Alternative zur Verhaltenstherapie?

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Lina
Beiträge: 11
Registriert: Mo 3. Aug 2020, 23:00

Alternative zur Verhaltenstherapie?

Beitrag von Lina »

Hallo ihr Lieben,

ich mache seit einem Jahre eine Verhaltenstherapie wegen meiner Zwangsstörung (Kontroll-, Ordnungs-, Waschzwänge).
Seitdem ich die Therapie angefangen habe gab es Abs und Downs, aber insgesamt muss ich zu diesem Zeitpunkt sagen, dass es mir sehr viel schlechter geht als bevor ich die Therapie angefangen habe.
Ich habe unter anderem das Gefühl, dass die Therapieform nicht das richtige für mich sein könnte. Jedes Problem, das ich mit meinem Therapeuten bespreche, beantwortet er mit der dem gleichen standardisierten Lösungsansatz. Er scheint nicht zu verstehen, wie tief meine Nervösität, Angst und Verunsicherung sitzt.

Ich habe das Gefühl, dass ich an den Wurzeln meiner starken Verunsicherung und Nervösität, die zu meiner Zwangsstötung geführt haben, arbeiten muss. Und nicht nur an der Oberfläche herumkratzen und nur versuchen, mein Verhalten zu ändern.

Als Jugendliche war ich schon einmal 6 Jahre bei einem Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeuten in ambulanter Behandlung, weil in meiner Familie viele Dinge vorgefallen sind, die ich damals nicht allein händeln konnte.
In dieser Zeit hat auch meine Zwangsstörung angefangen. Die Symtome waren aber noch nicht so stark, sodass die Therapie mit meinem 18. Lebensjahr abgeschlossen wurde. Erst letztes Jahr, 4 Jahre später, habe ich wegen der Zwangsstörung eine neue Therapie (diesmal Verhaltenstherapie) angefangen.
Mein derzeitiger Therapeut weiß über meine Geschichte Bescheid, sie findet aber keinen Eingang in unsere Gespräche.
Mein Therapeut sagt, dass Verhaltenstherapie davon ausgeht, dass man nur sein angelerntes Verhalten (die Zwänge) wieder verlernen muss, und dann würde sich auch automatisch die Anspannung und Angst, die zur Zwangsstörung geführt haben, lösen. Er meint, dieser Ansatz sei durch viele wissenschaftliche Studien belegt.

All das kann sein.
Ich habe jedoch das Gefühl, dass ich vll eine Ausnahme bin und Verhaltenstherapie bei mir einfach nicht hilft.

Meint ihr, dass eine andere Therapieform auch helfen könnte? Verhaltenstherapie wird ja immer als die Königsdisziplin für Zwangsstörungen angepriesen...

Ich freue mich über Eure Kommentare!
Orchidee
Beiträge: 36
Registriert: Mo 15. Jun 2020, 17:10

Re: Alternative zur Verhaltenstherapie?

Beitrag von Orchidee »

Liebe Lina

Kann gut verstehen, was du schreibst. Mein Therapeut macht auch Verhaltenstherapie, sagt aber, dass die Zwänge ablenkende Handlungen sind und dahinter tiefere Ängste stehen. Ich kann bei mir selbst auch beobachten, wie der Zwang ganz neue Themen anspringen kann, vor denen ich vorher 0 Angst hatte - dem Zwang oder eigentlich der Angst dahinter ist jedes Mittel recht. Daher arbeiten wir zwar an den Verhaltensweisen, beleuchten aber auch die persönliche Geschichte und betreiben Ursprungsforschung meiner Ängste. Spontan würde ich sagen, dein Gefühl deutet sicher in die richtige Richtung, und ein anderer Verhaltenstherapeut würde allenfalls ganz anders arbeiten?

LG
Orchidee
fabian123
Beiträge: 137
Registriert: So 20. Okt 2019, 14:06

Re: Alternative zur Verhaltenstherapie?

Beitrag von fabian123 »

Hallo Lina,
ich hatte vor einiger Zeit auch eine Verhaltenstherapie gemacht. Sie hat mir stellenweise auch sehr geholfen, und mich eine lange Zeit dabei unterstütz das es mir besser ging. Nur passte sich in meiner persönlichen Situation, mein Leiden bzw. mein Zwang wie ein Chamäleon immer wieder aufs neue meiner Lebenssituation an. Starke Depressionen und Angststörungen haben das ganze bei mir dann komplettiert.

Ich hatte immer das Gefühl das meine Zwänge, Ängste etc. sehr tief in mir sind, und ich nicht so wirklich an sie heran komme. Daher hatte ich mich an verschiedenen Stellen informiert, und hatte mich dann dazu entschlossen eine Tiefenpsychologische Therapie zu machen. Ich mach das jetzt seit Herbst letzten Jahres. Wichtig für mich ist zu sagen, dass ich keine Therapieformen miteinander vergleichen bzw. bewerten möchte. Ich denke sehr viele Faktoren spielen bei einer Therapie eine wichtige Rolle, so das man Pauschal nicht bewerten kann was möglicherweise besser ist. Ich bemerkte z.B. bei mir, dass es sehr von Vorteil war eine Verhaltenstherapie bereits gemacht zu haben, weil ich so ganz anders an die Tiefenpsychologische Therapie heran getreten bin. Auch rede ich nun über Themen, welche ich in der Therapie zuvor komplett ausgeklammert bzw. ignoriert hatte. Das lag auch eher an mir und nicht an der Therapieform, ein echt kompliziertes Thema =)

Auf jeden Fall kam mein Zwang (Kontrollzwang), immer und immer wieder zurück. Es wurde stellenweise so schlimm, dass ich kaum noch die Wohnung verlassen konnte, geschweige den einfachsten Tätigkeiten nachgehen konnte (Auto fahren, Einkaufen gehen oder ohne Angst zu haben eine Straße zu Fuß zu überqueren … !).
Innerhalb der aktuellen Therapie, habe ich für mich bisher erfahren das der Grund meines Leidens bzw. die Zwänge, möglicherweise sehr stark mit meiner persönlichen Geschichte (Kindheit) verknüpft sind. Bei mir war die Kindheit zum Beispiel von vielen negativen und schlimmen Erlebnisse geprägt, welche eher das Gegenteil von Struktur, Ordnung, Vertrauen und dem Gefühl etwas unter „Kontrolle“ zu haben bedeuten. Das sind erst mal für mich nur Vermutungen, aber mir persönlich hilft es, mich und den Zwang eventuell erst mal besser zu verstehen. Ich weiß das es bei mir noch ein langer und sehr anstrengender Weg ist, aber ich bin mittlerweile wenigstens ein wenig optimistisch was die Zukunft angeht geworden.

Aber ich denke genauso Individuell wir alle sind, muss man bei der Frage nach der passenden Therapie auch sehr individuell schauen was für einen das passende ist.

Ich wünsche euch alles Gute.
Fabian
Lina
Beiträge: 11
Registriert: Mo 3. Aug 2020, 23:00

Re: Alternative zur Verhaltenstherapie?

Beitrag von Lina »

Hallo,

vielen Dank für Eure Beiträge, sie helfen mir wirklich.

Ich glaube, dass mein Verhaltenstherapeut sich zu wenig mit den Ängsten, die hinter den Zwängen liegen beschäftigt und ich werde mir deshalb schnellstmöglichst einen neuen Therapeuten suchen. Wobei dieses Anliegen auch nicht das einzig Negative in der Beziehung mit meinem Therapeuten ist leider...

Ich finde es sehr erleichernd zu hören, dass auch andere Menschen eine tiefenpsychologische Therapaieform gewählt haben, um eine Zwangsstörung zu behandeln. Denn ich habe mich bisher da eher wie eine Außenseiterin gefühlt, denn überall steht ja auch geschrieben, dass es bisher keine wissenschaftlichen Belege über eine Effektivität einer anderen Therapieform als der Verhaltenstherapie gibt.

Ich wünsche Euch allen alles Gute!
Orchidee
Beiträge: 36
Registriert: Mo 15. Jun 2020, 17:10

Re: Alternative zur Verhaltenstherapie?

Beitrag von Orchidee »

Liebe Lina

Klingt gut, vor allem, wenn du noch weitere Gründe für den Wechsel hast.

Lass doch hören, wie es lief. Vielleicht kannst du ja auch rausfinden, wer bei dir in der Nähe auf Zwänge spezialisiert ist und mit welcher Methode, und da mal unverbindlich anfragen?

Was macht denn die Tiefenpsychologie aus? Ich denke, jeder Therapeut ist sehr individuell, wie erwähnt, forsche ich mit meinem Therapeuten weiter in die Vergangenheit, auch über meine persönliche Vergangenheit hinaus, denn er kann sich derzeit auch noch nicht erklären, warum ich teilweise so starke Angstreaktionen habe. Mal sehen, was das ergeben wird.

LG Orchidee
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