Trigger Familie

Jessi
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Re: Trigger Familie

Beitrag von Jessi »

Hey!
Ich verstehe sehr gut was du meinst. Meine Eltern haben auch die Situation damals nur ausgesessen, anstatt zu erkennen wie ungesund die Atmosphäre für ein Kind war. Ich habe mich, mit einer Ausnahme, aber auch nie an jemanden gewandt, eben um meine Familie irgendwie zu schützen.
So wurde es mir vorgelebt. Heute trage ich meinen Eltern keine Schuld nach oder hege Groll gegen sie, obwohl ich es manchmal wünschte, einfach richtig wütend sein zu können.
Auch, dass die Eltern einen nicht als erwachsenen, erfolgreichen, eigenständigen Menschen betrachten kenne ich sehr gut und ebenfalls die Tatsache, dass man erst darüber nachdenkt wie es ihnen geht anstatt an sich selbst zu denken. Ich glaube, diese Überlegung könnte mir sehr helfen ;)

Dass die Pandemie von dieser Seite betrachtet Vorteile hat, liegt vermutlich daran, dass wir uns der Verantwortung entziehen können und von der anderen Seite ebenfalls wenig Kontakt eingefordert wird. Daher habe ich ein wenig Sorge vor der Zeit danach.

LG Jessi
fabian123
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Re: Trigger Familie

Beitrag von fabian123 »

Hallo Jessi,
seit meinem letzten Post ist einiges bei mir passiert. Ich habe mich von meinen Eltern mittlerweile sehr distanziert. Mit meinen Geschwistern dachte ich eigentlich, ein gutes und vertrautes Verhältnisse zu haben. Was in den letzten Wochen im Grunde passiert ist, ist eigentlich mittlerweile irgendwie egal. Aber ich habe bemerkt das „ich“ als Person, jede Handlung von mir immer hinterfrage, was es für Auswirkungen auf meine Mitmenschen haben könnte. Ich denke also immer auch an alle anderen um mich herum, bei dem was ich tue. Anders gesagt: ich fühle mich für fast alles und jeden in der Verantwortung. So bin ich seit dem ich denken kann. Aber andersherum, ist das eigentlich nicht der Fall. Da macht jeder was er denkt, oder für sich von Vorteil ist.
Eine meiner Schwester hat etwas für sich sehr wichtiges getan, und hat mir nur Widerwillen davor erzählt. Das hatte mich total erschrocken, weil ich alles teile und kommuniziere, und gemerkt habe, die machen es aber nicht.
Meine Geschwister können nichts dafür, die Schuld liegt klar bei meinen Eltern, aber ich selbst hatte keine Kindheit, Jugend etc. weil ich mich sehr viel um sie kümmern musste bzw. die Verantwortung übernommen musste.

Heute morgen bin ich ausgeschlafen und ausgeruht aufgewacht. Als ich für mich und meine Lebenspartnerin Kaffee machen wollte, dachte ich darüber nach, dass meine Zwangsgedanken und das Gefühl „immer Probleme lösen zu müssen“, allgegenwärtig bei mir ist. Wenn man Eltern hat, die keine Grenzen setzen, ist man als Kind vermutlich auch ständig unter Stress. Ich habe seit dem ich Kind bin mich aber daran vermutlich gewöhnt, unlösbare Probleme und Konflikte um mich herum zu haben. Die Zwangsgedanken halfen mir vielleicht damals damit umzugehen: Unlösbare Aufgaben nicht lösen zu können. Das ist fast so wie die letzte Stelle bei PI zu finden: Man ist immer beschäftigt, aber es gibt kein Ende!
Als ich darüber nachdachte und mir dann dachte was ich heute schönes mache, schoß mir ein Zwangsgedanke durch den Kopf, der mir seit dem Angst macht: es geht um einen Job den ich vor über einem halben Jahr gemacht habe. Ich bin Selbstständig, und bilde mir nun ein das ich irgendwo, irgendwas am Computer vielleicht falsch gemacht habe. In meinen Gedanken wird es natürlich in einem großen Dilemma für mich enden. Es ist Quatsch, und nicht real. Aber die Tatsache das ich auf alle Dateien auf einem Server zugreifen kann, ist gerade für mich sehr schwer, die Dateien nicht alle jetzt zu kontrollieren. Aber um was geht es eigentlich? Ich versuche etwas zu kontrollieren, was in meinem Handlungsspielraum liegt. Einen Handlungsspielraum den ich mir selbst konstruiert habe. Ich hatte in meiner Kindheit keinen Handlungsspielraum. Es klingt so einfach und logisch, wenn man das nur auch so umsetzen könnte =)

Ich habe oft das Gefühl, das kein „Leerlauf“ existieren darf, bleib ich stehen hab ich verloren. Ist das bei dir auch so, dass du eigentlich ständig mit irgendetwas beschäftigt bist? Oder dich ablenkst, zumindest es versuchst, weil „nichts“ tun über kurz oder lang wieder zu Zwangsgedanken führen, weil man es nicht kennt, das alles gut, ruhig und sicher sein kann?

Ich wünsche dir einen schönen Tag.

Beste Grüße,
Fabian
Jessi
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Re: Trigger Familie

Beitrag von Jessi »

Hey :)
Schön, dass du so viele Erkenntnisse gewinnen konntest. Das ist manchmal nicht unbedingt direkt hilfreich aber allein das Verständnis dafür hilft in der Zukunft wahrscheinlich sehr.
Das, was du mit dem Leerlauf beschreibst kenne ich nur zu gut. Sobald ich zur Ruhe komme und mich nicht irgendwie beschäftige fangen die Gedanken wieder an und ich rutsche wieder in dieses Tief hinein. Mir hilft Sport enorm :).
Es ist, als dürfe man nicht glücklich und im Jetzt leben, oder ?

Schöne Ostertage wünsch ich euch :)

LG Jessi
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Yorge
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Frohe Ostern!

Beitrag von Yorge »

Ist zwar schon fast vorbei, ich hoffe auch ihr habt schöne Ostern. Und hoffentlich verzieht sich dieser strenge Pandemie-Winter bald mal ganz und wir bekommen das so weit in den Griff, dass es nicht mehr ganz so herausfordernd ist. Ich denke viele Menschen haben sich ja sehr bemüht und tuen das noch immer und unglaublich, wie viele Tage an Menschenleben dadurch gerettet wurden - wir sollten uns nicht immer nur darauf konzentrieren, was nicht so gut klappt. Und der Austausch hier gehört bestimmt zu dem, was trotz all dem womit wir uns abzumühen haben sehr bereichernd ist - danke dafür!
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Dr. Strange
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Re: Trigger Familie

Beitrag von Dr. Strange »

Bei einigen Beiträgen musste ich ziemlich schlucken, da mir einige Erzählungen aus meiner eigenen Familie bekannt vorgekommen sind.

Kinder benötigen ein stabiles und liebevolles Umfeld um gesund aufzuwachsen. Dass wird mir immer bewusster, obwohl es ziemlich banal klingt und auch ist. Zudem sollten Eltern ihre Kinder niemals(!!!!) als "Ersatztherapeuten" missbrauchen. Kinder gehen bestimmte Dinge aus dem Leben ihrer Eltern schlicht und einfach nichts an. Meine Mutter hat mir leider zuviel erzählt. Es hat zu lange gedauert, bis ich mich gegen diese Art des Missbrauchs wehren konnte.

Das Eheleben meiner Eltern bestand zuletzt lediglich nur noch auf dem Papier. Meine Eltern pflegten Beziehungen außerhalb der eigentlichen Ehe. Eine Scheidung kam aufgrund geschäftlicher Verflechtungen nicht in Frage. Wäre aber für uns Kinder deutlich besser gewesen. Wenn Kinder in einem regellosen Umfeld aufwachsen, behilft man sich offensichtlich manchmal mit eigenen Regeln. Manchmal auch mit unsinnigen. In meinem Fall waren diese Zustände vermutlich der Auslöser meiner Zwangserkrankung.

Heute bin ich froh, keine Kinder zu haben. Zu groß wäre die Angst, die erworbenen Verletzungen an die nächste Generation weiterzugeben.

Ich versuche, auf meine Eltern nicht wütend zu sein. Was mir allerdings nicht immer gelingt. Auch sie verlebten keine schön Kindheit und waren vermutlich selbst Opfer von unguten Umständen. So werden negative Erlebnisse der nächsten Generation aufgebürdet.
Jessi
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Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Trigger Familie

Beitrag von Jessi »

Hey!
Das tut mir sehr leid, dass du ähnliche Erfahrungen machen musstest.
Ich fühle mich eher schuldig ihnen gegenüber, als dass ich verärgert sein könnte. Ich weiß nicht woran das liegt. In meiner Jugend hatte ich teilweise einen richtigen Hass auf bestimmte Verhaltensweisen meiner Eltern und ich wär froh, wenn ich die Gefühle wieder korrekt ordnen könnte.
Wie gehst du denn heute mit deiner Familie um ?

LG Jessi
downtherabbithole
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Re: Trigger Familie

Beitrag von downtherabbithole »

Hallo,

ich lese hier ganz oft, dass man versucht nicht wütend auf die Eltern zu sein. Ich wollte nur mal sagen, man darf aber auch wütend auf die eignenen Eltern sein.

Ansonsten wollte ich fragen, wie ihr das seht. Ich habe mir ein paar Folgen der Serie Pure angeschaut, da sitzt die Zwangserkrankte einmal beim Therapeuten und sagt: Bevor sie fragen, ich hatte eine glückliche Kindheit.

Noch dazu lese ich immer wieder, dass Eltern sich selbst keine Schuld zu weisen sollen bezüglich der Erziehung.
(Im Ratgeber stand zwar dann auch, dass man das individuell betrachten muss und andere psychische Probleme eben durch die Erziehung und Beziehung zu den Eltern entstehen können, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen können, aber das ist für mich trotzdem was anderes, wenn man das so formuliert).

Mich irritiert das aufgrund meiner eigenen Erfahrungen sehr. Was sind eure Erfahrungen und wie seht ihr das? Gibt es jemand mit Zwangserkrankung der von sich behaupten kann er hatte eine glückliche Kinderheit und ein gutes gesundes Verhältnis zu den Eltern?

Oder kommen da dann doch immer sehr individuelle Probleme heraus, die demjenigen vielleicht nur gar nicht bewusst waren?

Mir geht es hierbei gar nicht um Schuldzuweisungen aber ich bin schon der Meinung, dass Eltern Verantwortung übernehmen müssen für ihr eigenes Handeln. Wenn ich also ein Kind mit psychischer Erkrankung habe, fände ich es schon von Vorteil wenn ich mich mal mit mir selber beschäftige und schaue was ich vielleicht an Verhalten mitgebracht habe, was dem Kind nicht gut tut.

Ich bin gespannt auf eure Meinungen und Antworten.
Dr. Strange
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Re: Trigger Familie

Beitrag von Dr. Strange »

Jessi hat geschrieben: Sa 10. Apr 2021, 13:27 Hey!
Das tut mir sehr leid, dass du ähnliche Erfahrungen machen musstest.
Ich fühle mich eher schuldig ihnen gegenüber, als dass ich verärgert sein könnte. Ich weiß nicht woran das liegt. In meiner Jugend hatte ich teilweise einen richtigen Hass auf bestimmte Verhaltensweisen meiner Eltern und ich wär froh, wenn ich die Gefühle wieder korrekt ordnen könnte.
Wie gehst du denn heute mit deinetFamilie um ?

LG Jessi
Hallo Jessi,

inwiefern fühlst du dich gegenüber deinen Eltern schuldig? Wäre es umgekehrt nicht angebrachter?

Mein Vater ist verstorben. Als er bereits schwer erkrankt war, konnte ich mit ihm meinen Frieden machen.Es war eine wertvolle Erfahrung. Er war aber auch nie so das "Problem" . Ich hatte und habe eher Probleme mit meiner Mutter. Ich bemerke, dass ich in ihrer Nähe sehr unruhig und nervös werde und sich eine unangenehme Spannung in mir aufbaut. Wir scheinen auch unterschiedliche Sprachen zu sprechen. Wir verstehen einander nicht. Ich hoffe, man kann nachvollziehen was ich damit meine?!

Der Kontakt zu meiner Mutter ist sehr locker. Tägliche Anrufe und ständige Besuche, wie ich es von anderen Familien her kenne, wären für mich undenkbar.

Ich hoffe, dass ich auch mit meiner Mutter irgendwann in Frieden leben kann. Aktuell gelingt es mir noch nicht.
downtherabbithole hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 10:08 Hallo,

ich lese hier ganz oft, dass man versucht nicht wütend auf die Eltern zu sein. Ich wollte nur mal sagen, man darf aber auch wütend auf die eignenen Eltern sein.
Hallo downtherabbithole,
dass sehe ich auch so.

Noch dazu lese ich immer wieder, dass Eltern sich selbst keine Schuld zu weisen sollen bezüglich der Erziehung.
(Im Ratgeber stand zwar dann auch, dass man das individuell betrachten muss und andere psychische Probleme eben durch die Erziehung und Beziehung zu den Eltern entstehen können, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen können, aber das ist für mich trotzdem was anderes, wenn man das so formuliert).

Mich irritiert das aufgrund meiner eigenen Erfahrungen sehr. Was sind eure Erfahrungen und wie seht ihr das? Gibt es jemand mit Zwangserkrankung der von sich behaupten kann er hatte eine glückliche Kinderheit und ein gutes gesundes Verhältnis zu den Eltern?
Die Frage betrifft die Ursache von Zwängen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in einer gesunden und intakten Familie, (mit viel Liebe, Verständnis, Zuneigung und Sicherheit), dazu neigt, Zwänge zu entwickeln. Zwänge sind für mich falsch erlernte Strategien. Offenbar versucht der Geist (oder Seele) Mechanismen zu entwickeln, um mit Angst, Unsicherheit und Furcht umzugehen. Mag sein, dass neurologische Aspekte der Entwicklung der Krankheit Vorschub leisten.
Mir geht es hierbei gar nicht um Schuldzuweisungen aber ich bin schon der Meinung, dass Eltern Verantwortung übernehmen müssen für ihr eigenes Handeln. Wenn ich also ein Kind mit psychischer Erkrankung habe, fände ich es schon von Vorteil wenn ich mich mal mit mir selber beschäftige und schaue was ich vielleicht an Verhalten mitgebracht habe, was dem Kind nicht gut tut.

Ich bin gespannt auf eure Meinungen und Antworten.
Wenn man es den bei Kindern bemerkt. Ich konnte meine Probleme (Zwänge) vor meinen Eltern, Freunden und selbst lange vor meiner Frau verbergen. Sie wunderte sich zwar, weshalb ich immer wieder die Wohnugstüre kontrollierte (ob sie auch verschlossen ist), sie tat dies eben als Spleen ab. Erst vor kurzem erzählte ich ihr, dass ich unter Zwängen leide. Zudem macht es einen Unterschied, ob man unter Zwangshandlungen oder/und Zwangsgedanken leidet. Zwangsgedanken sind für andere nicht sichtbar, während z. B. der Waschzwang irgendwann offensichtlich ist.
Jessi
Beiträge: 284
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Re: Trigger Familie

Beitrag von Jessi »

Hey!

Ich weiß leider nicht, wie ich diese Zitate einfügen kann, also antworte ich mal so. :lol:

Ich habe immer und bei Allem eine Art schlechtes Gewissen. Ich fühle mich nicht schuldig im Sinne von: Ich müsse ihnen etwas zurückgeben. Ich habe eher ein Bild vor Augen wie meine Eltern traurig in ihrem Zuhause sitzen und gerne ein größerer Teil meines Lebens wären. Das kommt immer wieder hoch wenn ich mich distanzieren möchte. Ich wünschte, es wäre bei uns wie in jeder gewöhnlichen Familie, aber ich bin stetig nervös und angespannt wenn ich mich mit ihnen treffe, noch schlimmer ist es wenn ich meinen Freund mitnehme. Ich habe immer Angst, dass irgendwer bloßgestellt wird.
Andererseits möchte ich mich auch nicht komplett distanzieren. Somit telefonieren wir aktuell häufiger aber es kommen keine Treffen zustande, da spielt corona etwas in die Karten.

Ich finde es traurig und schön zugleich, was du bezüglich deines Vaters geschrieben hast. Ich drücke dir die Daumen, dass du bald einen Weg findest auch mit deiner Mutter Frieden zu schließen.


Übrigens sehe ich es auch so, dass man auch wütend auf die Eltern sein darf. Ich persönlich meinte in meinem vorherigen Beitrag nur, dass es mir nicht mehr gelingt obwohl ich es gerne würde, in bestimmten Situationen natürlich nur. Bei mir switcht es nämlich sofort in den Zwang oder andere Gefühle.

LG Jessi
fabian123
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Re: Trigger Familie

Beitrag von fabian123 »

Hallo zusammen.
nachdem ich eure Beiträge gelesen habe, frage ich mich gerade: Ist die Tatsache das man als "Kind" versucht die "Konflikte mit den Eltern primär alleine zu lösen, nicht schon Teil des Problems? Sollten Eltern nicht wenigstens versuchen etwas positives dazu beizutragen? Wißt ihr wie ich das meine? Also, ich sehe mich da gerade so etwas wie in meinen Zwangsgedanken wieder: Ich versuche ein Problem zu lösen, woran ich überhaupt nicht Schuld bin.

Und wütend auf seine Eltern sein zu dürfen sollte ja eigentlich was normales sein, denke ich. Ich tue mir aber auch immer noch sehr schwer damit.

Aber ich durfte als Kind weder Wut, Zweifel oder Kritik an meinen Eltern äußern. Tat ich das, wurde mir als Kind bereits erklärt: Die Hand die einen füttert, beißt man nicht! Das heißt, ich war als Kind „natürlich“ von meinen Eltern abhängig, „musste“ aber alles „ertragen“ und durfte keine Form von Kritik äußern. Als Erwachsender lächelt man über so einen dummen Satz, wie mit der Hand und dem Füttern, natürlich. Aber aus der Perspektive eines Kindes, empfinde ich das als dramatisch: Nimmst du nicht hin, egal wie unfair, brutal, grenzüberschreitend usw. deine Eltern sind, bekommst du ein „existentielles“ Problem. Irgendwo mussten meine Gefühle aber ja hin. Daher wundert es mich bei mir nicht mehr, dass ich als Kind bereits Zwangs- und Angstgedanken vermutlich benötigte, um dieses völlig Grenzlose, Unstrukturierte und Lieblose Umgebung zu ertragen, aber auch mir irgendwie zu erklären. Ich glaube das kann sehr entscheidet sein, weil wenn ich ehrlich bin, sind meine Zwangsgedanken eigentlich immer wie eine Erklärung für „was könnte passieren __*“ oder „was ist passiert wenn __*“ (* Platzhalter für Thema).

Ich habe diese Gefühle meinen Eltern gegenüber wie: auf sie nicht wütend sein zu dürfen, immer sie im Mittelpunkt zu sehen, sie als Relevanter als mich zu betrachten etc. - irgendwann als eine niemals hinterfragte Form von „Loyalität“ bei mir bezeichnet. Für meine Eltern war es einfach und komfortabel, für mich wurde es meine (kranke) „Normalität“.

Ich merke bei mir, das ich nie gelernt habe mich lösen zu dürfen: Räumlich, Gedanklich und Emotional. In meiner Therapie rede ich zur Zeit viel darüber. Ich möchte eigentlich auch endlich über die Gegenwart und Zukunft sprechen und Nachdenken dürfen. Ich merke das ich bei mir fast 40 Jahre aufgestaute, weg gepackte und abgekapselte Gefühle und Erinnerung in mir trage, welche mich oft daran hindern, Zwangs- und Angstfrei im hier und jetzt zu leben.

Aber, mir persönlich geht es besser, durch die Distanz und Grenzen die ich beginne zu setzen. Klar sind meine Eltern und Geschwister nicht gewöhnt das ich beginne Grenzen zu setzen und auf Abstand zu gehen. Aber ich beginne mich dadurch langsam endlich Autonom zu fühlen. Der Zwang hat in diesen Situationen dann auch kaum eine Chance bei mir. Das gibt mir bei meiner Geschichte aktuell wirklich Hoffnung.

Ich wünsche euch alles Gute.
Fabian
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