Extreme Angst und Zwänge wegen Coronakrise

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민들레
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Registriert: So 16. Mai 2021, 19:37

Extreme Angst und Zwänge wegen Coronakrise

Beitrag von 민들레 »

Hallo! :)

Ich habe eigentlich schon immer Zwangsgedanken gehabt seit ich denken kann und auch schon immer Zwangshandlungen durchführen müssen, auch schon als Kind, was mir aber erst seit Kurzem bewusst geworden ist, da ich dachte, das ist einfach meine normale Art, Dinge zu machen und zu denken. Seit ein paar Jahren hatte sich das Ganze mal etwas verschlimmert, da fing das mit dem Händewaschen schon an, aber es war nie so extrem, dass ich im Alltag irgendwie erheblich eingeschränkt gewesen wäre. Ich hatte einfach seit Längerem Angst vor gewissen Substanzen wie beispielsweise Essig oder Nagellackentferner... Das musste ich dann immer „abwaschen“ oder eben auch Stress mit der Familie. Aber ich habe dabei nie ewig gebraucht und dafür ist auch nie extrem viel Zeit draufgegangen, ich kann mich auch gar nicht mehr an die einzelnen Schritte dabei erinnern, wie ich das gemacht habe oder so, weil es doch irgendwo automatisch abgelaufen ist und ohne diese Riesenangst.

Seit über einem Jahr ist es aber extrem schlimm geworden und jetzt habe ich auch Angst vor Keimen etc. entwickelt, worauf der Waschzwang sich natürlich sehr gerne stürzt und das war vorher einfach nicht so. Jetzt ist es ja leider offensichtlich, warum es so schlimm geworden ist und weshalb ich jetzt auch so krasse Panik vor allem entwickelt habe. Das alles bestimmt meinen Alltag. Ich muss echt alles rund ums Händewaschen und den Toilettengang planen und ich mache seit über einem Jahr so gut wie gar nichts mehr vor lauter Angst. Ich muss auch zu Hause andauernd meine Hände desinfizieren, das ist schon echt extrem heftig, wie viel ich da verbrauche und generell kann ich nicht mal wirklich meine eigenen Sachen anfassen, sonst ekle ich mich sofort und denke gleich wieder, ich hätte schädliche Keime an mir. Deshalb bin ich oft den ganzen Tag im Bett... Damit gar nicht erst die Situation aufkommt, dass ich etwas anfassen muss. Desinfektionsmittel gehört übrigens auch zu den Substanzen vor denen ich Angst habe, deshalb ist es umso schlimmer für mich, weil ich es momentan BRAUCHE, es mich aber belastet, da ich es eigentlich nicht an mir haben möchte, weil ich sonst denke, es schadet mir irgendwie.

Ich habe Arzttermine aufgeschoben, die extrem wichtig gewesen wären, weil ich mich nicht traue, nach draußen zu gehen, weil ich genau weiß, was mich dann wieder erwartet:

-Probleme damit, in irgendeine Praxis rein- und von dort aus wieder rauszukommen, da ich die Türklinke auf keinen Fall berühren möchte
-Panik, weil ich während der Zeit im Wartezimmer beispielsweise nicht alles planen und kontrollieren kann, weil ich unerwartete Dinge tun muss, auf die ich nicht vorbereitet war und dementsprechend meine Hände nicht nochmal säubern konnte (z.B. wenn man untersucht wird, die eigenen Klamotten dann auszuziehen und anfassen zu müssen, die sind dann gleich „kontaminiert“ für mich oder wenn man eine Urinprobe abgeben soll, weil man da sehr viele Dinge beachten und wieder anfassen muss und ich das dann nur unter Panik machen kann, weil ich sofort wieder ans Desinfizieren oder Händewaschen denken muss)
-das Desinfizieren generell ist ein Problem für mich, da ich wie gesagt Angst habe, es aber machen muss und durch den Zwang und die erdrückende Angst bleibt es da nicht bei einem Mal... Davor graust es mir auch und wenn man das umgehen kann...
-das Entsorgen der Maske oder was zu tun ist, sollte sie mal wirklich verrutschen, denn ich möchte und kann da nicht dran fassen, ich könnte aber beispielsweise meine Hände in einem Wartezimmer nicht desinfizieren, weil ich das vor anderen Leuten nicht machen kann und auch nicht so nebenbei, sondern nur in Ruhe
-wenn ich nach Hause komme, muss ich meine Hände erst säubern, dann sofort meine Klamotten in die Wäsche werfen, dann wieder waschen, meine Tasche wegbringen, die dann tagelang oder auch wochenlang gemieden wird bis sich eventuell darauf befindende Viren etc. abgetötet wurden und das Händewaschen an sich dauert ewig, auch wenn ich nur zu Hause bin, also wird es da noch schlimmer und zeitaufwendiger

Ich habe jetzt schon Probleme mit meiner Blase und andere körperliche Probleme entwickelt, weil ich eben teilweise nicht auf die Toilette gehen kann, da ich weiß, was mich sonst wieder erwartet (das Händewaschen) und ich psychisch dafür oft nicht bereit bin, weil ich ja weiß, wie langwierig das wieder werden kann und es mich einfach belastet. Außerdem ist der Toilettengang an sich auch schlimm, weil ich wie gesagt zum einen Angst vor unsauberen Flächen oder sonst was habe und zum anderen auch auf der Toilette bestimmte Handlungen viel zu oft wiederholen muss bis ich gehen kann...

Ich habe einfach so Angst davor, dass überall etwas dran sein könnte, da ich nicht alleine hier lebe und Menschen natürlich auch von draußen kommen und in der Regel niemand da so extrem vorsichtig ist wie ich. Und bevor ich meine Hände und Handgelenke wieder so oft wasche, dass sie aufgehen, mache ich lieber gar nichts. Oft habe ich den ganzen Tag nichts gegessen, weil ich dieses Maß an Handhygiene, das dafür nötig gewesen wäre, nicht aushalten hätte können und generell kann ich nicht mal wirklich in die Küche gehen und dort etwas anfassen, weil es eben andere Menschen mitbenutzen und ich nicht weiß, was genau damit gemacht worden ist.

Ich wollte einfach mal fragen, ob hier jemand ist, bei dem sich das so ähnlich verhält oder wie Leute mit Waschzwang etc. diese Situation meistern. Es würde mir irgendwie helfen, wenn es jemanden gibt, der zwar in einer ähnlichen Situation ist wie ich, der aber lockerer damit umgehen kann und sich die Dinge, die mir schwerfallen, trotzdem traut. (Sich normal Essen zu machen ohne dass was passiert, auch wenn man sich die Hände nicht 12234x zwischendurch oder nach jeder Bewegung wäscht) Also zum Beispiel, wenn jemand seine Kleidung nach dem Tragen draußen offen irgendwohin legen kann oder sogar nochmal tragen am nächsten Tag und nicht gleich alles in die Wäsche wirft... Dann würde ich ja sehen, dass trotzdem nichts passieren kann. Gerade bei dieser ganzen Thematik kann mir niemand weiterhelfen oder Fragen beantworten und die Menschen, die sagen, dies und das ist übertrieben, das muss ich so nicht machen usw., sind halt meistens auch Menschen, die keine Zwänge kennen. Natürlich sehen die das als überzogen, aber ich selbst kann nicht mehr unterscheiden, was überzogen ist und was der aktuellen Situation angemessen, um sich eben schützen zu können. Ich habe halt Angst, dass dieses Virus überall drauf sein könnte und ich weiß nicht, auf welchen Objekten und Oberflächen das tatsächlich der Fall sein kann und bei welchen Dingen das unwahrscheinlich ist. Ich bräuchte einfach irgendwie vergleichbare Erfahrungswerte, damit ich sehe, dass ich mich nicht gefährde, auch wenn das Händewaschen mal ausbleibt oder ich Dinge nicht sofort wasche oder desinfiziere, weil ich sie draußen dabeihatte.

Wenn ich mich informieren möchte, gibt es entweder die Leute, die es viel zu locker sehen und so tun als wäre meine Angst lächerlich oder diejenigen, die mir zu meiner Panik noch mehr Panik machen, indem sie mich auf Dinge hinweisen, auf denen es sich noch befinden könnte, über die ich aber noch nie nachgedacht habe und dann bin ich wieder komplett gelähmt und kann nichts mehr machen...
Aber ich habe auch keine Erfahrungen von anderen Menschen mit Zwängen gehört oder darüber gelesen, deshalb können mir die meisten nicht weiterhelfen, da sie nur sehen, dass ich „übertrieben pingelig“ bin, aber nichts von der ganzen Sache nachvollziehen oder verstehen können und dann einfach sagen: „Hör doch einfach damit auf, das muss man nicht so oft machen...“ etc.

Und bei manchen Dingen weiß ich auch selbst, dass sie nicht logisch sind (trotzdem kann ich nicht damit aufhören...), aber andere Dinge sind durch das alles extrem schwierig, weil ich nicht weiß, was wirklich sinnvoll und wichtig ist und was überflüssig. Die Dinge, auf die der Zwang sich zuvor fokussiert hatte, waren zwar extrem beängstigend, aber ich wusste unterbewusst, dass mir nicht wirklich etwas passieren kann. Jetzt ist das ja leider doch sehr anders...

Ich habe auch in anderen Foren immer nur zu hören bekommen: „Du musst in Therapie, da kann dir niemand helfen“ und deshalb wollte ich anmerken, dass ich das selbst weiß und das auch schon im Gange ist, aber Wartezeiten sind nun mal lang und es würde mir in dem Fall helfen, zu wissen wie andere Betroffene ihren Alltag zur Zeit meistern. Denn wenn man mit Nichtbetroffenen spricht, wird man meist einfach nur so behandelt als wäre man wahnsinnig, so als könnte einem eh niemand mehr helfen und das ist verletzend und hilft nicht.
Ich kenne auch niemanden persönlich, der sich so sehr ekelt/fürchtet, bestimmte Dinge einfach nur anzufassen. Deshalb versteht mich niemand so richtig... Aber es wäre schön, sich mit jemandem auszutauschen, der genau weiß, was ich meine.

Normalerweise ist es ja auch so, dass man sich mit den angstauslösenden Dingen konfrontieren muss und dann wird einem ja beispielsweise gesagt, man muss eine Türklinke anfassen und darf sich danach nicht die Hände waschen und ich denke auch, dass ich das normalerweise hinbekommen würde, aber unter den Umständen... Ist sowas da nicht eher leichtsinnig? Und eben wirklich gefährlich?

Liebe Grüße!
zwangiswiederda
Beiträge: 6
Registriert: Fr 19. Apr 2019, 10:48

Re: Extreme Angst und Zwänge wegen Coronakrise

Beitrag von zwangiswiederda »

Hallo,

erstmal tut es mir total Leid für dich was du gerade mitmachen musst. Das was du schilderst kenne ich zu gut und ich denke viele andere hier auch. In ähnlicher Form hat es, als die Corona-Pandemie losging auch mich wieder in die Zwnagsstörrung getrieben. Ich habe meine Zwänge aber wieder recht gut im Griff (zumindest für die äußeren Umstände) und ich bin überzeugt das du das auch schaffen wirst, selbst in Corona Zeiten :) .

Wie du schon in anderen Foren gelesen hast kann ich dir auch nur raten suche dir so schnell es geht einen guten Verhaltenstherapeuten. Ich weiß das ist in manchen Städten und Regionen nicht so leicht oder mit langen Wartezeiten verbunden.
Ich habe mir damals eine große Liste gemacht und ca. 35 Therapeuten angerufen. Falls du das aktuell nicht hinbekommst, vielleicht können deine Eltern dir ja helfen.
Alternativ gibt es auch an manchen Unis Hochschulabulanzen - vielleicht könnten die zur Not Überbrücken oder Vermitteln.
Auch Psychologische Beratungsstellen übermtteln teilweise an Therapeuten soweit ich weiß (?).

Zu den Triggern die durch Corona ja jetzt vermeitlich überall lauern und deiner beschriebenen Angst bzw. "zwischen was ist übertrieben und was ist zu locker" kann ich nur sagen das wir "Zwängler" vieles sehr strikt sehen. Verantowrtungsbewusstes handeln ist gut, aber ab und an tut es gut auch fünf gerade sein zu lassen. Ich meine aber das du das gerade ohne Therapeutische Begleitung schwer aushalten kannst, also einfach mal nicht alles abzsichern, deinen Gedanken zu folgen, ect.

Vielleicht helfen Dir folgende Überlegungen etwas (in der Regel helfen Fakten aber bei Zwängen wenig, sondern eher der Umgang mit den Zwängen --> siehe weiter unten bzw. das würdest du dann in einer Therapie unter anderem lernen)
dennoch:
- Nicht jeder hat Corona, die Wahrscheinlichkeit auf jemand zu treffen ist doch recht gering
- Nicht jeder Hautkontakt löst gleich eine Ansteckung aus, sondern Schleimhautkontakt


Umgang mit den Zwängen (sowas in etwas lernt man unter anderem in der physiotherapie):
Angsterfüllte Gedanken und Impulse sind lediglich Gedanken, die du auch ziehen lassen kannst. Gedanken auch wenn Sie mit solch Angsterfüllten Gefühlen einhergehen sind nicht die Wahrheit, als das was wir sie gleich bewerten sondern nur Gedanken. Vielleicht schafft du es nicht allem nachzugehen. Mache dir Bewusst "ah das ist jetzt ein Zwangsgedanke/Zwangsimpuls", ich lasse diesen ziehen, ich hänge mich nicht an ihm auf, wasche mir nicht die Hände, ect. ich halte dieses "Risiko" bzw diese ungute Gefühl aus und beschäftige mich mit was anderem.

Da du aber noch keinen Therapeuten hast der dich begleitet, kann fürs herste auch folgendes helfen (langfristig ist das aber nicht die Lösung)..

Für deine Problematik mit der "was ist übertriebene Angst und was ist gerechtfertigt":
Es könnte dir auch fürs erste helfen dich an jemandem zu orientieren den du für Verantwortungsvoll hälst und schaust wie oft er sich die Hände wäscht. Eventuell nach dem Einakufen, nach dem Toilettengang und vor den Essen. Alles andere kannst du dann als Zwänge identifizieren und wie oben beschrieben, ziehen lassen und den Angstimpuls aushalten.


Ich bin kein Psychologe aber soweit mal mein Rat.

Eins noch: Du wirst sehen das du da raus kommst ganz sicher :) !
Viel Kraft in dieser doofen Zeit
zwangiswiederda
Beiträge: 6
Registriert: Fr 19. Apr 2019, 10:48

Re: Extreme Angst und Zwänge wegen Coronakrise

Beitrag von zwangiswiederda »

ach vielleicht noch als tipp. DIe Zwänge werden erfahrungsgemäß immer mehr Zeit einnehmen, bis du nur noch im Bett liegst gar nicht mehr dein Zimmer verlässt und so weiter. Versuch dem entgegen zu wirken indem du so wenig Zeit vebringst über vermeitliche Änsgste und Gefahren nachugrübeln.,

Du wirst lachen mit was für Luftschlössern du dich rumschlägst, wenn du irgendwann auf diese schwierige Zeit zurückblicken wirst.
Also verusch auch wenn die Zwänge die einengen so viel es geht zu machen , egal was

Wenn du im Bett liegst versuch wenigstens Netflix zu schauen , besser noch wenn du raus kommst geh an die frische Luft, ruf eine Freundin an usw.

Ich weiß allerdings wie schwer es ist diesen Kreis zu durchbrechen - ich würde so gerne, aber ich schaffe es nicht und der Zwang hat so mehr Raum.
Aber vielleicht schaffst du es ja jetzt auch schon.

Sonst mit Therapeuten step by step mit Sicherheit :) !!
downtherabbithole
Beiträge: 205
Registriert: Sa 7. Nov 2020, 21:10

Re: Extreme Angst und Zwänge wegen Coronakrise

Beitrag von downtherabbithole »

Puh, dass tut mir echt Leid für dich. Ich habe seit 27 Jahren einen Waschzwang (früher aber so dass ich alles normal machen konnte) und der ist durch Corona auch schlimmer geworden. Ich habe aber keine Angst vor Corona selber sondern vor bestimmten anderen Menschen, also dass die etwas berührt haben, was ich berühre etc. Funktioniert aber im Endeffekt fast genauso wie ein Zwang aus Angst vor Viren. Ich kenne alles was du beschreibst, vom nicht zum Arzt gehen können bis hin zu den Toilettengang aufschieben und nur im Bett rumsitzen und sich kein Essenzubereiten zu können.
Ich habe Arzttermine aufgeschoben, die extrem wichtig gewesen wären, weil ich mich nicht traue, nach draußen zu gehen, weil ich genau weiß, was mich dann wieder erwartet:
Kannst du vielleicht beim Arzt anrufen und sagen, dass du dringend kommen müsstest aber einen Waschzwang hast? Vielleicht können sie dir Hilfestellung leisten und ihr findet einen Weg wie du den Termin trotzdem wahrnehmen kannst.

Es würde mir irgendwie helfen, wenn es jemanden gibt, der zwar in einer ähnlichen Situation ist wie ich, der aber lockerer damit umgehen kann und sich die Dinge, die mir schwerfallen, trotzdem traut. (Sich normal Essen zu machen ohne dass was passiert, auch wenn man sich die Hände nicht 12234x zwischendurch oder nach jeder Bewegung wäscht) Also zum Beispiel, wenn jemand seine Kleidung nach dem Tragen draußen offen irgendwohin legen kann oder sogar nochmal tragen am nächsten Tag und nicht gleich alles in die Wäsche wirft...
Dann würde ich ja sehen, dass trotzdem nichts passieren kann.
Was deine Angst vor Viren angeht kann ich dir einiges sagen, was du vielleicht im ersten Moment als Beruhigung empfinden wirst, aber ich prohezeihe dir, dass dein Zwang sich nicht damit zufrieden geben wird. Du kennst doch auch andere Menschen und siehst wie sie sich "normal" verhalten. Der Zwang wird im Zweifel immer auf Nummer sicher gehen wollen. So funktionieren Zwänge leider nun mal. Du wirst immer nach der Restwahrscheinlichkeit suchen, dass doch was damit ist, auch wenn es für andere sicher scheint (und es wissenschaftlich gesehen total sicher ist).
Ich habe halt Angst, dass dieses Virus überall drauf sein könnte und ich weiß nicht, auf welchen Objekten und Oberflächen das tatsächlich der Fall sein kann und bei welchen Dingen das unwahrscheinlich ist. Ich bräuchte einfach irgendwie vergleichbare Erfahrungswerte, damit ich sehe, dass ich mich nicht gefährde, auch wenn das Händewaschen mal ausbleibt oder ich Dinge nicht sofort wasche oder desinfiziere, weil ich sie draußen dabeihatte.
Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, was du wissen möchtest. Keiner macht das außer jemand mit Zwängen. Warum würdest du jemand mit Zwängen mehr vertrauen als jmd ohne? Oder wie ist das gemeint?
Ich habe auch in anderen Foren immer nur zu hören bekommen: „Du musst in Therapie, da kann dir niemand helfen“ und deshalb wollte ich anmerken, dass ich das selbst weiß und das auch schon im Gange ist, aber Wartezeiten sind nun mal lang und es würde mir in dem Fall helfen, zu wissen wie andere Betroffene ihren Alltag zur Zeit meistern. Denn wenn man mit Nichtbetroffenen spricht, wird man meist einfach nur so behandelt als wäre man wahnsinnig, so als könnte einem eh niemand mehr helfen und das ist verletzend und hilft nicht.
Wenn du nicht mehr zum Arzt gehen kannst und nichts mehr essen kannst und gar nichts mehr machen kannst, kann ich das verstehen, aber das ist echt kein guter Zustand. Ich wohne mit meinem Freund zusammen, der kümmert sich in solchen Fällen um mich, alleine wäre ich aufgeschmissen, dann wäre ich aber sofort in eine Klinik gegangen, weil man sich so ja auch körperlich keinen Gefallen tut. Wenn du momentan keinen Therapieplatz bekommst, kommt es vielleicht für dich in Frage in eine Klinik zu gehen? Hier kannst du dich notfalls auch selber einweisen, dann bekommst du in deinem Umkreis einen Platz. Und beim Psychiater könntest du vielleicht auch etwas früher einen Termin bekommen.
Ich kenne auch niemanden persönlich, der sich so sehr ekelt/fürchtet, bestimmte Dinge einfach nur anzufassen. Deshalb versteht mich niemand so richtig... Aber es wäre schön, sich mit jemandem auszutauschen, der genau weiß, was ich meine.
Wie gesagt ich kann das alles nachvollziehen auch wenn sich meine Angst nicht auf Viren bezieht sondern dass irgendwelche Dinge (was das genau sein soll weiß ich selber nicht) von bestimmten anderen Menschen irgendwo haften bleiben und dann wieder woanders und dann wieder woanders.
Das erscheint dir vielleicht vollkommen blödsinnig, aber daran siehst du vielleicht auch wie blödsinnig Zwänge eigentlich sind. Auch wenn man immer denkt der eigene Zwang macht immer noch am meisten Sinn.
Normalerweise ist es ja auch so, dass man sich mit den angstauslösenden Dingen konfrontieren muss und dann wird einem ja beispielsweise gesagt, man muss eine Türklinke anfassen und darf sich danach nicht die Hände waschen und ich denke auch, dass ich das normalerweise hinbekommen würde, aber unter den Umständen... Ist sowas da nicht eher leichtsinnig? Und eben wirklich gefährlich?
Und bei manchen Dingen weiß ich auch selbst, dass sie nicht logisch sind (trotzdem kann ich nicht damit aufhören...), aber andere Dinge sind durch das alles extrem schwierig, weil ich nicht weiß, was wirklich sinnvoll und wichtig ist und was überflüssig. Die Dinge, auf die der Zwang sich zuvor fokussiert hatte, waren zwar extrem beängstigend, aber ich wusste unterbewusst, dass mir nicht wirklich etwas passieren kann. Jetzt ist das ja leider doch sehr anders...
Ich hatte am Anfang der Pandemie gelesen dass Menschen mit Angst vor Viren sich am besten einfach an die Regeln halten sollten und zwar nicht mehr und nicht weniger. Die Wissenschaft war da zwar in den letzten Monaten etwas widersprüchlich aber mittlerweile weiß man ja schon was Sinn macht und was nicht. Du übertreibst mit deinen Zwängen allerdings jede Regel, deswegen würde ich eher sagen, dass du den Regeln nicht vertraust, als dass du nicht weißt was sinnvoll ist :).

Ansonsten...hast du schon Bücher zum Thema gelesen?
Anja04
Beiträge: 1
Registriert: Mi 28. Jul 2021, 04:50

Re: Extreme Angst und Zwänge wegen Coronakrise

Beitrag von Anja04 »

Hallo,

hast du inzwischen eine Therapie begonnen?

Unabhängig davon will ich dir hier aber mal meine Einschätzung der Lage darlegen, vielleicht hilft dir das ja.

Tatsächlich haben wir durch Corona eine neue Situation, die sich ja vermutlich selbst in unseren Kreisen kaum jemand vorher so hätte vorstellen können.

Ich war immer schon sehr umsichtig (manche würden es übertrieben empfindlich nennen), wenn es darum ging, Dinge anzufassen, die von vielen Leuten berührt werden. Aber Corona hat gezeigt, das reicht noch gar nicht, man muss sogar die Atemluft filtern.

Das ist schon ganz schön heftig, wenn man auf diese Weise gezeigt bekommt, dass man bislang also quasi recht hatte, obwohl man mit solchen Verhaltensweisen ja doch recht allein ist.

Insgesamt habe ich viel über das Corona-Virus gelesen und denke daher, jetzt schon in der Lage zu sein, die Situation einigermaßen realistisch einschätzen zu können.

Der Hauptübertragungsweg bei diesem Krankheitserreger sind Tröpfchen und die Atemluft. Daher ist es sinnvoll, die Masken zu tragen und Abstand zu halten. Die Maske sollte man dann beim Abnehmen nicht in dem Bereich anfassen, der über Mund und Nase liegt, weil dort angesaugte Viren sitzen könnten. Sie an den Bändeln oder am Rand anzufassen, sollte aber unproblematisch sein.

Der Übertragungsweg über den Kontakt mit Oberflächen ist wohl seltener, allerdings auch schwerer nachzuweisen und passiert dann, wenn kontaminierte Gegenstände angefasst werden und die Finger anschließend Schleimhäute (Augen, Nase, Mund etc.) berühren.

Ich habe mir, um das zu vermeiden, einen Tatebo zugelegt. Das ist ein Spezialhandschuh – vermutlich mal ein positiver Nebeneffekt der Pandemie, dass es jetzt sowas gibt – den man für Bedienelemente im öffentlichen Bereich verwenden und anschließend zum Einpacken auf links umstülpen kann.

Wenn sowas inzwischen schon für Normalos angeboten wird, müssen wir uns da ja wohl auch nicht länger quälen. (Kann man im Internet bestellen (www.tatebo.com), im Laden habe ich sowas noch nicht gesehen.)

Ich denke, was für Dich wichtig ist, ist eine Grenze zu definieren, welche Dinge du machen kannst, ohne irgendwelche zwanghaften Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und für welche Dinge du dich entsprechend wappnest, um sie mit Vorkehrungen auch machen zu können.

Ich habe das für mich zum Beispiel so definiert, dass ich Unvermeidbares (wie beispielsweise die Tatsache, dass Kassierer meine Einkäufe anfassen müssen, um die Artikel zu scannen) akzeptiere, unnötige Berührungen jedoch vermeide (andere Kunden müssen meine Sachen nicht angefasst haben, deshalb greife ich eher hinten ins Regal; Türgriffe, Bedientasten und ähnliches im öffentlichen Bereich fasse ich mit dem Tatebo an).

Man muss auch nicht alles desinfizieren, da die Viren nach einer gewissen Zeit von allein kaputt gehen. Auf Papier halten sie sich 24 Stunden, auf Kunststoff und Edelstahl bis zu drei Tage. Legt man die eventuell betroffenen Dinge also einfach für diese Zeit mal neben hin (quasi in Quarantäne), so erledigt sich das Problem von selbst.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich den Verhaltenstherapien, wie sie als einzige Antwort auf das Thema Zwang von Therapeuten angeboten werden, sehr skeptisch gegenüber stehe. Tatsächlich wird man dabei ja zu Aktionen gedrängt, die einen tatsächlich zwar nicht umbringen, aber teilweise eben doch sehr eklig sind. Und dann kommt da eben mal eine Pandemie um die Ecke und verschiebt sowieso das, was bisher normal war, ganz woanders hin.

Fazit: Ich denke, es muss nicht unbedingt eine so herausfordernde Therapie sein. Wichtig ist, dass man seine persönlichen Regeln anhand von rationellen Überlegungen definiert und einhält, die dann aber auch nicht ständig in Frage gestellt werden dürfen. Wenn der Zwang das versucht, hilft es, sich zu sagen, dass man schon vorsichtig genug ist und schließlich auch noch was vom Leben haben will. Sonst könnte man sich gleich in Watte packen und dann ist das Leben, für das man ja so kämpft, schon von vornherein vorbei.
fabian123
Beiträge: 137
Registriert: So 20. Okt 2019, 14:06

Re: Extreme Angst und Zwänge wegen Coronakrise

Beitrag von fabian123 »

Hallo,
ich leide nicht an einem Waschzwang sondern an Zwangsgedanken aber ich würde sehr gerne was zu der Pandemie hinzufügen.
Bei mir war es vergangenes Jahr im März so, dass die Verunsicherung und Angst wegen der Pandemie weltweit dazu geführt hat, dass ich mich mit meinen Angst- und Zwangsgedanken nicht mehr so alleine fühlte. Das viele Menschen wegen Covid verunsichert waren ist natürlich auch nachvollziehbar. Auch wenn das absurd klingt, aber ich war einfach gesagt mit meinen Angst- und Zwangsgedanken gefühlt in dieser Gesellschaft auf einmal nicht mehr alleine.
Ich merkte dabei das mein Alltag tatsächlich auch ohne Pandemie gefühlt wie eine Dauerkatastrophe ist. Jetzt war die Katastrophe real und mein Zustand war gefühlt eigentlich identisch wie zuvor. Mir half daher dieser Ausnahmezustand um mich herum ein wenig, den in mir selbst etwas mehr zu verstehen. Ich bemerkte auch das ich in Stresssituationen immer gut funktioniere. Wenn ich ehrlich bin, ich merkte aber auch das ich mir in meinen Gedanken fast alles zu einer Dauerkatastrophe mache und ständig unter Strom stehen muss um überhaupt funktioniere zu können, weil ich es anders nicht wirklich kenne. Ich kenn mich eigentlich nicht ohne Dauerstress. Durch meine Zwangsgedanken habe ich daher immer Stress, weil alles zu einem Faktor werden kann, der mir Angst machen kann. Die Zwangsgedanken sind dabei quasi der Motor der mich am laufen hält.

Natürlich schlichen sich viele „neue“ Pandemie bedingten Gedanken bei mir ein. Sie waren mal mehr mal weniger schlimm und anstrengend. Seit ich meine zweite Impfung erhalten habe bin ich immer noch vorsichtig, weil ich auf die Menschen um mich herum in einem solidarischen Sinn achte. Aber meine Angst mich zu infizieren ist fast weg. Auch mache ich meine zweite Therapie zur Zeit, dass hilft mir persönlich sehr. Nach einer Verhaltenstherapie entschied ich mich für eine Tiefenpsycholgische Therapie. Das ist wirklich sehr anstrengend stellenweise aber mir hilft es Schritt für Schritt an meine Themen ran zu kommen und sie zu bearbeiten.

Ich wünsche euch alles Gute.

Fabian
eulenfalter
Beiträge: 12
Registriert: So 21. Nov 2021, 01:33

Re: Extreme Angst und Zwänge wegen Coronakrise

Beitrag von eulenfalter »

Hallo, ich leide schon seit vielen Jahren an Kontaminationsängsten / Berührvermeidungszwängen. Der therapeutische Erfolg war - trotz mehrerer VTs - bescheiden.

DIe Covid-Situation bereitet mir erhebliche Probleme, da ja viele Vorsichtsmaßnahmen tatsächlich rational sind.

Mich würde es sehr interessieren, wie ihr euch konkret schützt und welche zusätzlichen Probleme für euch durch die Kombination Angst/Zwang/Covid entstanden sind.

Würde ggf. auch eine WhatsApp Gruppe zu dem Thema gründen bei Interesse (aktuelle Entwicklungen / aktuelle Ideen)
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