extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

hildebrandur
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Registriert: So 21. Jul 2024, 13:49

extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von hildebrandur »

Liebe Community,
ich leide seit einem Jahr urplötzlich an folgenden "Zwang". Ich gehe nach Konversationen/sozialen Zusammenkünften etc. die vorangegangenen Kommunikationen im Geiste durch und suche sie nach Stellen durch, an denen ich mich womöglich falsch ausgedrückt habe. Das geht oft soweit, dass ich beginne Smilieys, die ich in whatsApp-Nachrichten gesetzt habe, auf möglicherweise andere Interpretationsmöglichkeiten zu untersuchen. So wird ein freundlicher Lachsmiley in meinen Gedanken zu einem "Auslachsmiley uminterpretiert. Teils scanne ich meine Worte schon während der Konversation und verfalle in innerliche Panik. Ich komme dann immer zum Ergebnis, dass ich den Gesprächspartner brüskiert habe. Ich grüble dann an dieser Situation ununterbrochen fast den ganzen Tag ohne Unterbrechung. Dieser Grübelfall schwingt sich dann in meiner Vorstellung zu einer "lebensbedrohlichen Belastung" auf. Ich sehe dann auch die Gesichter der Betroffenen immer vor mir und dies löst ein extrem unangenehmes Gefühl im Magen aus, löst teils Ekel aufs, ich entwickle dann eine Art Hass auf den Anderen, stemple ihn zum Schuldigen meines Grübelzwanges, was mich noch mehr fertig macht.

Teils habe ich dann durch Rückversicherung (Anruf unter Vorwand beim entsprechenden Freund, um zu horchen, ob alles o.k. ist) versucht die Qual zu lindern. Leider führen diese Rückversicherungen zu noch stärkeren Zwangsgrübeln, nämlich darüber, ob der Freund sich im Rückversicherungsanruf verstellt haben könnte. Dieser, eben noch als lebensbedrohlich empfundener "Grübel-Fall" verschwindet dann seltsamerweise komplett, wenn ein neuer Fall eintritt, der den Platz des aktuellen Fall zu 100% einnimmt. Dennoch können auch die alten Fälle durch Herumgrübeln wieder auf die Tagesordnung kommen. Es wie ein Glücksrad, das ich gedanklich drehe und mir willkürlich Grübelfälle ( alte und neue) beschert.

Was mir auch Angst macht, dass ich wenn ich morgens aufstehe , manchmal sogar in den ersten Minuten an nichts denke und dann aktiv suche, was der Grübelgedanke von gestern war und dann wieder einsteige in den Wahnsinn des Vortages.

Ich habe gelesen, dass der Zwangsgedanke einschießt und man ihn nicht blocken soll und der darauf einsetzende Grübelzwang aber gestoppt werden soll. Auf der anderen Seite ist Exposition mit Reaktionsverhinderung der Goldstandard. Bzgl. Reaktionverhinderung bin ich auf einem guten Wege und vermeide sämtliche Rückversicherungen.

Meine Frage: Wie kann in meinem Fall beispielhaft eine Exposition aussehen? Für Antworten bin ich dankbar und auch ob es hier im Forum User gibt, die unter dem gleichen Grübelzwang (soziale Begegnungen) leiden:

Ich muss dazusagen, dass ich zuvor niemals auch nur ansatzweise diese Problem hatte. Ich haben in vielen whatsApp Gruppen mitgemischt und auch meine Meinungen klar und ohne Angst vertreten. Gegenwind hat mich nie aus der Ruhe gebracht und noch kämpferischer gemacht.
Bis plötzlich wie aus dem Nichts erstmals vor einem Jahr ein solcher Gedanke in mich einschoss und von mir Besitz ergriff. Jetzt stehe ich da wie ein Häuflein Elend, das Angst hat mit anderen Menschen zu kommunizieren.

LG hildebrandur
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michael_m
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von michael_m »

Hallo hildebrandur,

ich kenne es in milderer Form bei mir. Ich grübel sehr oft über Gespräche oder auch Chats. Auch, ob ich vielleicht was gesagt/geschrieben habe, was falsch verstanden worden sein könnte. Oder ob ich mit einem Scherz - der wirklich nur als Scherz in dem Moment gedacht war - die andere Person verletzt haben könnte. Ob ich mit meinem Verhalten die andere Person verletzt habe, usw.

Ganz so stark wie bei dir scheint es bei mir nicht zu sein. Auch hat in der Psychiatrie die Oberärztin (bzgl. THS-Einstellung) ins Feld geworfen, ob das bei mir nicht eher eine Soziale Phobie sei. Denn das wären wohl auch Symptome die bei dieser Erkrankung bekannt sind. Sie hat aber die Diagnose nicht gestellt - sie hat es im Arztbrief als sinnvoll beschrieben, das ambulant abklären zu lassen.

hildebrandur hat geschrieben: So 21. Jul 2024, 14:39 Meine Frage: Wie kann in meinem Fall beispielhaft eine Exposition aussehen?
Ähm ja, die Expo stelle ich mir im Prinzip hier ganz einfach vor. ;)

Du drückst dich bewusst in Gesprächen/Chats missverständlich aus. Also genau das was du ja befürchtest.
Die Kunst dabei ist hier dann wohl eher, dass du nicht überschießt, aber trotzdem genug Anspannung erzeugst. Sprich - dein Umfeld jetzt bewusst zu kränken etc. kann auch in die Hose gehen. Es ihnen vorher zu sagen, dass es eine Übung ist, ist zwar möglich - aber ... das nimmt natürlich der Expo auch ordentlich die Schärfe. Aber ... wäre wohl immerhin noch besser, als gar keine Expo. Bzw. vielleicht ja zum Vortasten für die Expo gut.

Vielleicht gibt es auch Alltagssituationen mit Personen, die du nicht tagtäglich um dich hast. Vielleicht Verkäufer*innen etc.?

Es verlangt (und hofft :)) ja keiner, dass du dauerhaft dann so mit anderen umgehst. Aber als Übung könnte es hilfreich sein.

In der Psychosomatik hab ich Coffee to Go in der Stadt dort vor Ort bestellt - ohne Geld dabei zu haben. Ging zwar eher in interpersonelle Übung, aber war auch ein Horror für mich. Hab dabei dann so getan, als ob ich kein Geld dabei hatte (hatte auch nur wenig Geld fürs Tanken dabei - war die nächste Expo/Flooding-Übung). Im Endeffekt gabs entsetzte Gesichter, viel Gespräch in italienisch bei den Angestellten - aber am Ende den Kaffee sogar geschenkt. Was ja fast noch schwieriger für mich war. :shock: Geärgert hatte ich mich zum Schluss, dass ich extra ohne Zucker bestellt hatte - weil ich dachte, dann können die den noch besser weiterverwenden. Die Co-Therapeutin hätte mich ja nochmal wegen des Zuckers dann reingeschickt - das war mir dann aber doch too much. :lol:
hildebrandur
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von hildebrandur »

Danke Michael für deine Antwort.

Ja, da wäre ich gar nicht selbst drauf gekommen, dass so die Exposition aussehen kann. Werde mich an deinen Vorschlag vorsichtig herantasten.

Sozialphobie liegt in meinem Fall nicht vor; ich wechsele nicht die Straßenseite, wenn ich Bekannte erspähe und ich habe keine Probleme auf Menschen zuzugehen und in eine Unterhaltung einzusteigen. Das massive Problem entsteht dann erst während der Unterhaltung, wenn ich das Gesagte gedanklich zeitgleich abprüfe (und mir dann die Unterhaltung unangenehm wird) und ganz extrem nach der Interaktion, wenn ich zu Hause über jeden Halbsatz anfange zu grübeln.
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michael_m
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von michael_m »

Habs etwas von meiner damaligen Übung abgewandelt, bzgl. Texte verschicken. Kontrolliere die auch sehr oft...
Die Co-Therapeutin meinte, ich solle doch absichtlich mal Fehler einbauen bzw. Fehler drin lassen. Und auch mal gucken, ob es den Leuten überhaupt auffällt.

Wobei, wenn ich so zurückdenke... hab da eigentlich mehr Probleme, dass etwas ungewollt veröffentlicht wird, wie z. B. ein Passwort, dass noch in der Zwischenablage ist etc. Wenn ich so zurückdenke, war ich wahrscheinlich damals froh, dass die Co-Therapeutin die Rechtschreibfehler erwähnt hat. War aber da rückblickend wohl nicht genug ehrlich zu mir...

Soziale Phobie hat mein Psychiater jetzt auch nicht bei mir gesehen. Die eine Therapeutin in der Probatorik hat es auch eher verneint. Aber... wollte es trotzdem mal hier erwähnen, denn ja, da überschneiden sich mal wieder die Symptome zwischen den Krankheiten.
hildebrandur
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von hildebrandur »

Wie meinst du das mit der Veröffentlichung eines Passwortes in der Zwischenablage?

Was ich noch vergessen hatte zu schreiben ist, dass ich panische Angst davor habe in whatsApp Nachrichten oder Artikel in den falschen Chat zu posten. Ich kontrolliere daher whatsApp immer wieder im Hinblick darauf, dass alles seine Richtigkeit hat. Oft muss ich abends das Handy, das ich gerade kontrolliert habe und ausgemacht habe, nochmals anmachen und nochmal checken. Teils wache ich auch nachts auf und wiederhole diesen Prozess.
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michael_m
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von michael_m »

Geht nicht nur um Passwörter, auch um Bankverbindungen, Telefonnummern, Anschriften etc. die vielleicht noch in der Zwischenablage sind. Hab mir angewöhnt, die Zwischenablage so oft es geht zu "überschreiben" mit Unwichtigem.

Ja, das Schreiben in den falschen Chat bzw. an die falsche Person - die Angst kenn ich auch. Kontrolliere da oft im Bett auch noch die Chats vom Tage... Nicht zwingend panisch - aber doch schon zwanghaft. Und irgendwo irrational - denn, wenns mal gesendet ist, geht es ja nur unter bestimmten Bedingungen, das wieder zurückzuholen - wenn überhaupt.
Besonders schlimm, wenn es um andere Personen im Chat-Gespräch geht. Da sagt der Zwang, dass ich es versehentlich der Person vielleicht geschickt habe...
El_Loco
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von El_Loco »

hildebrandur hat geschrieben: So 21. Jul 2024, 14:39Bis plötzlich wie aus dem Nichts erstmals vor einem Jahr ein solcher Gedanke in mich einschoss und von mir Besitz ergriff.
Sicher? Einfach so plötzlich? Meistens gibt es schon einen Auslöser. Wie alt bist du denn?

Absichtlich Fehler in Chats einbauen würde ich nicht. Das fühlt sich dann auch nur schräg und unnatürlich an.
Ich würde eher folgendes tun: Einfach konsequent mit eigener Willenskraft dem Drang widerstehen zu Grübeln und Rückversicherungen einzuholen.

Wie ist diese Vorstellung für dich? Zu schwer das auszuhalten? Aber genau da musst du ansetzen.
hildebrandur
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von hildebrandur »

Vielleicht nicht aus dem Nichts. Es begann, wenn hier ein Zusammenhang besteht, mit nächtlichen Panikattacken, Panik zu ersticken. Vor Angst habe ich nachts 4-5 mal duschen müssen. Danach folgten die Zwangsgedanken und die Panikattacken wurden weniger.

Ja, ich schaffe es Rückversicherung zu vermeiden. Das geht. Dennoch kann ich die Grübelei nicht stoppen, weil die dahinterstehenden Zwangsgedanken ununterbrochen ohne Pause hochkommen. Selbst wenn ich das Grübeln stoppe kann, kommt sofort der Zwangsgedanke wieder. In solchen Dauerfrequenz, dass ich schon Ekel empfinde und permanent Magenschmerzen habe.
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michael_m
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von michael_m »

Gedanken zu stoppen ist auch sehr schwierig - man denke an den berühmt berüchtigten rosa Elefanten...

Es wird inzwischen oft geraten, dass man sich aufs Außen konzentriert - also Richtung Achtsamkeit. Sei es die Atmung, sei es das konkrete Spüren, wo man die Berührung des Körpers auf dem Stuhl bzw. der Füße auf dem Boden spürt etc.

Andere Vorgehensweise ist, dass man sich die Gedanken wie Wolken oder Luftballons etc. vorstellt und innerlich "beobachtet", wie diese wegziehen.
El_Loco
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Re: extremer Grübelzwang über soziale Kommunikationen

Beitrag von El_Loco »

hildebrandur hat geschrieben: Di 23. Jul 2024, 22:46 Vielleicht nicht aus dem Nichts. Es begann, wenn hier ein Zusammenhang besteht, mit nächtlichen Panikattacken, Panik zu ersticken.
Und auch das kommt nicht einfach so aus dem Nichts. In der Regel ist es Stress, eine stressige Lebenssituation.
michael_m hat geschrieben: Di 23. Jul 2024, 22:50 Gedanken zu stoppen ist auch sehr schwierig
Da führt kein Weg dran vorbei. Schwierig ja, aber anders geht es nicht. Übung Übung Übung.
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