wie kann ich meinem Mann helfen?

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family2007
Beiträge: 2
Registriert: Fr 28. Feb 2020, 11:35

wie kann ich meinem Mann helfen?

Beitrag von family2007 »

Hallo zusammen,
ich habe lange nach einem passendem Forum gesucht und bin dann auf dieses gestoßen...
Es geht um meinen Mann. Wir sind seit mehreren Jahren zusammen und haben 2 Kleinkinder. Nun hat er seit einiger Zeit extreme Zwänge, die unser Familienleben stark beeinflussen und teilweise auch beeinträchtigen. Die Zwänge fingen nach und nach an und wurden immer schlimmer, bis sie jetzt seinen ganzen Alltag bestimmen. Angefangen hat es bei ihm mit "schlimmen Gedanken" bzw. Angstgedanken, die er dann durch Wiederholen von dem was er in dem Moment getan hat während er diesen Gedanken hatte, "neutralisieren" möchte. So kommt es, dass er teilweise Dinge bis zu 20x wiederholt bis er keinen schlechten Gedanken mehr hat. Es fängt morgens beim Aufstehen schon an. er zieht z.B. seinen Schlafanzug bis zu 8x an und aus bis er dann das Schlafzimmer in Richtung Bad verlässt. Er putzt sich z.T. bis zu 15x die Zähne. Morgens bevor er zur Arbeit fährt verabschiedet er sich von mir und den Kindern geht zur Haustür raus und kommt ca. 3-4x wieder rein und macht genau das gleiche nochmal. An guten Tagen kommt er nicht wieder rein, sondern steigt gleich ins Auto. Dann sehe ich aber vom Fenster aus, dass er ein paar Mal wieder umdreht und die gleiche Strecke nochmal fährt. Und so geht das die ganze Zeit. Alle Dinge die er tut (selbst das essen) werden x Mal wiederholt. Auch die Kinder und ich müssen Dinge, die wir tun oder sagen für ihn wiederholen, damit er seine Gedanken neutralisieren kann. Er sagt selbst, dass es bei mir am schlimmsten ist mit seinen Zwängen. Ich vermute mal es kommt daher, dass niemand sonst von seinen Zwängen weiß und er es in der Öffentlichkeit ganz gut verbergen kann bzw. überspielen. Leider bin ich oft genervt von ihm, sodass es in letzter Zeit sehr oft zum Streit kommt.
Er geht seit ca. 3 Monaten zu einer Psychologin. Leider hat er nur 1-2x im Monat einen Termin, da es sonst bzgl. Arbeit terminlich nicht zu vereinbaren ist. Ich versuche ihm zu helfen, bin aber mittlerweile sehr verzweifelt, da ich ihn nicht wiedererkenne. Er wird z.T. sehr aggressiv mir gegenüber und ist auch schon das ein oder andere Mal auf mich losgegangen. Ihm tut es danach immer sehr leid, aber er schiebt die Schuld dann teilweise auf mich, weil er dann der Meinung ist, dass ich ihn nicht genug unterstütze. Er hat zu mir gesagt, dass seine Psychologin zu ihm gesagt hat, dass ich seine Zwänge Anfangs mitmachen muss und nach einiger Zeit soll ich dann nicht mehr mitmachen. Jetzt habe ich aber gelesen, dass man die Zwänge nicht mitmachen soll?!? Ich weiß nicht, ob ich ihm das dann glauben soll. Wenn ich mich nämlich weigere etwas für ihn zu wiederholen wird er sauer und aggressiv, sodass ich letztendlich nachgebe. Ich habe bereits vieles versucht um ihm zu helfen, weiß aber nicht mehr weiter. Ich habe auch ihn gefragt, was ich denn seiner Meinung nach tun soll um ihm zu helfen. Seine Antwort: da musst du selbst draufkommen...
Habt ihr Tipps für mich? Ich möchte nicht, dass meine Kinder darunter leiden, denn mein älteres Kind ist manchmal auch schon genervt, Dinge zu wiederholen. Ich habe ihm letztens gesagt, dass ich meinen alten Ehemann wieder haben möchte und da meinte er, dass ich ihn dadurch total unter Druck setze. Aber es leidet unser gesamtes Familienleben darunter, da er die einfachsten Dinge aus Angst, dass er einen Wiederholungszwang dadurch bekommt nicht mehr macht. z.B. Müll rausbringen, Dinge wegzuschmeißen oder Sachen in den Keller räumen. Auch Ausflüge mit den Kids vermeidet er und wenn wir doch irgendwo hinfahren, kommen wir grundsätzlich zu spät, da er auf der Strecke mind. 5x umdrehen muss um die Strecke wieder zu fahren und seine Gedanken zu neutralisieren.
Sorry für den langen Text und danke fürs Lesen:-)
Alpha Centauri
Beiträge: 35
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:21

Re: wie kann ich meinem Mann helfen?

Beitrag von Alpha Centauri »

Hi!

Ich antworte Dir als Betroffener, habe auch "Magische Gedanken/ Zwänge", so nennt man dieses ritualisierte Vorgehen. Ich schaffe es allerdings inzwischen, ihnen im Alltag nur noch selten nachzugeben. Tricky wird´s diesbezgl. für mich eigentlich nur noch, wenn mir was Reales ohnehin grad schon große Sorge bereitet. Dann erwische ich mich dabei, vereinzelt doch noch nachzugeben. Aber stopp - es geht jetzt nicht um mich, sondern um Deinen Mann:

Gut ist, dass er bereits einsieht, dass er es mit einer Erkrankung zu tun hat. Es ist wichtig, diese Gedanken auch bewusst so einzusortieren, sich davon abzugrenzen, immer wieder. Denn das Gefühl ist durch die Zwangsproblematik einfach gestört, sprich: Dinge, die sich vielleicht gut anfühlen, sind tatsächlich aber falsch - und umgekehrt. Rationale Entscheidungen sind gefragt.

Man kann jetzt natürlich viel analysieren, welches Ereignis diese Erkrankung zum Ausbruch gebracht haben könnte und in wie fern Dein Mann diesbezgl. schon vorbelastet war, es aber noch nicht als problematisch wahrgenommen hatte. Im Endeffekt geht es aber tatsächlich darum, ins kalte Wasser zu springen, nicht bspw. die Fahrten mit Euren Kindern zu vermeiden, sondern die Rituale und das, was sich dann vielleicht zunächst noch falsch oder unvollkommen anfühlt, auszuhalten um dem rational zu begegnen. Das passende Gefühl dazu wird sich auf Dauer wieder einstellen.

Ein Therapeut wird Deinen Mann - wohl dosiert - in diese Richtung lenken. Gut, dass er schon in Behandlung ist.

Ich kann Dir aber aus eigener Erfahrung bestätigen: Es passieren gute und weniger gute Dinge, jeden Tag. Die Magischen Zwänge können aber weder die guten Ereignisse produzieren, noch die weniger guten verhindern. Stattdessen rauben sie dem Betroffenen (und seinen Angehörigen) Lebensqualität. Und das nicht zu knapp. Je früher man damit beginnt, das Rad zurückzudrehen, desto besser.

Was Deine Rolle angeht: Ja, es ist wichtig, Verständnis zu zeigen. Wer sich unverstanden fühlt, macht sowieso zu. Bist Du einfühlsam, ist es also gut. Es hilft aber bei der Bewältigung dieser Krankheit tatsächlich nur "Radikalisierung": Sich also nicht instrumentalisieren zu lassen und den Zwängen somit auch nicht noch vermeintlich Berechtigung, Bedeutung und Sinn zu geben.

Gruß, Markus
family2007
Beiträge: 2
Registriert: Fr 28. Feb 2020, 11:35

Re: wie kann ich meinem Mann helfen?

Beitrag von family2007 »

Hallo Markus,

vielen Dank für deine Antwort! Also sollte ich zunächst weiter Verständnis ihm gegenüber zeigen und einfühlsam sein? Das versuche ich bereits. Allerdings bin ich manchmal dann auch etwas genervt wenn ich Dinge zum 7.mal wiederholen muss:-(
Aber ich bin froh, dass er selbst gemerkt hat, dass er ohne Hilfe aus den Zwängen nicht mehr rauskommt und hoffe,dass ihm seine Therapeutin helfen kann. Er meinte,dass es eine Langzeittherapie wird und der Zwang am Anfang der Therapie schlimmer wird bevor er "bekämpft" wird.
Hat jemand Erfahrung damit?
Viele Grüße
Alpha Centauri
Beiträge: 35
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:21

Re: wie kann ich meinem Mann helfen?

Beitrag von Alpha Centauri »

Hi!

Wie gesagt: Einfühlsam sein, aber trotzdem nicht Teil des Zwansapparates werden, sondern immer wieder klar sagen, dass es Nonsens ist und sich deutlich davon abgrenzen. Er wird nur erfolgreich in der Bewältigung sein, wenn er dem Drang, die Rituale auszuüben, trotz aller Unsicherheit widersteht. Fühlt sich zunächst mies an, aber die Konditionierung machts dann.
Mutter123
Beiträge: 17
Registriert: Sa 19. Okt 2019, 18:58

Re: wie kann ich meinem Mann helfen?

Beitrag von Mutter123 »

Hallo,

aus meiner Erfahrung als Angehörige kann ich sagen, dass für mich drei Dinge wirklich hilfreich waren/sind:
1. eine geeignete Therapeutin finden, die auf Zwangserkrankungen spezialisiert ist. Bei der deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. erhält man eine Liste mit geeigneten Therapeuten.
2. sich selber umfassend über das Krankheitsbild informieren über Bücher, Podcasts u.ä.
3. Abgrenzung und Selbstfürsorge: eine zwangserkrankte Person in der Familie zu haben, bedeutet eine unheimlich Belastung-schafft Euch Freiräume, unternehmt schöne Dinge, nehme Dir bewusst Zeit für die Kinder

LG und viel Kraft!
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