Aggressive Zwangsgedanken und Kontrollzwang

NiFo
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Registriert: Di 16. Jun 2020, 12:30

Re: Aggressive Zwangsgedanken und Kontrollzwang

Beitrag von NiFo »

Guten Morgen,

ich freue mich, dass ihr mir weiterhin antwortet. Das gibt Hoffnung :)

Zum Thema SSRI: Ich nehme 40 mg Fluoxetin und zum schlafen Zopiclon und Neurocil. Ich habe auch schon mal 60mg Fluoxetin ausprobiert, aber leider waren die Leberwerte da so schlecht. Vielleicht wäre das aber noch mal einen Versuch wert.
Generell habe ich schon sehr viele Antidepressiva /Neuroleptika und co durch. Ich vertrage das Meiste leider nicht und bin daher jetzt wieder auf Fluoxetin gegangen. Das Einzige SSRI was ich noch nicht ausprobiert habe, ist Flouvoxamin.
Ich hatte auch irgendwo gelesen, dass man quasi off label Anti Histaminika nehmen kann. Das soll in manchen Fällen wohl auch helfen. Werde das noch mal raussuchen und dann mal mit meinem Arzt besprechen.

Hat euch die Einsicht weitergebracht, dass Zwänge quasi "nur" eine kaputte Fehlleitung im Gehirn sind? Ich meine rein theoretisch weiss ich das auch und es beruhigt auch irgendwie aber durch die starken Schuldgefühle und Zweifel schaffe ich es nicht, es "nur" als Krankheit abzutun.




Wegen der Exposition finde ich es sehr passend, was SHG schreibt...vielleicht liegt da schon mein erster Denkfehler... Es besteht ja eben KEIN Risiko wenn ich rausgehe und nur das soll ich lernen....
Es fällt mir ja generell überhaupt sehr sehr schwer vor die Tür zu gehen weil ich das mit dem Risiko gleichsetze, doch die Kontrolle verlieren zu können und im Gefängnis zu landen. Es FÜHLT sich dann an wie ein Spiel mit dem Feuer.



Lara, wir können uns sehr gerne mal austauschen :) Mich würde vorallem interessieren, was dazu geführt hat, dass es bei dir Klick gemacht hat? Waren die Schuldgefühle und Gedanken dann auf einmal weg? Wie hast du deine "Exposition" gestaltet?
Wie bist du mit den aufkommenden ZG und Schuldgefühlen umgegangen?
Was war für dich Beweis genug, dass nichts passiert ist, so dass du wieder Vertrauen in dich selber gelernt hast?
Es ist sehr schön zu lesen, dass du es geschafft hast:) Werde nachher mal das Forum nach deinen alten Beiträgen durchkämmen.


Jetzt noch eine Frage, die ich mir schon so lange stelle: Warum werden meine Zwänge und Schuldgefühle noch aufrecht erhalten, obwohl ich kein Kind mehr bin und sich in meinem Umfeld alles zum positiven verändert hat?
Könnt ihr für euch diese Fragen beantworten? Hilft euch die Antwort weiter?



Liebe Grüße!
NiFo
Beiträge: 8
Registriert: Di 16. Jun 2020, 12:30

Re: Aggressive Zwangsgedanken und Kontrollzwang

Beitrag von NiFo »

So noch mal bezüglich meinem letzten Post. Ich hatte ja geschrieben, dass ich nicht verstehe, warum ich auch jetzt als Erwachsene und nach dem Kontaktabbruch von meinen Eltern immernoch diese massiven Schuldgefühle habe.

Der Zwängler argumentiert ja gerne emotionsbasiert "ich fühle mich schuldig und daher habe ich was schlimmes gemacht".

In einem Forum habe ich nun eine völlig andere Betrachtungsweise gelesen:
Jeder Mensch hat Gedanken und sogar auch mal Zwangsgedanken. Gesunde Menschen lassen die Gedanken einfach vorbei ziehen, während Zwängler diese Gedanken als hoch bedrohlich etc bewerten.
Durch diese Bewertung entsteht dann das schlimme Schuldgefühl. Man fühlt sich schuldig diese ZG zu haben.

Was ja wiederum heissen würde, dass dieses Schuldgefühl einfach nur ein Teil der Krankheit ist und somit auch nicht mehr.


Was haltet ihr von dieser Einstellung?
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OCD-Marie
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Re: Aggressive Zwangsgedanken und Kontrollzwang

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo
NiFo hat geschrieben: Fr 19. Jun 2020, 00:57 ...während Zwängler diese Gedanken als hoch bedrohlich etc bewerten.
Durch diese Bewertung entsteht dann das schlimme Schuldgefühl. Man fühlt sich schuldig diese ZG zu haben.
Durch eine Bewertung - ja. Jedoch wohl eher nicht durch DIESE Bewertung.
Solange da nur etwas bedrohlich ist, ist ja noch nichts passiert. Da ist man dann in Sorge, hat Angst.
Schuldgefühle beziehen sich auf eine Tat. Sei sie nun real oder auch nur eingebildet. Entscheidend ist die Überzeugung.

Wenn du also keine Angst sondern Schuldgefühle verspürst (so wie du es in deinen Beiträge beschreibst) deutet das darauf hin, dass du geradezu davon überzeugt bist, etwas getan zu haben. Auch wenn du dafür keine Belege hast.
Sonst hättest du einfach (nur) Angst, dass etwas passiert ist/sein könnte.

Das geht es nicht mehr nur um "geringes" Selbstvertrauen - das ist vielmehr das Ergebnis von völligem Misstrauen in sich selbst...

Außerdem musst du trennen zwischen den Schuldgefühlen im Rahmen deines Zwangs und den Schuldgefühlen aus deiner Kindheit. Letztere sind heute noch vorhanden, weil du in deiner Kindheit entsprechende "Botschaften" übernommen und gelernt hast, an die du heute noch glaubst. SIE sind das Problem, welches deinen Zwang weiterhin mit Energie versorgt. Da kannst du exponieren soviel du willst...

An ihnen solltest du im Rahmen deiner Therapie arbeiten. Gerade weil du mit den Expos noch so grosse Schwierigkeiten hast wäre das meiner Meinung nach ein vorrangiges Therapieziel.

Und dann wäre da noch das Misstrauen in dich selbst. Auch die Arbeit daran wäre wichtiger Therapie-Inhalt. Denn damit verschaffst du dir ja immer wieder gerade die (Schuld)Gefühle (im Rahmen des Zwangs), welche du mit Hilfe des Zwangs ja eigentlich die ganze Zeit krampfhaft versuchst zu vermeiden.

So drehst du dich sozusagen die ganze Zeit im Kreis...
NiFo
Beiträge: 8
Registriert: Di 16. Jun 2020, 12:30

Re: Aggressive Zwangsgedanken und Kontrollzwang

Beitrag von NiFo »

Hallo OCD Marie,
deine Antwort verunsichert mich ehrlicherweise etwas. Du sprichst die emotionale Beweisführung an „ich fühle mich schuldig, also muss ich was schlimmes getan haben“. Diese Fehleinschätzung bezieht sich aber auf x verschiedenen Situationen und nicht nur auf eine bestimmte und schon rein logisch werde ich nicht x verschiedene Menschen verletzt haben.
Ich glaube es ist wirklich eine Mischung aus Panik, dass etwas passiert sein könnte und irgendwie der Überzeugung weil man sich schlecht fühlt. Allerdings sagt mein Therapeut mir hier immer, dass bei Zwangs erkrankten hier die emotionale Beweisführung irreführend ist, da das Gefühl an sich gestört ist. Nur weil ich mich schuldig fühle, ist es ja kein Beweis, dass ich was schlimmes getan habe.
Ich gebe dir Recht, dass ich mir hier vollkommen misstraue aber ich bin auch nicht 100pro überzeugt, etwas schlimmes gemacht zu haben sondern eher nur unsicher.


Hast du eine Idee wie man an so einem Misstrauen arbeiten kann? Komischerweise bezieht sich das ja nicht auf meine Person als solche sondern ausschließlich nur auf Zwangssituationen. Generell vertraue ich mir schon. Daher könnte dieses Misstrauen ja auch „einfach“ nur ein Produkt des Zwangs sein. Wie baut man Selbstvertrauen auf und glaubt an sich selber und seine Taten?


Ich bin mir halt nicht sicher, ob diese Schuldgefühle wirklich noch Überbleibsel aus der Kindheit und den da übernommenen Mustern sind und jetzt noch den Zwang nähren. Aber gerne kannst du mir hier Tipps geben, wie ich der Sache auf den Grund gehen kann bzw was genau ich im Rahmen der VT machen oder besprechen kann.
Ich scheitere halt hier an dem Punkt, dass ich ja nicht weiss, warum ich HEUTE noch Zwänge und diese Schuldgefühle habe und suche hierfür Gründe. Vielleicht sind es aber auch einfach nur Überbleibsel von einem manifestierten Zwang. Ich weiss es nicht. Mein Therapeut sagt immer, da gäbe es nicht mehr so viel drum rum zu besprechen. Wie finde ich das raus?



Kannst du vielleicht von dir und deinen Zwängen berichten und was genau dir geholfen hat?
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OCD-Marie
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Re: Aggressive Zwangsgedanken und Kontrollzwang

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo NiFo

Nein, ich sprach nicht von der "emotionalen Beweisführung".
Ich sprach davon, dass jedem Gefühl ein Gedanke vorausgeht. Dass Gefühle sozusagen die Folgen von Gedanken sind. Oftmals bemerken wir diese Gedanken gar nicht. Sie bleiben unbewusst.
Wenn wir uns die Gefühle anschauen können wir jedoch gewisse Rückschlüsse auf die zu Grunde liegenden Gedanken ziehen.

Man kann jedoch nur sagen, dass (Schuld)-Gefühle die Folgen bestimmter Überzeugungen sind. In deinem Falle also, dass du irgendeine Schandtat verübt hast.

Woher die Überzeugung kommt, kann man so ohne weiteres nicht sagen. Ich wollte gerade schreiben, dass daher auch die "emotionale Beweisführung" Grundlage deiner Überzeugung sein kann.

Aber das wäre grundlegend verkehrt. Sie kann allenfalls deine Schuldgefühle noch weiter verstärken. Du kannst dich noch mehr schuldig fühlen dadurch. Aber bereits vorher muss das Schuldgefühl erst einmal da sein.

Natürlich musst du nicht x verschieden Menschen verletzt haben. Es genügt ja ein Gedanke wie dieser:
"Jetzt bin ich heute wieder an sooooo vielen Menschen vorbeigekommen. Irgendeinen werde ich bestimmt erwischt haben !"
Einer würde ja völlig ausreichen für deinen "Zweck"... :-)

Wie man am Misstrauen arbeiten kann ?
Indem du dir des Problems bewusst bist und dir die Chance gibst, gegenteilige Erfahrungen zu machen. Was freilich etwas schwierig ist, wenn man das Haus kaum noch verlässt...
Der Zwang will 100%ige Sicherheit. Von daher kann das Misstrauen schon auch ein Produkt des Zwangs sein.
Dann konzentriere dich mehr auf die Schuldgefühle. Ja, sie sind Überbleibsel aus der Kindheit.
Nun, was du genau machen kannst - hier wäre eigentlich dein Therapeut gefragt. Soviel kann man sagen: Nur "mal" drüber reden bringt nicht viel. Der Weg über das Erleben bringt oft mehr. Z.B. durch Rollenspiele oder andere Übungen, im Rahmen derer du deiner Mutter die Verantwortung, welche sie dir zugeschoben hat, wieder zurückgibst. Dazu muss deiner Mutter nicht anwesend sein. Aber auch hier kennt dich dein Therapeut am besten und wäre eigentlich gefordert. Bitte ihn darum. Du wirst dann schon herausfinden, was dir gut tut und dich weiter bringt.
Was ich auch empfehlen kann sind Ansätze nach der sog. Schema-Therapie. Gerade für Zwängler kann das ein harter aber hilfreicher Ansatz sein.
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