Trauer nach überstandener Zwangsepisode

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Maja
Beiträge: 3
Registriert: Mo 26. Aug 2024, 16:21

Trauer nach überstandener Zwangsepisode

Beitrag von Maja »

Hallo,

ich bin schon länger stiller Mitleser und möchte nun auch einmal ein Thema aufbringen, das mich zur Zeit sehr beschäftigt:
Kennt ihr das Gefühl von Trauer, wenn ihr aus einer akuten und schlimmen Zwangsepisode kommt und realisiert, wie viel Zeit und Energie ihr durch die Erkrankung verloren habt? Bzw. was wäre eurer Erfahrung nach der beste Umgang mit dieser Trauer und Reue?

Wenn ich mich in einer Zwangsphase befinde, dann zählt nichts Anderes mehr für mich. Es gibt nur noch den Zwang bzw. das jeweilige Zwangsthema, das gerade aktuell ist. Meine ganze Welt dreht sich nur noch um dieses eine Problem, das unbedingt gelöst werden muss. Das restliche Leben läuft nur noch nebenher.

Wenn ich dann wieder ein bisschen Abstand gewinne, bin ich erschrocken und tieftraurig darüber, wie sehr ich mein Leben vernachlässigt habe. Ich habe schon viele Freundschaften verloren, Hobbys aufgegeben, berufliche Chancen verpasst, etc. weil ich so sehr in meinem Zwang gefangen war, dass mich nichts anderes mehr interessiert hat bzw. keine Energie für irgendetwas sonst übrig war.
Also schlittere ich sozusagen vom Zwangstief direkt in eine depressive Verstimmung, die der Nährboden für den nächsten Zwang ist...
Es ist ein recht ermüdender Kreislauf, aber ich habe noch nicht so wirklich den Weg für mich gefunden, da raus zu finden.

Vielleicht geht es dem einen oder anderen ja ähnlich?
El_Loco
Beiträge: 42
Registriert: Di 23. Jul 2024, 18:06

Re: Trauer nach überstandener Zwangsepisode

Beitrag von El_Loco »

Maja hat geschrieben: Mi 28. Aug 2024, 18:24 Vielleicht geht es dem einen oder anderen ja ähnlich?
Die Frage sollte vielmehr sein: Welche möglichen Lösungen siehst du in deiner Situation?

Es bringt dir nichts, wenn du nur nach Leidensgenossen suchst, aber nicht gezielt nach Lösungen für dein Leid suchst.
Jessi
Beiträge: 313
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Trauer nach überstandener Zwangsepisode

Beitrag von Jessi »

Hey!

Ich finde zwar auch, dass man den Fokus definitiv auf die Lösungsmöglichkeiten legen sollte, dennoch bin ich der Meinung dass man von Leidensgenossen viel lernen kann und damit die Frage völlig legitim ist.
Auch wenn keiner von uns jemandem einen Zwang wünscht bzw das Leid, welches wir durchmachen, ist es doch so, dass wir uns alle nicht alleine damit fühlen wollen und nach Gleichgesinnten suchen. ;)

Mir geht es jedenfalls ähnlich. Sobald ich etwas Abstand zum Zwang bekomme, fällt mir auf wie viel ich in meinem Leben schon verpasst habe, nur aufgrund der Ängste. Allerdings gehe ich da mittlerweile empathischer mit mir um. Ich gehe solche Dinge mittlerweile als Expositionen ein. Falls es mir aber zu viel Energie abverlangt, sage ich mir, dass ich es heute einfach nicht kann und auch keinen Spaß an den Dingen hätte, das ist dann einfach so und für mich mittlerweile auch in Ordnung. Natürlich finde ich es nach wie vor traurig wenn ich mir vor Augen halte was andere in meinem Alter bereits erlebt haben, doch andererseits habe ich auch einiges erlebt, was andere nicht getan haben. Und ich glaube da liegt der Schlüssel, denn wir verlieren die Fähigkeit das zu erkennen, was wir geschafft haben und fokussieren uns lieber darauf, was uns der Zwang genommen hat.
Außerdem fällt mir diesbezüglich ein, dass man sich gerne in bestimmte Schubladen stecken möchte. Es gibt schließlich auch Menschen, die zb nicht viel feiern möchten, die keine großen Karriereleitern erklimmen wollen, etc. Das ist für diese Menschen auch in Ordnung. Wir vergleichen uns in solchen Situationen aber vermutlich mit der breiten Masse, was als Gesellschaft als "normal" gilt und auf uns eventuell gar nicht zutrifft.

Mich triggert diese "Ruhe" nach einer schlimmen Zwangsphase irgendwie. Ich rutsche demnach eher in Trauer und Grübeln, was den Zwang immer wieder erneut anstößt. Ich versuche mich täglich daran den Kreislauf zu durchbrechen aber ich merke, dass sobald der Punkt erreicht ist wo die Ängste nachlassen, ich automatisch in die emotionale Beweisführung rutsche und damit den Zwangskreislauf wieder neu starte. Das ist auch sehr frustrierend und kräftezehrend.
Wie gehst du/geht ihr damit um?

LG Jessi
Maja
Beiträge: 3
Registriert: Mo 26. Aug 2024, 16:21

Re: Trauer nach überstandener Zwangsepisode

Beitrag von Maja »

Hallo,

@ Jessi: mir geht es da ähnlich wie dir - mir hilft es enorm, zu sehen wie andere Betroffenen mit der Erkrankung umgehen, welche Ideen und Lösungsansätze sie haben. Und gleichzeitig finde ich es auch einfach irgendwie tröstlich zu wissen, dass man nicht allein ist mit diesen wirren Gedanken.

Aber es stimmt schon - natürlich nimmt uns das nicht die Notwendigkeit ab, auch selber aktiv zu werden.

Ich bin aktuell gerade dabei, einen für mich stimmigen Umgang mit der Trauer und Resignation nach diesen Zwangsphasen zu finden.
Früher habe ich in zwangsfreien Phasen fast panisch versucht, alles nachzuholen, was ich dachte, verpasst zu haben. Das war dann auch schon wieder irgendwie zwanghaft :D Dadurch habe ich mich natürlich komplett überfordert und das ging nie lange gut.
Jetzt versuche ich, den traurigen Gefühlen ihren Raum zu lassen, ohne dadurch komplett in Resignation zu versinken. Sprich, ich gestehe mir zu, mich schlecht, erschöpft oder müde zu fühlen. Aber ich versuche trotzdem, Dinge zu tun, die mir guttun. Sei es ein Abend mit Freunden oder eine Runde Sport.

Die Idee, das Ganze als eine Art Exposition zu sehen, gefällt mir sehr gut. Das Gefühl, so viel verloren zu haben, einfach stehen zu lassen, ohne darüber nachzugrübeln, ohne auf zwanghaft Weise zu versuchen, es loszuwerden....
Und manchmal frage ich mich auch, ob ich dem Zwang nicht auch ein wenig zu viel Macht gebe, indem ich automatisch davon ausgehe, dass mein Leben ganz anders und viel besser verlaufen wäre, hätte ich keine Zwänge. Im Grunde weis ich, dass kein Leben perfekt ist. Auch ohne Zwänge gibt es schwierige Momente und Niederschläge. Freundschaften können auch einfach so im Laufe der Zeit auseinander gehen, manchmal bekommt man einen besseren Job nicht, weil es zu viele andere Bewerber gibt oder weil man im Grunde gar kein "Karrieremensch" ist usw.

Natürlich ist all dies leichter gesagt als getan und kostet immens Energie.

viele Grüße
Maja
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