir nicht sehr viel gebracht. Das geht vielen so.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine ambulante Therapie im normalen Alltag bessere Erfolge erzielt.
Selbst befinde ich mich derzeit wieder in therapeutischer Behandlung. Auch ich komme mit meiner Arbeit zeitlich nicht klar, da ich mich, wie du,
ständig waschen muss. Um meine Konfrontationen mit den mir unangenehmen Dingen und Menschen durchzustehen und Zwangsrituale zu vermeiden,
werde ich derzeit ganz engmaschig vom Therapeuten begleitet. Und diese Konfrontationen kann man nicht in der Klinik machen, da die Situationen nicht realistisch genug sind. Ein Klinikaufenthalt dient meiner Erfahrung nach eher dazu, aus seinem normalen Umfeld rauszukommen, Kraft zu tanken und die Grundlagen für die richtige Konfrontationstherapie zu lernen.
Frage deinen Therapeuten nach einer Begleitung direkt vor Ort, um dich deinen Zwängen zu stellen.
Und Besserung tritt nur ein, wenn du deine Vermeidungstechnik aufgibst, dich mit den Dingen konfrontierst und die spannungsabbauenden Rituale vermeidest.
Vielleicht hast du auch eine vertrauenswürdige Person, die dich hierbei begleitet kann.
Ich wünsche dir Kraft und Erfolg.
Gaby
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