Aggressive Zwangsgedanken gegen Mitmenschen

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Monimoni
Beiträge: 2
Registriert: Do 2. Jul 2020, 16:16

Aggressive Zwangsgedanken gegen Mitmenschen

Beitrag von Monimoni »

Guten Tag alle zusammen,

ich nehme jetzt mal meinen ganzen Mut zusammen und schreibe hier, was mich fast verrückt macht (vielleicht bin ich es auch schon).

Ich bin jetzt Mitte fünfzig und hatte mit 18 die ersten Zwangsgedanken. Damals hatte ich gerade den Führerschein gemacht und musste ständig daran denken, dass ich auf der Autobahn bei hoher Geschwindigkeit das Lenkrad komplett verreisse. Also um es zu verdeutlichen; ich wollte das Lenkrad verreissen, irgendwie nur um mal zu erleben, was dann wohl passiert. Ich musste schwer an mich halten und mich irgendwie ablenken, sonst hätte ich es getan. Dieser Gedanke kam in den letzten Jahrzehnten immer mal wieder, meist auf unseren längeren Urlaubsfahrten. Es ist wirklich selten, manchmal jahrelang nicht.

Als ich junge Mutter war, kam ebenfalls ein schrecklicher Zwangsgedanke: Mein Mann wickelte unser Baby auf einem Fußboden, weil es keinen Tisch, keine Ablage etc. gab und ich stand dabei und hatte plötzlich den Gedanken, meinem Kind auf den Kopf zu treten. Wie kann so etwas sein? Wie kann man solche schrecklichen Gedanken überhaupt haben? Wo kommen die her? Ich liebe mein Kind über alles und könnte ihm nie wehtun. Wenn es sich selbst mal wehgetan hat, habe ich immer mitgelitten. Das bin doch nicht ich, die so etwas denkt? Bin ich ein Monstrum? Ich musste jedenfalls in diesem Moment vom Ort des Geschehens weggehen, weil ich wirklich Angst hatte, es tatsächlich zu tun. Dieser Gedanke kam nie wieder, wohl auch weil es nie wieder eine solche Situation gab (wickeln auf dem Boden).

In den letzten 20 Jahren richten sich die Zwangsgedanken gegen mich selbst und meinen Mann. Wann immer ich Kartoffeln oder Eier koche, habe ich das Bedürnis, mir den Topf mit dem kochendheißen Wasser über den Kopf zu gießen. Alternativ denke ich darüber nach, kochendes Wasser oder siedendes Öl nachts über meinen schlafenden Mann zu gießen. Diese Gedanken machen mich manchmal wahnsinnig, sind aber auch selten.

Weshalb ich mich jetzt hier an die Gruppe wende: Ich bin seit Kurzem Großmutter und liebe meinen Enkel abgöttisch. Trotzdem habe ich ihm in Gedanken schon mehrfach Schlimmes angetan, wobei wieder kochendes Wasser im Spiel ist. Alternativ habe ich ihn vom vierten Stock im Treppenhaus hinuntergeworfen. Seit einigen Tagen besteht der Zwangsgedanke nur noch aus einem einzigen Satz: "Ich werde dieses Kind töten".

Ich drehe langsam durch. Ich traue mich nicht, das Baby auf den Arm zu nehmen, habe Angst, ich werfe es irgendwo hinunter oder stelle wer weiß was mit ihm an. Vielleicht sollte ich vorsorglich selbst von einer Brücke springen...

Ich habe Einiges zu Zwangsgedanken gelesen, u.a. das Buch "Freiwerden von Zwangsgedanken" an Armbühl. Geholfen hat es nicht wirklich. Zwar hilft das Bild, die Gedanken wie LKWs auf einer Autobahn an sich vorbeiziehen zu lassen, leider kommen sie immer und immer wieder und dann hilft es nicht mehr.

Ich weiß nicht mehr weiter. Vielleicht hat hier jemand einen Tipp für mich?

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit bis hierher.

Liebe Grüße, Moni (die ziemlich verzweifelt ist).
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michael_m
Beiträge: 635
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Aggressive Zwangsgedanken gegen Mitmenschen

Beitrag von michael_m »

Ich hoffe, das mit dem von der Brücke springen war "nur" als Scherz gedacht. Falls nicht, solltest du dir unbedingt Unterstützung bei einer Person deines Vertrauens suchen. Alternativ Telefonseelsorge, Ambulanz oder ähnliches. Das Forum kommt bei solchen Themen leider an seine Grenzen ...
Ich selbst habe solche Gedanken in der Vergangenheit schon beim Therapeuten und Psychiater angesprochen, die konnten mir da auch gut helfen.

Ansonsten kann ich deine Verzweiflung gut verstehen. Ich bin zwar mehr mit Kontrollzwängen, als mit Zwangsgedanken geplagt, aber habe in der SHG, hier im Forum und in der Literatur schon von anderen mit aggressiven Zwangsgedanken gehört/gelesen.
Letztendlich besteht bei Zwangsgedanken keine Gefahr, dass diese in der Realität umgesetzt werden. Diese plagen ja dich mit Themen, die gegen deine Wertvorstellungen gehen! In der Literatur ist man sich da einig, dass solche Gedanken daher keine reale Gefahr darstellen.

Ich finde es mutig und schön, dass sich inzwischen auch einige trauen über ihre aggressiven Zwangsgedanken zu schreiben. Von der SHG weiß ich, dass die Betroffenen da noch mal eine größere Hemmschwelle haben, als bei anderen Zwangsthemen. Vielleicht können dir hier noch andere Betroffene ein paar konkrete Tipps/Ratschläge geben.
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BlackIce
Beiträge: 2
Registriert: So 5. Jul 2020, 08:26
Wohnort: Süddeutschland

Re: Aggressive Zwangsgedanken gegen Mitmenschen

Beitrag von BlackIce »

Ich kenne diese aggressiven Zwangsgedanken nur zu gut. Bei mir fingen sie vor ca. 25 Jahren an aufzukeimen, als meine Tochter zur Welt kam. Ich befürchtete damals, das ich sie töten könnte. Jedenfalls eskalierte das dann komplett und die Gedanken richteten sich gegen beliebige Personen und auch mich selbst. Das war so unheimlich anstrengend und ich war an der Grenze des ertragbaren angelangt, deswegen unterzog ich mich damals freiwillig einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Klinik. Nach 4 Monaten Therapie und dem Medikament Anafranil ging es mir wesentlich besser, ich erlernte den Umgang mit den negativen Gedanken und mit der Zeit wurden diese weniger bzw. verschwanden zeitweise sogar ganz. Erst nach weiteren 20 Jahren bekam ich wieder Probleme, die Zwangsgedanken wechselten bei mir von aggressiv in Richtung magisches Denken bzw. religiöse Zwänge, aber auch die bekam ich nach einer erneuten Therapie und Entschlossenheit in den Griff.
Vielleicht macht dir das ein bisschen Mut, denn man kann dagegen wirklich einiges tun. Ich fände es gut, wenn du dir ärztliche Hilfe suchst, falls du dies nicht ohnehin schon getan hast, denn es ist sehr schwer diesen Weg alleine zu gehen. Abschliessend wollte ich noch erwähnen, das durch mich bis heute trotz zeitweiser massiver aggressiven Gedanken niemand zu Schaden gekommen ist, es sind nur Gedanken und haben mit realen Handlungen überhaupt nichts zu tun. Ich bin eigentlich ein eher fürsorglicher, besorgter Mensch. Ich drücke dir die Daumen!
Monimoni
Beiträge: 2
Registriert: Do 2. Jul 2020, 16:16

Re: Aggressive Zwangsgedanken gegen Mitmenschen

Beitrag von Monimoni »

Ich danke Euch @BlackIce und @michael_m für Eure Worte.

Tatsächlich hatte ich schon überlegt, mir ärztliche Hilfe zu suchen, allerdings habe ich keine Ahnung, wie ich das meinem Mann erklären soll. Wir leben und arbeiten zusammen und er bekäme mit, wenn ich zur Therapie gehe. Ich will ihn nicht belügen. Ich kann ihm aber auch nicht davon erzählen, das ist mir viel zu peinlich, er würde es sicher nicht verstehen.

Eure Aussagen, dass keine reale Gefahr besteht, die Gedanken in die Tat umzusetzen, tröstet und hilft mir schon sehr. Ich danke Euch! Ich werde in jedem Fall weiterhin über diese Problematik lesen, natürlich auch in diesem Forum, und bin schon einmal froh, nicht alleine zu sein. Auch dieses Wisses erleichtert.
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