Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Guessel
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Guessel »

Hey!

Ich hatte heute mal versucht etwas unter Leute zu kommen, aber es scheint momentan einfach keinen Sinn zu machen.
Meine Cousine und ich waren auf den Geburtstag einer Freundin von ihr eingeladen und hatten uns vorher in der Stadt getroffen. Der Weg in die Stadt ging noch, da hatte ich meine Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung auf. Aber in der Stadt ohne war es schlimm. Es waren so viele Geräusche, Menschen, Autos und ich habe wieder in allem Schreie und Hilferufe gehört. Ich bin dem dann nicht oft nachgegangen, gerade als wir dann zu zweit waren, aber ich hab es ständig erlebt. Dazu kamen noch Zwangsgedanken.
Also ich fühlte mich wirklich wieder, als ob ich aus der Realität abdrifte, denn sie hört die gleichen Dinge ja nicht. Ich weiß nicht, ob das nicht doch schon psychotisch ist, aber ich höre keine Stimmen, die mit mir sprechen. Nur ständig diese Fehlinterpretationen. Es ist wirklich, als ob ich verrückt werde.
Auf der Feier konnte ich mich dann auch nicht amüsieren, war negativ, mochte mich selbst nicht. Es waren auch alle 10 Jahre jünger als ich. Ich bin dann irgendwann gegangen. Ich hasse es, wenn ich auf Feiern negativ bin, aber es ist momentan einfach so.
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Tim
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Tim »

Hallo Guessel.

Ich denke du bewertest Dich zu negativ. :(
natürlich kenne ich dich 0. Doch bisher was Du so schreibst klingt das oft so.
Entspricht ja auch deiner Wertvorstellung dass du nur wenn du alles 100% richtig machst gut genug bist.
Ich persönlich glaube nicht daß du psychotisch wirst.

ich war heute eben so mal in der Innestadt. Das ist für mich immer ein sehr kritischer Bereich weil dort
die Chance sehr groß ist dass ich dort Leute sehe ich NICHT sehen will.
Gerade in so Einkaufs-Straßen.
Ich habe dann mal kurz an Dich gedacht und auf die Geräusche bewusst geachtet.
Kein Wunder daß du Da oft falsch positive Hilfe Rufe etc. wahr nimmst.
Schon für mich als jemand der nicht auf sowas achtet ist das bei etwas mehr "Hinhören" öfter hier und da "komisch".

Verauche mal auf etwas bestimmtes zu Achten unterwegs. zB. Leute mit Hüten. Dur wirst dich wundern wie viele Leute Hüte auf haben auf einmal.
Wenn man nur nach etwas sucht findet man das auch leichter.
Und wenn man sich nur lange genug einredet man wäre dies oder jenes ....

Ich versuche mir schon seit ner Weile einzureden wie "toll" ich doch bin.
Anstelle mir ständig durch das sog. Introjekt sagen zu lassen was ich alles
nicht kann, falsch mache, faul bin oder egoistisch mache, sage ich mir lieber was ich doch für ein einfühlsamer Mensch bin.
Der es verdient hat unter nette Leute zu kommen.

Das fühlt sich anfänglich komisch an aber sich beschimpfen nutzt gar nichts.

Evtl. solltest du versuchen das was schön war trotz der negativen Dinge zu würdigen.
Z.B. dass du unter Leuten warst. Vielleicht wilde Tiere gesehen hast oder eine schöne Blume etc.

Das Gefühl mit dem Älter sein kenne ich eben so gut.
Bei dem Uni Sport wo ich gerne hingehe bin ich mit meinen 44 Jahren schon doppelt so alt wie die meisten Studenten.
Das merkt man schon oft...

In dem Alter finde ich es schwer mit neuen Leuten in einem ähnlichen Alter in Kontakt zu kommen.
Was Nicht Online anbelangt ..
Schöne Grüße

Tim
Guessel
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Guessel »

Hi!

Ja, ich sehe mich selbst zu negativ. Das steckt sehr in mir drin. Es ist schon etwas besser geworden und ich beschäftige mich auch viel damit, das zu ändern, aber momentan habe ich wieder eine Phase, in der ich sehr mit mir hadere. Ich glaube momentan ist meine Depression auch wieder ausgeprägter. Ich habe das letztens sehr gemerkt, als ich mit meiner Cousine und ihrer Freundin im Voicechat war und wir online ein recht langatmiges Brettspiel gespielt haben und die sich über ihre Tinderbekanntschaften ausgetauscht haben. Das hat mich so runtergezogen, dass ich am liebsten aus dem Chat gegangen wäre. Da habe ich mich wieder sehr einsam und auch ungerecht behandelt gefühlt, weil die Frauen es da gefühlt so viel leichter haben. Und auf der Feier war es ähnlich. Das kann ich momentan einfach nicht abstellen, auch wenn ich es gern würde. Ich könnte momentan auch gar keine Beziehung führen, dazu sind meine Zwänge einfach zu dominant, aber ich sehne mich dennoch nach Nähe und ja auch nach körperlichem. In der Klinik hatte ich eine Frau kennengelernt und es war kurz wirklich schön, aber dann war die auch weg. Darunter leide ich manchmal immer noch. Ich glaube Einsamkeit ist auch eine sehr treibende Kraft hinter meinen Zwängen.

Ich find es auch sehr schwer Leute in meinem Alter (41) kennenzulernen. Gefühlt ist alles für Junge oder sehr Alte. Als ich das noch konnte bin ich abends immer mal zu einem Spieleabend gegangen, aber da waren fast nur Student*innen. Beim Sport bin ich nie mit Leuten in Kontakt gekommen. Ich bin halt auch doch sehr introvertiert. Momentan kann ich ja kaum in die Stadt gehen, aber auch wenn das ginge, hätte ich da für mich keinen Plan.
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Tim
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Tim »

Hallo Guessel.

Ja in dem Alter ist es wirklich schwer. Die meisten Leute haben dann eben Kinder oder haben sich evtl. gerade getrennt.
Meinte neulich meine Therapeutin.

Ich habe da auch keine Idee...
:|
Ich werde mich jedenfalls nicht auf irgendwelchen Online Platformen anmelden.

Bei uns gibt es so einen Ort für menschen Die in irgendeiner Weise Hilfe brauchen.
z.B Menschen die Hochsensibel sind. Aber auch für Menschen mit Ängsten.
Vielleicht gibt es das bei Euch auch?

Spieleabende finde ich persönlich auch gut.
Wenn die Atmosphäre passt.
Oder was Ehrenamtlich machen wenn es geht.

Beste Grüße
Tim
Guessel
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Guessel »

Hallo!

Ich habe mich jetzt lange nicht mehr gemeldet, da ich etwas Abstand brauchte.

In der Zwischenzeit hatte ich einen 12-wöchigen Klinikaufenthalt. Von der Zeit habe ich etwa 9 Wochen fast jeden Tag draußen Expositionen gemacht. War auf Parkplätzen, an Straßen in der Stadt. Dabei habe ich mir immer sagen müssen, dass in einem der Autos ein entführtes Kind ist und ich Schuld daran bin, was mit ihm passieren wird. Auch nach schlimmen Situationen musste ich mir das mindestens 5 Minuten aufsagen. Flooding nennt sich das wohl. Und ich habe Besserung verspürt. Als ich noch in der Klinik war und etwas noch zuhause. Aber je weiter der Aufenthalt in die Ferne rückt, desto schlimmer werden die Zwänge wieder. Die Expos schaffe ich nicht mehr. Ich sehe einfach zu schnell zu viel in den Autos und kann dann nicht immer weggehen. Meine ambulante Therapie hilft mir immer noch nicht dabei, sie macht die Zwänge eher stärker, weil sie mich aufwühlt. Ich traue mich aber noch nicht sie abzubrechen, weil ich dann gar nichts mehr habe und immer noch hoffe, dass sie langfristig was bringt. Ich werde sie aber für den nächsten Klinikaufenthalt so oder so abbrechen müssen. Nochmal wird mein Therapeut mir den Platz nicht freihalten.
Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll. Ich habe in der Klinik so gekämpft. Viel mehr hätte ich nicht machen können. Aber es ist kaum besser. Meine Wiedereingliederung musste verlängert werden und vielleicht muss ich sie abbrechen. Ich werde einfach nicht stabiler. Und nirgends bekommt man irgendwie Hilfe, außer man kann es selbst bezahlen. Mein Psychiater überlegt schon, mich in die örtliche Klinik einzuweisen, weil er auch nicht mehr weiter weiß. Aber er sagt auch selbst, dass es dort niemanden gibt, der auf Zwänge spezialisiert ist und ich da wahrscheinlich nur rumsitzen würde. Ich komme einfach nicht dahin, dass ich die Schuldgefühle annehmen und zulassen kann. Das sollte ich tun. Aber alles in mir will nur, dass die weggehen.
Lola76
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Lola76 »

Hallo Guessel,
Das tut mir wirklich sehr leid zu hören und bestätigt wieder, dass eine Zwangserkrankung sehr komplex und schwierig zu behandeln sind und es wenige Behandlungsoptionen neben Verhaltenstherapie und SSRIs gibt. Wenn diese kaum oder wenig wirken, kann man noch TMS ausprobieren, wobei mir die Effektivität bei Zwängen nicht bekannt ist, wird aber an Kliniken angeboten oder die chirurgischen Verfahren tiefe Hirnstimulation oder Ablation, die mir persönlich aktuell noch sehr invasiv vorkommen, aber man kann die Entwicklungen abwarten, wenn es einen interessiert. Mir sind sonst keine Behandlungsoptionen bekannt.
Heinz_Hilbig
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Heinz_Hilbig »

Hallo Guessel,

Guessel hat geschrieben: Mo 13. Okt 2025, 20:35 Ich komme einfach nicht dahin, dass ich die Schuldgefühle annehmen und zulassen kann. Das sollte ich tun. Aber alles in mir will nur, dass die weggehen.
Nachvollziehbar. Das wird von alleine für gewöhnlich jedoch nicht passieren...
Hast du in deinen Therapien auch mal erarbeitet, woher diese Schuldgefühle stammen. Was ihr Urspung ist ? Und hast du dazu dementspechende Übungen gemacht, die Verantwortung wieder dorthin zurück zu geben, wo sie eigentlich hingehört(e) ?

Und hast du es schon mal mit EMDR und oder Hypnotherapie probiert ?

Herzliche Grüsse
Heinz
Heinz_Hilbig
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Heinz_Hilbig »

Hallo Lola,
Lola76 hat geschrieben: Mo 13. Okt 2025, 21:38 Mir sind sonst keine Behandlungsoptionen bekannt.
Na, die Option welche du hättest, vor der flüchtest du ja bisher recht zuverlässig... :lol:
Lola76
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Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Lola76 »

Das stimmt wirklich nicht, ich habe sehr viel gewagt, sehr viele Expositionen und Therapie gemacht.
Ich finde das nicht richtig.
Lola76
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Registriert: Mi 23. Okt 2024, 13:53

Re: Zwang: Hilferufe, Menschen in Not

Beitrag von Lola76 »

Mir ist ja bekannt, woher meine Krankheitsängste kommen, sie wurden mir in der Kindheit vorgelebt. Ich habe ein hohes Bedürfnis bach Sicherheit, was Krankheiten anbelangt, leider.
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