Falls jemand Zeit hat - würde mich freuen wenn das jemand liest. danke!

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namenlos
Beiträge: 3
Registriert: Di 26. Mai 2020, 22:29

Falls jemand Zeit hat - würde mich freuen wenn das jemand liest. danke!

Beitrag von namenlos »

Hallo in die Runde,

ich bin neu hier. Ehrlich gesagt versuche ich gerade meine Gedanken zu ordnen. Ich bin mittlerweile fast 30 Jahre und habe rückwirkend betrachtet Zwänge schon seit 10 Jahren. Seit ungefähr einem Jahr mache ich eine Therapie. Mit mehr oder weniger Erfolg.

Über die Jahre hatte ich mit unterschiedlichen Gedanken und Handlungen zu kämpfen. Alles fing an mit einem Bakterien-Tick. Musste meine Hände immer "ausschütteln" und dazu einen bestimmten Satz sagen. Da war ich 16 und es fanden alle lustig. Im Nachhinein war das wohl der Beginn. Über die Jahre hatte ich immer unterschiedliche Anwandlungen.

>> Oft die Angst, dass jemand etwas Schlimmes passiert wenn ich bestimmte Dinge nicht oder falsch tue. Hat dazu geführt dass ich immer etwas laut
dagegen gesagt habe (wenn ich alleine war).
>> Die Angst jemanden überfahren zu haben, obwohl ich wusste dass es nicht sein kann.
>> Mittlerweile habe ich vor allem Gedanken oder besser gesagt Impulse, in denen mir immer Schimpfwörter in den Kopf kommen. Oft gegen Gott und das obwohl ich ein religiöser Mensch bin. Und das sehr gerne. Weil ich das nicht denken will kämpfe ich dagegen an und um so schlimmer wird es. Die Folge ist das ich sehr viel bete, aber nicht so wie ich es eigentlich möchte. Mehr immer und immer wieder das selbe um meine Gedanken zu erklären. Ich bin mir sicher, dass Gott das versteht und ich das nicht tun müsste aber ich kann einfach nicht auf hören. Oder ich habe Angst jemand zu "verfluchen". Ich würde es als Tourette im Kopf bezeichnen. Kennt das noch jemand?
>> Angst vor Krankheiten/Viren/Bakterien: Ich habe keinen Waschzwang in dem Sinne, dass ich den ganzen Tag putze und mir die Hände wasche. Aber ich habe (natürlich gerade jetzt zu Corona-Zeiten noch mehr) echt Probleme mit der Angst "kontaminiert" zu werden. Ich würde am liebsten sofort alle Klamotten in die Wäsche werfen wenn ich von draußen nach Hause komme. Für mich verschwimmen hier die Grenzen zwischen normal und krank. Und das führt mich zu meiner Frage:

Was mache ich nur? Meine Therapeutin hat mir kurz vor Corona schon mal einen stationären Aufenhalt empfohlen. Mittlerweile habe ich mich sogar schon damit abgefunden. Allerdings bin ich mir dann doch wieder nicht sicher, ob ich das brauche. Denn ich bin kein Zwängler, der 10 Stunden am Tag mit seinem Zwang verbringt. Zum Beispiel habe ich wie oben beschrieben echt ne Macke was Viren angeht, aber bin dennoch nicht jeden Tag am putzen oder Ähnliches. Ich verbringe auch sonst keine 10 Stunden am Tag mit meinen Zwängen, sondern gehe ganz normal meiner Arbeit nach. Dennoch verspüre ich einen Leidensdruck. Ich kann z.B. keinen Abend in Ruhe auf der Couch sitzen, ohne dass ich vorher mehrere "Rituale" gemacht habe (Nein-Schreien gegen meine Beschimpfungen, bis 5 zählen, eine 11 auf die Couch malen und so weiter). Die Rituale haben sich gefühlt schon etwas verselbstständigt. Heißt also, manchmal lasse ich gar keinen Gedanken mehr zu sondern beim ersten Impuls mache ich lieber ein Ritual. Puh, das ist das erste Mal dass ich so ausführlich über etwas berichte. Es ist schwierig zu erklären. Früher war es ungefähr so: ich denke jemand stirbt deshalb schreie ich nein. Heute ist es so, dass ich manchmal "schneller" als die Gedanken bin und dann schon ein Ritual mache damit es erst gar nicht so weit kommt? Sorry, wenn das verwirrend klingt.

Am Schlimmsten ist es aber alles für meinen Mann und meine Familie. Aufgrund von Verlustangst und eines Traumas (Mutter verstorben als ich 10 war, Vater kurz vorher verlassen und kein Interesse an mir) versuche ich alles und jeden zu kontrollieren. Sowohl meinen Mann als auch meine kranken aber dennoch fähigen Großeltern. Z.B. haben sich alle die Hände gewaschen, auch lang genug? Auch dies und das und jenes. Einfach nur um sie zu schützen. Sowohl meinen Großeltern als auch meinen Mann geht das - berechtigterweise - auf den Zeiger. Mein Mann ist nur noch genervt und hält das nicht mehr aus. Meine Großeltern fühlen sich entmündigt, obwohl wir sonst ein super Verhältnis haben. Das tut mir sehr leid, vor allem weil ich es selbst meist nicht merke wie ich auf mein Umfeld wirke.

So, es tat gut das mal loszuwerden. Gibt es hier jemand, der meine oben genannten Probleme kennt? Habt ihr Erfahrungen oder Einschätzungen, ob so eine Geschichte ambulant gut behandelbar ist oder ob man tatsächlich stationär gehen sollte? Hab irgendwie ein bisschen Angst, dass ich in einer Klinik auftauche und dann nach dem Motto heißt "Na so schlimm sind sie ja nicht dran. da hätten sie ja auch ambulant hinbekommen". Ich bin ja wirklich nicht scharf auf so einen Aufenthalt, vor allem weil ich nebenbei auch noch Pflegeperson bin. Aber ich habe Angst, irgendwann meinen Mann zu verlieren und mein Umfeld zu verprellen.

Danke fürs Zuhören.

Herzliche Grüße
Namenlos
Jessi
Beiträge: 284
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Falls jemand Zeit hat - würde mich freuen wenn das jemand liest. danke!

Beitrag von Jessi »

Hey :)
Es ist schwer daran zu glauben aber es ist doch irgendwie immer wieder erleichternd wenn man sich vor Augen führt, dass ich zwangsgedanken immer gegen das richten, was einem am wichtigsten ist. Du beschreibst du wärst religiös also richtet sich der Zwang dagegen.
Du solltest versuchen die Rituale zu unterlassen, es ist super leicht gesagt, das weiß ich aber diese Rituale sind eigentlich nur da um den Kreislauf aufrecht zu erhalten :|
Zu deiner Frage bezüglich des stationären Aufenthalts kann ich nur von meiner persönlichen Erfahrung bzw Meinung berichten. Ich halte nichts davon, vor allem wenn man noch im Alltag ganz gut eingebunden ist und sonst eher komplett aus seinem Leben gerissen werden würde. Allerdings solltest du das mal in der Therapie ansprechen, dort wird dir bestimmt nichts Schlechtes geraten ;)

LG Jessi
Gabriel W
Beiträge: 15
Registriert: So 24. Mai 2020, 05:39

Re: Falls jemand Zeit hat - würde mich freuen wenn das jemand liest. danke!

Beitrag von Gabriel W »

Hallo (srry für schlechte Deutsch)
Ich bin 20 Jahre alt und ich habe fast das gleiche Problem: "magisches" Denken, Kontamination und Skrupel. Es fühlt sich so gut und sicher nachdem ich meine Rituale gemacht habe. Zu aufhören oder über meine Störung mit meine Familie zu reden habe ich Angst. Ich denke es ist nicht eine gute Idee dass Sie in Psychiatrie Klinik zu gehen. Therapie ist besser, also Psychologe. Und Escitalopram hilft auch.

L.G.
Gabriel
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Falls jemand Zeit hat - würde mich freuen wenn das jemand liest. danke!

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo !

Na da hast du ja jede Menge Gründe für einen Aufenthalt in der Klinik genannt !
Wenn schon deine Therapeutin dir einen stationären Aufenthalt nahe legt, ich denke, dann kannst du das so annehmen. Ein stationärer Aufenthalt ist wesentlich intensiver als ambulante Therapie.
Und es geht ja nicht nur ums Waschen. Du hast ja ne ganze Reihe an Ritualen, an Handlungen, an Gedanken. Und das täglich ! Du musst schon alles zeitlich zusammenzählen !
Zudem kann man sagen, nach über zehn Jahren sind Zwänge kronifiziert. Und automatisiert ("Heute ist es so, dass ich manchmal "schneller" als die Gedanken bin...").

Was ganz wichtig ist für deine Therapie: Du solltest den Zwang nicht getrennt sehen von deinen Verlustängsten (und den Schwierigkeiten, die du deiner Familie damit bereitest) und den Schuldgefühlen. Beides drückt sich in deinen Zwängen aus. Du solltest dich daher ausgiebig um diese beiden Themen kümmern. Das wird den Zwängen mit der Zeit (...kann dauern !) die Energie entziehen. Ganz einfach, weil du sie irgendwann nicht mehr so sehr brauchst.

Was deinen "Waschzwang" anbetrifft (ich hab´s bewusst in Anführungszeichen geschrieben): Du hast nicht geschrieben, warum du Angst hast. Der "klassische" Waschzwängler hat Angst, sich selbst zu infizieren und damit sich selbst zu schaden. Bei dir vermute ich eher, dass du befürchtest, du könnstest dann jemand anderes infizieren/anstecken. Kann das sein ?
Solltes es so sein, wäre auch der Wasch-Anteil lediglich eine weitere Spielart der Verlustängste und Schuldgefühle.

So, und nun: ab in die Klinik mit dir ! :-)

Liebe Grüsse
Marie
Xyz99
Beiträge: 97
Registriert: Mi 17. Mär 2021, 12:23

Re: Falls jemand Zeit hat - würde mich freuen wenn das jemand liest. danke!

Beitrag von Xyz99 »

Moin, ich hoffe hier schaut noch jemand rein.

Ich habe ähnliche Probleme: meine Zwangshandlung ist mir „schlechte Sachen zu wünschen“
Und mittlerweile wünsche ich es mir auch ohne Gedanken als wäre es eine Angewohnheit und gehört zu mir
Jonna Laura
Beiträge: 7
Registriert: So 3. Mai 2020, 01:42

Re: Falls jemand Zeit hat - würde mich freuen wenn das jemand liest. danke!

Beitrag von Jonna Laura »

Hi namenlos,

ich habe mich gerade in zweien deiner Aussagen wiedererkannt =).

Auch ich hatte die Annahme, dass es mir nicht so schlimm wie anderen geht und andere Leute viel schlechter dran sind als ich und es eher "verdient" haben professionelle Unterstützung zu erhalten. Ja, das mag sein, allerdings gabs ja auch bei mir einen Leidendsdruck. Und nur, weil es anderen noch schlechter geht, heißt es ja nicht, dass ich nicht auch Unterstützung benötige um mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Das musste ich auch erst lernen, meinen Leidensdruck zu akzeptieren.

Und du schreibst, dass du nicht scharf auf nen Klinikaufenthalt bist, weil du selbst Pflegeperson bin. Ich weiß jetzt nicht genau, was du meinst, kenne das allerdings von mir aus der Sozialarbeit. Wollte mich um ambulante Sozialpsychiatrie (ASP) und Psychosoziale Kontaktstellen bemühen und hatte ständig Angst, dass ich dort Leute treffe, die ich aus dem Studium kenne bzw. weil das Orte sind, an denen ich mich potenziell auch bewerben würde. Diese Ängste haben mich daran gehindert, diese wohnortnahe Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Mittlerweile arbeite ich genau bei solch einem Träger =) Und die Klient*innen durchlaufen teilweise dieselben Tageskliniken und Skillstrainings, die ich auch besucht habe. Das ist super weird, allerdings auch eine Ressource. Also: In dem Zusammenhang kann ich Ängste und Vorbehalte nachvollziehen, allerdings hat es auch Vorteile. Was für ne gute Pflegeperson kannst du sein, wenn du auch mal die "andere Seite" erlebt hast.

Liebe Grüße
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