Real Event OCD

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Termicas
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Real Event OCD

Beitrag von Termicas »

Ist noch jemand hier von Real Event OCD (kenne kein deutsches Wort) betroffen ? s. https://www.youtube.com/watch?v=fNxlpotyLRs.

Es gibt Ereignisse in meiner Vergangenheit die mich seit Jahren immer wieder ins extrem Grübeln und zu gedanklichen Zwangsritualen führen um die Anspannung zu reduzieren. Am liebsten würde ich diese Erinnerungen komplett auslöschen.

Mir war zuerst nicht klar, dass das auch Zwänge sind. Erst als Bekannte gleiche Ereignisse hatten und deren Reaktion darauf ganz anders als meine zu meinen war kam ich ins Nachdenken. Eher so wie "Ok das war nicht so gut, aber jetzt mache ich das besser" Und auch meine Einschätzung dieser Ereignissen bei den anderen sieht komplett anders aus, als wenn ich die gleichen Ereignisse in meinem Leben sehe.

All haben gemeinsam das kurz nachdem sie passiert waren, ich mit Überwindung darüber reden konnte.
Die Reaktion der Gesprächspartner war eher Unverständnis, warum diese Sachen mich so sehr beschäftigen.
Dann über die Monate / Jahre hat es sich in meinem Kopf stetig gesteigert ich habe immer weiter gedankliche Rituale ausgeführt und inzwischen sind sie so belastet, dass ich mit niemanden mehr darüber reden kann und ich viele Situationen meide die mich daran erinnern.

Kennt jemand sowas und wenn ja wie geht ihr damit um?
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SHG
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Verzeihen

Beitrag von SHG »

danke fürs Teilen des interessanten Videos, ich habe mir ein paar Notizen dazu gemacht:
Ich habe in der Vergangenheit tatsächlich etwas Falsches gemacht und fühle mich andauernd extrem vollkommen schlecht und schuldig und denke oft grübelnd darüber nach. Zwanghaft wird versucht Gewissheit zu erlangen, doch gut zu sein. Die Erinnerung daran bringt auch ein Gefühl von Angst.
Denkverzerrungen dabei:
Alles- oder Nichts-Denken - ich bin eine vollkommen guter Mensch oder ich bin ein absolut schlechter.
Emotionales Argumentieren - weil ich Angst/Schuld/Scham empfinde tat ich was Böses (manchmal tun wir was schlechtes, aber das ist einfach menschlich)
Aufbauschen - etwas gar nicht so Bedeutendes überbewerten



Ich selbst kenne das eher von früher, jetzt habe ich mehr Angst davor, dass mir so etwas passieren könnte und ich kann es mir dann nicht verzeihen und darum muss ich ständig ganz sicher gehen, jetzt keine falsche Entscheidung zu treffen.
Ich denke wir sollten uns öfter einfach mal verzeihen- und wenn man sich so schwer damit tut, sich selbst zu verzeihen, dann kann man ja mal damit üben, anderen zu verzeihen oder auch einfach gutmütiger durchs Leben zu gehen.


Und weil das hier ein Diskussionsforum ist, stelle ich mal eine Frage dazu. Es sollte ja nicht um ein Schwarz-Weiß-Denken gehen - also gibt es ja nicht nur sich absolut schlecht und schuldig fühlen vs. vollkommen frei davon, sondern was ist denn angemessen? Ich meine, dass viele Menschen sich schon nicht-schuldig fühlen, solange sie nicht durch einen Richter angeklagt werden - und so manche/r wird auch das nicht gerecht finden (wobei ich nicht sagen will, dass das tatsächlich immer absolut gerecht sein muss). So, wie ich meine, dass viele Mitmenschen einen sorgsameren Umgang mit Keimen pflegen könnten, ohne dass es übertrieben wäre, könnten auch mehr etwas höhere moralische Standards für sich geltend machen. Und da kann ich uns schon verstehen, wenn wir den Standards, die ja meist eine Masse vorgibt, nicht vertrauen.
Termicas
Beiträge: 56
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Re: Real Event OCD

Beitrag von Termicas »

ich finde diese Tipps auch interessant, allerdings fällt es mir schwer sie auf mich zu übertragen.
Denke ich sitze in der Falle von der er spricht...

https://www.youtube.com/watch?v=lFc-89FKkHA
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michael_m
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Re: Real Event OCD

Beitrag von michael_m »

Danke für das interessante Thema!

Ich kenn dieses "real event ocd" auch recht gut von mir. Neige ja eh viel zum (Zwangs-) Grübeln. Und ja, da stecken bestimmt auch Schwarz-/Weißdenken bei mir dahinter und Verlustängste.

Konkrete Tipps hab ich nicht, aber wahrscheinlich wärs wie bei anderen Zwängen: u. a. Akzeptanz.
In diesem Fall, dass es in der Vergangenheit war und somit nun mal geschehen ist. Auch darauf zu vertrauen, dass deswegen nicht gleich Beziehungen zerbrechen. In der Klinik hatten wir damals eine wöchentliche Standardübung. Man musste "Pfeile" verteilen. Also andere von der Gruppe mit Situationen der vergangen Woche konfrontieren, die bei einem was Negatives ausgelöst haben. Beispiel: "Wir sind uns am Mittwoch im Gang begegnet und du hast mich nicht begrüßt. Das hat mich in den Moment traurig gemacht. Ich wünsche mir, dass du mich das nächste mal begrüßt." (Situation, Gefühl, Wunsch)
Der "Beschuldigte" musste dann dann das wiederholen und musste es stehen lassen, durfte es nicht kommentieren. Dies wäre laut Regeln erst nach 24 h im Zweiergespräch erlaubt gewesen.

Hintergrund der Übung war: Zum einen auf die eigenen (kleinen Alltags-) Bedürfnisse zu achten. Und andererseits Kritik an anderen üben und zu sehen, dass dadurch die Beziehung untereinander nicht leiden muss. Und auch, dass man selbst Kritik ausgesetzt ist und lernt, diese auszuhalten - dass man merkt, dass man auch fehlbar sein darf. Denn ... man musste die Kritik ja nicht für sich persönlich annehmen und es stand einem frei, dem Wunsch des anderen zu folgen.

Die Übung war alles andere als beliebt und oft wurden Kritikpunkte zwanghaft ( ;) ) gesucht. Wurden nicht von jedem min. 2 Kritiken verteilt, wurde auch der Rest der Gruppenstunde abgebrochen.
Auch ich mochte die Übung ganz und gar nicht. Aber ... so ganz verkehrt war sie im Rückblick nicht. Und greift ja eigentlich genau das Thema dieser "real event ocd" mit an.
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SHG
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Äußere Kritiker

Beitrag von SHG »

An Selbst-/Fremdkritik mangelt es meiner Erfahrung nach Zwangserkrankten ja kaum. Aber kann schon mal Sinn machen, das auch so bewusst zu machen. Haben die Therapeuten eh auch die Chance genutzt da mitzumachen.. :arrow:
Termicas
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Re: Real Event OCD

Beitrag von Termicas »

Ja schwierig. In meinem Fall ist es ja auch so, dass wenn jemand das Erlebt was mir den Kopf macht, ich finde dass es keine Rolle spielt.

Der Anspruch und die Angst davon abzuweichen ist an mich selbst viel höher als an andere.
Vielleicht auch einfach nur weil ich es so oft durchdacht und die Bahnen sich eingefahren haben.
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michael_m
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Re: Real Event OCD

Beitrag von michael_m »

Das ist aber ein bekanntes Phänomen. Also dass man an sich selbst höhere Ansprüche hat, als an die Außenwelt. Geht mir auch so. Verzeih anderen viel mehr, als ich mir selbst verzeihen könnte.
ChristianOCD
Beiträge: 35
Registriert: Mo 27. Dez 2021, 17:34

Re: Real Event OCD

Beitrag von ChristianOCD »

Hier gibt es einen sehr guten Beitrag zu Real Event OCD. Ich finde die ganze Seite übrigens großartig. Mein Englisch ist relativ begrenzt, für diejenigen, denen es auch so geht - zumindest Android übersetzt das ziemlich gut.

https://www.turningpointpsychology.ca/b ... format=amp
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