Sexuelle Zwangsgedanken

Daywalker
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Re: Sexuelle Zwangsgedanken

Beitrag von Daywalker »

Hallo Leute,

nachdem ich dieses Forum entdeckt und eure Geschichten gelesen habe, geht es mir gleich viel besser. Ich bin für mich froh, dass es noch andere Leidensgenossen und -genossinnen gibt. Bisher dachte ich, ich wäre mit meinem Problem ganz allein. Bisher habe ich mich niemandem darüber geredet, abgesehen von meiner Therapeutin. Das es HOCD gibt, wusste ich durch eigene Recherche oder durch die üblichen Selbsthilfebücher wie „Kobold im Kopf“, die ihr hier ja schon erwähnt habt.
Jetzt möchte ich euch auch mal meine Geschichte erzählen – zum einen, um mir das auch von der Seele zu schreiben und zum anderen, um euch Mut zu machen.
Ich bin männlich, Mitte 30, glücklich verheiratet mit einer Frau und ebenso glücklicher Familienvater. Bei mir fing alles vor zwei Jahren an. Ich durfte mich in der glücklichen Lage schätzen, bereits wegen einer anderen Geschichte bei einer Psychotherapeutin in Behandlung zu sein. Mit Mitte 20 fingen bei mir Panikattacken plötzlich aus heiterem Himmel an, ständige Angst war mein Begleiter, ich hatte Angst vor dem Tod, etc. (nichts, was ich mit den heutigen Zwangsgedanken in Verbindung bringen würde). Einmal nahm ich allen Mut zusammen und ging in eine psychiatrische Ambulanz. Die Ärztin dort empfahl mir eine ambulante Psychotherapie – jedoch konnte ich mich aus Angst/Scham nicht dazu überwinden. Ich schaffte es mehr oder weniger selbst aus diesem Problem, ehe es Ende 20 wieder anfing. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch ein Studium begonnen, wurde Papa, hatte geheiratet. Obwohl ich den Eindruck hatte, alles im Griff zu haben, schien mir diese Belastung doch über den Kopf zu wachsen – die Ängste fingen wieder an. Ich hatte z.B. ständig Angst, vor den Kommilitonen umzukippen.
Da der Leidensdruck groß war und die Vernunft Gott sei Dank gesiegt hatte, suchte ich mir Anfang 30 einen ambulanten Psychotherapieplatz und hatte Glück, recht schnell einen zu bekommen.
Zu dem Zeitpunkt fühlte ich mich in einem ziemlichen Tief und war – wie schon öfter – in einem depressiven Gemüt (liegt bei uns in der Familie). Beispielsweise hatte ich – mal wieder – Angst, ich könnte beispielsweise HIV oder Krebs haben. Im TV sah ich einen Typen, offensichtlich schwul, und ich dachte auf einmal „vielleicht könnte ich auch schwul sein“. Und da war es passiert. Eine Panikattacke tat sich in mir auf, die gefühlt Tage anhielt. Mittlerweile konnte ich sowas gut verbergen, sodass meine Frau davon nichts mitbekam. Ich sah mein Leben an mir vorbei rauschen, vor meinem inneren Auge verlor ich meine Familie und alles was mir heilig war. Ich dachte, ich müsste meiner Frau sagen, dass ich nun schwul bin und sie verlassen muss.
Nach zwei Tagen hielt ich es nicht mehr aus und sagte meiner Therapeutin Bescheid, dass ich dringend kommen müsse. Bei einer Autofahrt brach ich in Tränen aus. Meine Frau fragte mich, was los sei. Ich sagte ihr nur, dass ich unendliche Angst habe…vor was, konnte/wollte ich ihr nicht sagen.
Bei meiner Therapeutin brach ich auch in Tränen aus – ich weiß nicht, wann ich zuvor das letzte mal so geheult habe…außer als meine erste Freundin, meine erste große Liebe(!) mit mir Schluss gemacht hat. Da ich total aufgelöst und fertig war, empfahl sie mir als Krücke zusätzlich medikamentöse Therapie. Mein Hausarzt verschrieb mir Venlafaxin, was ich aber nicht vertragen habe und dann auf Escitalopram 10mg umgestiegen bin.
Begleitend zur Therapie nahm ich Escitalopram nun bis Herbst letztens Jahres. Das Einschleichen war unschön, aber gut zu meistern. Während der Verhaltenstherapie haben wir zum einen an den Zwangsgedanken, zum anderen aber v.a. an meiner depressiven Stimmungslage gearbeitet. Die Depression ging quasi Hand in Hand mit den Zwangsgedanken.
Parallel las ich heimlich die Bücher „Kobold im Kopf“, „Wenn Zwänge das Leben einengen“ und „Tyrannen in meinem Kopf“. An dieser Art von Zwangsgedanken zu leiden war und ist mir sowas von peinlich, sodass ich bisher mit niemandem darüber geredet habe. Auch nicht mit meiner Frau, da ich Angst habe, sie würde es nicht verstehen.
Für mich war und ist es schon immer undenkbar, homosexuell zu sein. Ich hatte bisher auch nie homosexuelle Wünsche, Beziehungen oder Affären. Ich war bisher immer in Frauen verliebt, teilweise auch so schwer, dass ich garnicht weiß, woher solche Zweifel an meiner Orientierung überhaupt herkommen können. Frauen sind für mich was schönes und erotisches und der Sex mit ihnen und natürlich auch mit meiner Frau erfüllt mich sehr und finde ich wunderschön.
Seit Beginn der Zwangserkrankung habe ich permanent versucht, mich auf irgendeine Weise zu versichern, dass ich nicht schwul bin, z.B. durch Pornos schauen oder mich immer wieder damit zu erden, dass ich bisher nur was mit Frauen hatte und auch sehr in ein paar Frauen verliebt war.
Wie in einem der Bücher zu lesen war, helfen diese „Rückversicherungsmethoden“ immer schlechter, je öfter man sie anwendet, was letztlich aus lauter Verzweiflung zur Sucht wird. Aber unter Zwangsgedanken zu leiden ist das schlimmste, was ich mir jemals vorstellen konnte. Zu meiner Therapeutin sagte ich mal, dass ich lieber 2 Wochen Brechdurchfall oder ähnliches hätte, als so etwas durchzumachen. Es kostet so viel Energie. Zu den schlimmsten Zeiten hielten die Gedanken den ganzen Tag an…sobald ich die Augen morgens öffnete, ging es los – purer Horror. Sobald ich junge Männer sah/sehe, kommen diese hoch. Ich konnte kaum noch Musik von Sängern im Radio hören, von denen ich wusste, dass sie schwul sind (Sam Smith bspw.) – sobald sowas im Radio lief, hab ich umgeschaltet. Wenn Homosexualität im TV oder irgendwo sonst im Alltag ein Thema war, kochte in mir die Panik hoch. Doch ich zwang mich, vor dem Hintergrund der Exposition, mir das „reinzuziehen“ und nicht zu flüchten, was mir mal mehr, mal weniger half. Ich sprach meine schlimmsten Befürchtungen und Inhalte meiner Zwangsgedanken auf ein Diktiergerät und hörte mir das im Auto auf dem Weg zur Arbeit an (wie im Buch „Kobold im Kopf“ beschrieben). Und es half tatsächlich ein wenig.
Gegen Herbst letzten Jahres war es so gut und so still in meinem Kopf, dass ich die Escitalopram ausgeschlichen habe – im Nachhinein zu schnell, sodass der Ausschleichprozess ziemlich schlimm war. Ich fiel in ein depressives Loch, die Angst und die Gedanken kamen wieder hoch. Fast hätte ich die Tbl. wieder genommen, doch ich habe Gott sei Dank durchgehalten.
Mittlerweile habe ich die Ängste/Panik, die mit den Gedanken einhergehen gut im Griff – ich möchte es ohne Tbl schaffen. Es gibt super gute Tage, wie jetzt, an denen es mir so gut geht, sodass ich denke „wow, ich bin geheilt“ und dann gibt es wieder Tage wie vor einer Woche, an denen es mir dreckig geht und die Gedanken wieder kommen. Da hatte ich z.B. einen Traum, in dem ich mit einem Mann rumgemacht habe und es mir gefallen hat. Ich bin schweißgebadet wach geworden. Die Gedanken kommen bei mir v.a. dann, wenn ich in depressiver Stimmung bin.
Nichtsdestotrotz war und ist es mir ein persönliches Ziel, unabhängig von Psychopharmaka zu sein. Ich habe den Absprung von den SSRI geschafft und möchte auch dabei bleiben. Mir tut Sport sehr gut. Und wie man weiß, ist Sport eines der besten nichtmedikamentösen Antidepressiva. Allerdings ist es oft schwer, Sport in seinen stressigen beruflichen wie privaten Alltag zu integrieren.
Alles in allem will ich euch mitgeben: Ihr seid nicht allein!!! Sucht euch einen Therapeuten/-in, wobei ihr ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis haben solltet, da das Thema schon sehr schambehaftet ist!!! Lest die Bücher und übt es, diese Gedanken auszuhalten und nicht dagegen anzukämpfen – ich weiß, wie schwer das ist!!! Habt keine Angst vor Antidepressiva – sie können euch in den schwärzesten Stunden das Leben erleichtern, auch wenn es natürlich ohne allemal besser ist.

Viele Grüße!!!
Georg
Beiträge: 1
Registriert: So 7. Feb 2021, 18:28

Re: Sexuelle Zwangsgedanken

Beitrag von Georg »

Hallo Dackelita,
ich habe Anfang 2020 Ihre Meldungen hier bezüglich IBA ( Inferenzbasierter Ansatz und Ihre Meinung zu Gehirnfuntkionen mit der Amygdala gelesen und glaube ,das der IBA nur sehr bedingt, vielleicht bei schweren Zwängen fast überhaupt nicht helfen kann. Ich habe seit 35 Jahren eine Zwangserkrankung und fast alle Medikamente die die S 3 Richtlinien vorgeben selber genommen und vertrage sie nicht mehr, muss also ohne Medikamente auskommen. Der entscheidende Fehler der IBA ist, das man diese Zwangsgedanken eben nicht abstellen kann, wenn man in die schlimmen Situationen rein kommt. Ich kenne das weil ich keine Medis mehr nehmen kann und bin selbst erfahrener Zwängler. (habe einen Therapeut der die DGZ mitbegründet hat, Besuch der Jahrestagung der DGZ und Gruppenleiter einer Selbsthilfegruppe für Zwänge) Ich kenne Psychotherapie nach Freud ( 1. Wiener Schule), nach Viktor Frankl (3.Wiener Schule ,er entwickelte die Paradoxe Intention, die auch bei Zwängen helfen soll.)( Alfred Adler ist die 2. Wiener Schule.) Ich war in vielen Reha und Kurkliniken und in der akuten Psychiatrie, auch in der Geschlossenen Abteilung. Wenn der Zwang zuschlägt und das macht er, wenn wir schwach und empfindlich sind( Vulnerabilitätsgrenze wird überschritten) dann geraten wir in den Teufelskreis und kommen ohne Hilfe nicht mehr raus, selbst wenn man jahrelang Therapie gemacht hat. Man ist auf Unterstützung von außen angewiesen. Es gibt drei Säulen bei der Zwangstherapie die sind Achtsamkeit, Medikamente, wenn sie noch funktionieren(und die DGZ geht immer mehr weg von ihnen) und CBT also Konfrontation mit der Angst bei den Zwängen. Dasß heißt Expositionen machen von Stufe 1 -10 (Salamitaktik) oder direkt Stufe 9 oder 10 ( Flooding Taktik). So geht man auch bei Phobien vor(Desensibilisierung) Ich habe viele Angstgruppen und Depressiongruppen mitgemacht, die konnten mir nicht helfen. Auch viele Ärzte und Therapeuten kennen sich nicht genug mit Zwangserkrankungen aus. Gute Kliniken sind in der Mitte Deutschlands noch rar. Corona macht es uns Zwänglern natürlich noch schwerer. Ich würde ihnen das Buch " Zwänge bewältigen" empfehlen (Burkhard Ciupka-Schön) und bei religiösen Zwängen das Buch "Himmmel und Hölle" (Burkhard Ciupka-Schön, Hartmut Becks). Diese Bücher sind im Patmos Verlag erschienen und gibt es beiz. B. bei Amazon Inzwischen versuche ich auch Baldrian und z. B. Melatonin und bin auch der Homöopathie nicht mehr abgewandt. Das kann auch helfen. Ich meine "Wer heilt hat Recht" und mein Therapeut auch , er sieht mich nicht als einen Patienten, sondern einen Klienten und sagt : Die Gesundheit ist viel zu kostbar um sie alleine den Therapeuten :) und Ärzten zu überlassen und wir sehen jetzt bei Corona dieses um so mehr. Ich hoffe daß Sie dieser Brief inspiriert und Sie können ihn auch gerne mit anderen Betroffenen teilen. Grüße sendet Ihnen Georg
Speedygonzales
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Registriert: Do 22. Jul 2021, 12:14

Re: Sexuelle Zwangsgedanken

Beitrag von Speedygonzales »

Hallo zusammen!
Mir ergeht es ähnlich wie Daywalker und mich würde es freuen, wenn weitere Erfahrungen bzw. Hilfestellungen mitteilen würden.
Bei mir gibt es Tage an denen ich die belastenden Gedanken homosexuell sein zu können "relativ" gut mit HOCD differenzieren kann und Tage an denen ich glaube, ich unterdrücke meine tatsächlichen Gefühle.
Aber auch an "guten" Tagen sind die Gedanken immer im Hinterkopf und ich habe Angst, sie nie wieder los werden zu können.
Mein Therapeut hat mir empfohlen, einen SSRI wie Sertralin oder Escitalopram vom Arzt verschreiben zu lassen, da die "Zwangsgedanken" mit einer Depression verbunden sind bzw. dadurch entstehen.
Meiner Meinung nach geht es mir aber aufgrund der Gedanken so mies und eine Depression ist eine Begleiterscheinung dessen.
Ich nehme derzeit Laif 900 was jedoch laut meinem Therapeuten vermutlich zu schwach ist, um die "Zwangsgedanken" in den Griff zu bekommen.
Kann jemand Erfahrungen mitteilen oder sonstige Tipps geben?
Wäre für jeden noch so kleinen Anreiz sehr dankbar.
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Yoli
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Registriert: Mi 22. Sep 2021, 12:07

Re: Sexuelle Zwangsgedanken

Beitrag von Yoli »

Hallo zusammen,

mir ist das gleiche passiert wie euch allen. Eines Abends Ende April lag ich neben meinem Freund im Bett und ich dachte darüber nach, wie schön mein Leben ist und wie glücklich ich bin hier (Beziehung/Job/Leben im allgemeinen) zu sein. Da schoss mir auf einmal der Gedanke durch den Kopf: „Und was ist, wenn du doch auf Frauen stehst oder dich mal in eine verliebst?“
In dem Moment dachte ich noch, dass das nun ein komischer Gedanke sei, kuschelte mich an meinen Freund und schlief ein.

Am nächsten Morgen wachte ich in meiner persönlichen Hölle auf. Ich bin von dem Gedanken, dem ich am Abend vorher so wenig Bedeutung zugemessen hatte, gar nicht mehr runter gekommen. Mir standen dauernd Tränen in den Augen, ich war verzweifelt, konnte nichts mehr essen und alles war mir zu viel - aufstehen, reden, gehen, lachen. Ständig habe ich mich gefragt, warum ich das gedacht habe, ob ich in Wirklichkeit lesbisch bin, ob ich mein ganzes Leben mir bisher nur eingebildet hätte auf Männer zu stehen, ob ich jetzt meinen Freund verlassen müsste (obwohl ich das gar nicht will/wollte) und und und. Schrecklich.

Ich habe mich direkt einen Tag später bei der psychologischen Beratung meiner Arbeitgeberin gemeldet, denn neben den Gedanken, war ich auch so leer, dass mir diese Situation wahnsinnig Angst gemacht hat. Ich bin eigentlich ein Mensch, der das Leben liebt, ich habe ein gutes Netzwerk, freundschaftlich, familiär und eine langjährige Beziehung (5,5 Jahre), mache Sport, habe gern Sex, lache gern und so weiter.
(Ich hatte eine sehr anstrengende Zeit vor Beginn meiner Krise, da ich ein wichtiges Examen im letzten Versuch geschrieben habe und neben der Vorbereitung darauf gearbeitet und an meiner Doktorarbeit geschrieben habe.

Mit dem Psychologen meiner Arbeitgeberin habe ich dann recht schnell einen Termin vereinbaren können. Der ist wohl eigentlich VT, kannte aber nicht das System 1 und 2 von Kahnemann und hat er, obwohl er recht schnell sagte, ich müsste aufpassen, dass die Gedanken keine Obsessionen (also Zwangsgedanken) werden würden, dann mich auch direkt gefragt, ob ich vielleicht eine Bisexualität unterdrückt hätte (Antwort: Den Eindruck hatte ich bisher eigentlich nicht), was für den Gedanken natürlich ein gefundenes Fressen war.
Über diesen Psychologen bin ich dann aber auf Zwangsgedanken gekommen und als ich das erste Mal etwas darüber las, kamen mir direkt die Tränen, weil ich den Eindruck hatte, das direkt über mich geschrieben worden wäre. Ich saß teilweise stundenlang an meinem Schreibtisch und habe mit mir selbst diskutiert, rational hergeleitet, warum ich nicht mein ganzes Leben eine Homosexualität unterdrückt habe (ich habe mich ja nur in Männer verliebt, fühle mich zu ihnen hingezogen, habe gerne Sex mit einem Mann, ich habe alte Tagebucheinträge gelesen, wenn ich verliebt war, und und und) und dieser Gedanke absurd ist. Ich habe dann auch vermieden mich mit Freundinnen zu treffen, bin nicht mehr zum Chor gegangen und habe generell versucht mich tot zu stellen. Die Gedanken sind leider geblieben und nur schlimmer geworden. Wenn ich mich mit einer Frau unterhalten habe, weil ich musste und alles andere gesellschaftlich mehr als komisch gewesen wäre, und dachte, ach, das ging doch besser als gedacht, kam direkt der Gedanke: „Vielleicht hast du dich jetzt verliebt ohne es zu merken/Vielleicht stellst du jetz fest, dass du in diese Frau verliebt bist?!“ Das Ganze ging immer mit dem schrecklichen Gefühl einher, dass ich meinen Freund gegen meinen Willen verlassen muss.

Nachdem ich dann in Selbstregie mir einiges über Zwänge angelesen habe, uA Kobold im Kopf, bin ich auf „Tyrannen in meinem Kopf“ gestoßen, was mich wieder Tränen der Erleichterung und des Verstandenseins hat weinen lassen. Ich habe das Buch als Hörbuch gehört und ab dann mit den sechs Schritten gearbeitet usw.
Inzwischen habe ich mir auch einen Therapeuten gesucht, weil ich den Eindruck hatte, ich bräuchte noch weitere Unterstützung, weil ich nach ein, zwei guten Wochen immer wieder Einbrüche hatte. Immer wenn der Zwang zu Grübeln weniger wird oder ich mich über einen Gedanken nicht mehr so erschrecke, kommt zu irgendeinem Zeitpunkt mein innerer Bangemacher und fragt, warum ich auf den Gedanken weniger heftig reagiere, ob ich ihn nicht mehr schlimm finde usw. Daraufhin verstricke ich mich immer wieder und habe meist einen richtig schrecklichen Absturz.

Gestern hatte ich wieder eine gedankliche Talfahrt, die mich hat verzweifeln lassen. Manchmal fühlen sich die Gedanken so übermächtig an, dass ich nicht mehr weiß was ich machen kann und mich einfach nur verstecken will.
Nach so einer Talfahrt, während der mir dann irgendwann auch die Erkenntnis kommt, dass das absolut absurd ist, was ich mir vorstelle, habe ich häufig noch mindestens 1-2 Tage ein richtig unangenehmes Gefühl in mir. So als könnte doch irgendwas in mir rausspringen und sagen: Tadaaaa, das war doch kein Gedanke.

Ich weiß, dass es letztlich darum geht mit der Unsicherheit zu leben und mir selbst wieder zu vertrauen. Aber dieses Misstrauen, sich selbst gegenüber, kennt ihr das auch?

Zum Thema Laif900: Das nehme ich auch seit etwa 5 Wochen. Ich habe den Eindruck, dass die Abstürze nicht mehr so extrem sind - das kann aber auch an der Achtsamkeitsmeditation und den Expositionen, die ich versuche, liegen.
Zuletzt geändert von Yoli am Mi 22. Sep 2021, 14:39, insgesamt 1-mal geändert.
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michael_m
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Re: Sexuelle Zwangsgedanken

Beitrag von michael_m »

Yoli hat geschrieben: Mi 22. Sep 2021, 13:36 Ich weiß, dass es letztlich darum geht mit der Unsicherheit zu leben und mir selbst wieder zu vertrauen. Aber dieses Misstrauen, sich selbst gegenüber, kennt ihr das auch?
Ich habe zwar andere Zwangsinhalte - aber ja, dieses Selbst-Misstrauen kenn ich auch sehr gut.
Und ja, die langfristige Lösung ist, sich selbst wieder zu vertrauen. So einfach es letztendlich ist, umso schwieriger ist die Umsetzung. Aber - versuchen wir unser bestes! :)
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Yoli
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Re: Sexuelle Zwangsgedanken

Beitrag von Yoli »

Danke Michael, manchmal ist es echt schwer. Vor allem, wenn man denkt, dass man nun endlich den Dreh raus hätte und dann wieder irgendwas kommt, was sich anders anfühlt (und doch gleich ist, wenn mans genau betrachtet).
Lucky
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Re: Sexuelle Zwangsgedanken

Beitrag von Lucky »

Hey, ich weiß es sind jetzt paar Jährchen vergangen aber ich wollte kurz auch was zu dem Thema sagen da ich mich momentan ziemlich in meiner Zwangsstörung befinde. Bei mir hatte alles mit einem Waschzwang begonnen. Die Zwangshandlungen haben sich nach vielen Jahren in Zwangsgedanken verwandelt und schlussendlich ist bei mir letztes Jahr alles ausgeartet. Ich hatte so Angst auf das andere Geschlecht zu stehen, das ich bei allem ein Beweis gesucht hatte. Ich habe immer geschaut ob ich ein kribbeln spüre oder Erregung und auf jede Kleinigkeit geachtet. Ich hatte immer gehofft das mit dir Dinge Entspannung bringen. Leider hat es das alles nur noch verschlimmert. Bis ich gefühlt bei jedem Mädchen dachte ich würde was von ihr wollen. Dazu kam dann das ich auch von meiner Familie dachte ich würde Sexuelle Handlungen ausführen wollen. Jedes Mal wenn ich in meinen Gedanken überprüfe ob ich Erregung spüre, spüre ich auch was. Gottseidank weiß ich mittlerweile auch durch meine Therapeutin, dass man immer eine Zucken oder Erregung spürt wenn man darauf achtet und an was sexuelles denkt. Leider war das alles sehr viel für mich und ich habe Panikattacken plus leichte Depressionen bekommen. Mittlerweile geht es mir viel besser. Leider habe ich trotzdem oft das Gefühl das ich nicht mehr weiß was ich will. Ich fühle mich sehr zerstreut und habe oft das Gefühl das ich ein Realitätsverlust habe, aber bin auf dem Weg der Besserung. Ich würde mich aber freuen wenn mir jemand sagen könnte ob er auch diese Erfahrung gemacht hat, ständig auf seine Gefühle zu achten und dementsprechend bei sehr vielen Menschen dachte das jedes Glücksgefühl oder sonst Attraktivität Beweise dafür sind das man auf jemanden steht. Und ein Satz der mir geholfen hat: Durch die Zwangshafte Kontrolle, verliert man die Kontrolle. Je weniger man kontrolliert, desto mehr Kontrolle gewinnt man. LG
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