[Coronavirus]

Ulrike
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Re: [Coronavirus]

Beitrag von Ulrike »

Hallo,

Ich habe im Internet gelesen, dass es jetzt eine neue Impfverordnung gibt. (Quelle: www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/impfverordnung)

Demzufolge sind jetzt Menschen mit schweren psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere mit bipolaren Störungen, Schizophrenien und schweren Depressionen , der Impfgruppe 2 zuzuordnen.

Es handelt sich in der neuen Impfverordnung bei der Nennung der Erkrankungen nicht um eine abschließende Nennung, da das Wort "insbesondere" genutzt wird. So, dass ich denke, dass Menschen mit schweren Zwangserkrankungen jetzt doch die Chance haben, nicht so lange auf eine Impfung warten zu müssen. Gerade diejenigen, die mit starken Kontaminationsängsten zu tun haben.

@ liebe Antonia:
Du hattest, nachdem die Frage einer möglichen Unterstützung durch den wissenschaftlichen Beirat im Forum thematisiert wurde , Folgendes geantwortet:

"Ich verstehe, dass es für Dich, euch nur schwer nachzuvollziehen ist. Es geht uns allen, die wir an Zwängen leiden, nicht gut. Mir auch nicht.
Ich habe den Wunsch, Zwangserkrankte eher, zu impfen, im wissenschaftlichen Beirat unseres Vereins diskutiert. Die Regierung meint, dass Menschen mit körperlichen, Chronischen Erkrankungen und Alters bedingt, zuerst geimpft werden müssen. Gegen dieses Argument können wir nichts fundiertes vortragen. Ich weiß, dass es für Menschen mit Zwängen schwer nachvollziehbar- und zu ertragen ist, zumal es ja auch noch an ausreichend Impfstoff mangelt. Wenn denn genügend Impfstoff zur Verfügung steht, kann man versuchen, als psychisch Erkrankter eher einen Impftermin zu bekommen"


Ich hatte damals auf Deine Antwort auch reagiert und Verständnis für die Haltung des wissenschaftlichen Beirates signalisiert. Nun hat sich die Grundsituation durch die neue Impfverordnung meiner Auffassung nach verändert. Die Frage wäre, ob es jetzt nicht vielleicht doch eine Unterstützung im Sinne einer Stellungnahme durch die DZE geben könnte, dass auch schwere Zwangserkrankungen, mit Kontaminationsängsten bzw. Ängsten der Ansteckung über Aerosole , im Sinne der neuen Impfverordnung mit zu berücksichtigen sind.

Das würde Betroffenen sehr helfen, wenn sie sich um eine entsprechende Vorlage bei ihrem behandelndem Arzt kümmern müssen, um dann im zweiten Schritt einen Impftermin vereinbaren zu können.

Vielleicht könnte das Thema unter den neuen Bedingungen noch einmal in der DGZ aufgegriffen werden?

Danke für all Dein persönliches Engagement Antonia, das Thema der Pandemie immer wieder in der DGZ einzubringen. Das weiß ich sehr zu schätzen, unabhängig davon , ob das konkrete Impfthema noch einmal aufgegriffen wird oder nicht.

Viele Grüße
Ulrike
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SHG
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SGZ zu Exposition

Beitrag von SHG »

Ich teile mit euch, was Prof. Michael Rufer bei der Jahrestagung der SGZ auf die Frage nach Exposition bei Waschzwängen in der Corona-Zeit geantwortet hat: "Es gibt ganz unterschiedliche Reaktionen von Seiten der Patienten. Manche merken, dass das, was sie immer gemacht haben, in der jetzigen Zeit gar nicht so unsinnig ist, weil es halt durch Corona ein Stück weit auch sinnvoll ist. Es verhindert aber nicht eine Expositionstherapie. Weil, natürlich müssen wir im Moment alle diese Schutzmaßnahmen einhalten - Hände desinfizieren und so weiter, aber das lässt sich erfassen, das lässt sich miteinander besprechen: was ist notwendig und was ist sinnvoll, um sich vor Corona zu schützen. Die Patienten mit Zwangsstörungen, mit Waschzwängen usw., haben häufig doch Symptome, die darüber hinaus gehen - die waschen sich dann nicht 1x sehr gründlich, wie empfohlen, die Hände, sondern gleich 20x und wissen selber, eigentlich ist das zu viel. Und in dem Bereich kann man ja trotzdem Exposition machen. Das heißt, das Ziel kann dann nicht sein, irgendwelche objektiven Risiken einzugehen, sondern die jetzigen Maßnahmen alle zu berücksichtigen und zu schauen, bleiben trotzdem noch Zwänge übrig, die ich dann in der Exposition reduzieren kann, sodass ich wieder das Verhalten zeige, was im Moment alle zeigen. Somit gehen Expositionstherapien nicht alle, muss ich sagen - sie sind zu Teil erschwert, ist gar keine Frage. Es gibt da so einen Bereich, wo ich auch nicht ganz sicher bin, soll man das reinnehmen oder nicht - das entscheiden dann letztlich die Patienten. Aber ich glaube nicht, dass es eine Expositionstherapie bei Zwängen, auch bei Waschzwängen, verhindert. Die Zwänge sind ja per definitionem, das was unsinnig und übertrieben ist und nicht was im Moment sinnvoll ist, aufgrund von Corona."
Zuletzt geändert von SHG am Sa 20. Feb 2021, 10:45, insgesamt 1-mal geändert.
downtherabbithole
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Re: [Coronavirus]

Beitrag von downtherabbithole »

Hallo,

zum Thema psychische Erkrankung und früher geimpft werden: Ich meine gelesen zu haben, dass es psychische Erkarnungen gibt, mit denen man zur Hochrisikogruppe gehört. Ich habe zu Zwangserkrankungen gegoogled aber nichts gefunden.

Wenn es denn aber so ist, dass es sich hierbei darum handelt, dass Menschen die bestimmte psychische Erkankungen haben der Hochrisikogruppe angehören früher geimpft werden, dann ist es meiner Ansicht nach auch logisch, warum Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen die aber nicht der Hochrisikogruppe angehören nicht früher geimpft werden.

Und dann frage ich mich, so qualvoll die Kontaminationsangst jetzt bestimmt ist, aber wäre nicht eine früher als vorgesehene Impfung auch eine Art dem Zwang Zuspielen? Andere Menschen in meinem Alter müssen schließlich auch auf die Impfung warten.
ABER: Ich frage mich schon die ganze Pandemie lang, was eigentlich Vorrang hat, werde ich als psychisch erkrankter Mensch besonders geschützt oder schaut man danach dass man meine Ängste oder Symptome irgendwie abmildern kann? Denn dann wäre eine Impfung als Schnellhilfe sicherlich sinnvoll.

Dazu: ich habe Kontaminationszwänge und einen Waschzwang (aber nicht bezüglich Viren/Krankheiten). Bei mir haben sich die Zwänge seit Anbeginn der Pandemie enorm verstärkt. Am Anfang konnte ich die Maske ganz schlecht tragen, weil ich Ticks darum entwickelt hatte. Meine Hausärztin hat mir ein nicht ganz so gutes Attest ausgestellt (weil blöd formuliert und weil sie mir quasi keine "Narrenfreiheit" geben wollte, wir befinden uns schließlich in einer Pandemie). Das Attest wurde nirgends akzeptiert. Ich kam mir deswegen ziemlich diskriminiert vor, ich habe allerdings gelesen, dass dies nicht als Diskriminierung gilt weil es um die körperliche Unversehrtheit der anderen geht, oder so ähnlich. Ich habe also um weiterhin zur Arbeit gehen zu können irgendwie einen Weg gefunden die Maske tragen zu können, allerdings nur nach bestimmten Abläufen, das heißt sie ständig auf und Abzusetzen wenn ich aus dem Haus gehe fällt flach. Richtig toll, da man ja mittlerweile in vielen Städten an der frischen Luft eine Maske tragen muss. Insgesamt haben sich meine Waschzwänge allerdings dadurch verstärkt und verschoben, so dass ich in meiner Freizeit fast gar nichts mehr machen kann und zwischendurch enorm erschöpft war. Ich gehe übrigens auch nicht mehr einkaufen, hätte ich keinen Partner, weiß ich gar nicht, wie ich gerade überleben sollte.

Ich fühle mich als Mensch mit Zwangserkrankungen in dieser Pandemie also ziemlich übersehen und kann gut nachvollziehen, wenn Leute mit Kontaminationsängsten gerne mit zu den früher geimpften gehören würden. Weil es nämlich zumindest für einen Teil im Leben in dieser schweren Zeit voraussichtlich Erleichterung verschaffen würde, auch wenn es sicherlich nicht der Weg ist die Zwangserkrankung loszuwerden.

Nun kommen wir aber eben zu dem eigentlichen Problem: keine Therapieplätze, keine Psychiaterplätze und keine Krankenhausplätze und immer mehr Leute die Hilfe brauchen. Das geht echt gar nicht. Nach fast einem jahr habe ich endlich eine Verhaltenstherapeutin gefunden, die probatorischen Sitzungen liefen jetzt seit vor Weihnachten. Jetzt kann ich noch mal 2-6 Wochen auf das Gutheißen der Krankenkasse warten bevor ich mit den eigentlichen Sitzungen beginnen kann. Davor hatte ich 4 Ersttermine bei denen keiner einen Platz anbieten konnte. Ich habe circa 50 Therapeuten antelefoniert oder angeschrieben, nur 1 davon (die noch in der Ausbildung ist) konnte mir kurzfristig einen Platz anbieten, bei drei bin ich auf die Warteliste gesetzte worden, etwa 10 haben mir gesagt ich soll mich an Kollegen wenden und der Rest hat sich gar nicht gemeldet. Ich telefoniere im 6 Wochen Takt Psychiaterinnen in meiner Umgebung ab, die mir jedes Mal sagen oder schon auf dem Anrufbeantworter laufen haben, dass sie keine Patienten mehr aufnehmen (scheinbar ja über Monate hinweg). Freie Arztwahl kann man das übrigens auch nicht mehr nennen, man muss nämlich den Psychiater nehmen, der einen Platz frei hat. Die Kliniken haben mittlerweile Wartezeiten von 4-6 Monaten (es sei denn natürlich man zahlt drauf oder ist Privatpatient). Selbst die Krankenkasse hat dazu gesagt: Das nennt man Systemversagen.

Was ich derweil alles zu hören bekommen habe bezüglich der bürokratischen Angelegenheiten ist wirklich ein schlechter Scherz. Die Psychiaterin will mir keine Überweisung fürs Krankenhaus schreiben, weil wir ja noch nicht alles ausprobiert haben, die Verhaltenstherapeutin wartete darauf, dass ich zuerst in ein Krankenhaus gehe und zur Psychiaterin gehe und Tabletten einnehme, weil dann der Antrag von der Krankenkasse eher bewilligt wird. Bei manchen Krankenhäusern kann man sich selber anmelden, bei den einen reicht die Überweisung vom Hausarzt bei den anderen ist eine vom Psychiater notwendig. Achja und das Zwangserkrankungen sehr individuell sind, da geht auch keiner drauf ein. Man muss des öfteren krank geschrieben sein, weil sonst angeblich die Krankenkassen keinen Klinikaufenthalt ermöglichen, wer nämlich arbeiten geht, ist nicht krank genug.

Ich frag mich seit einem Jahr was das eigentlich für ein System ist. Hat übrigens mal irgendjemand darüber nachgedacht, dass man am Ende dieser ganzen Prozedur und diesem komisch geregeltem Wirrwarr bei dem keiner mehr durchblickt, richtig am Ende ist? Und so lange das so ist, bin ich eben schon der Meinung, dass man auch Zwangserkrankten Erleichterungsmöglichkeiten wie eine frühzeitige Impfung ermöglichen sollte.

Mich würde auch interessieren, ob es anderen eigentlich auch so ergeht oder ergangen ist? Ich frag mich natürlich auch die ganze Zeit ob ich einfach nur Pech habe oder gar ständig etwas falsch mache.
Ich nehme übrigens mittlerweile Tabletten, weswegen meine Stimmung besser ist und ich bin nicht mehr so erschöpft. Aber der Zwang ist deswegen natürlich nicht weggezaubert und ich warte ungeduldig auf die Bestätigung der Krankenkasse.
welltemperedmind
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Re: [Coronavirus]

Beitrag von welltemperedmind »

Mir ging es vermutlich nicht ganz so schlimm, aber ähnlich wie dir. Ich wusste zuerst gar nicht, dass ich unter einer Zwangserkrankung leide, aber ich habe gemerkt, dass mit mir vieles nicht mehr stimmt.

Habe dann auf Anraten des Hausarzt mit relativ wenig Wartezeit eine Vorstellung bei einem Therapeuten bekommen. Dort wurde ich mit Anpassungsstörung diagnostiziert und mit dem Hinweis entlassen, dass man mir keinen Therapieplatz anbieten kann. Später habe ich die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung angerufen und mir ein Erstgespräch innerhalb der verpflichtenden 4 Wochen geben lassen. Wurde mit sozialer Phobie und Panikstörung diagnostiziert und habe den Wisch für die Akutbehandlung bekommen. Den habe ich versucht bei der Kassenärztlichen Vereinigung einzulösen, dort wurde ich dann darauf hingewiesen, dass ich damit nur Anspruch auf einen weiteren Termin bei einem anderen Therapeuten hätte. Ganz ehrlich: Das bringt halt gar nichts, also habe ich das gelassen.

Normale Termine hatte ich natürlich auch versucht zu bekommen, wurde aber immer vertröstet. Mir wurde dann geraten, mich als Selbstzahler bei einem Therapeuten zu melden, der zwar zugelassen ist, aber nicht mit den Krankenkassen abrechnen darf (dafür gibt es lokal begrenzte Lizenzen - das ist noch so eine absurde Geschichte). Habe dann einen Haufen Geld in die Hand genommen und die Therapie privat bezahlt.

Ich bin natürlich sehr enttäuscht vom System. Das ist jetzt auch bereits einige Zeit her und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie die Situation jetzt ist.

Ich kann nur jedem Raten, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, für die Therapie selbst zu zahlen. Es geht hier um die eigene Gesundheit. Ich weiß, es ist viel Geld, aber für 2.000€ bekommt man 20 Stunden Therapie ohne oder mit wenig Wartezeit. Wenn es einem ein Leben lang hilft, ist es den Preis wert (natürlich vorausgesetzt, man findet einen Therapeuten, der in der Lage ist, Zwang zu therapieren - aber ist nochmal eine andere Frage).
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Antonia
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Re: [Coronavirus]

Beitrag von Antonia »

Hallo ihr Lieben!

Die Zeit für psychisches Kranke ist derzeit einfach nur katastrophal und die Versorgung genauso.
Ich hatte ja zu Beginn der Pandemie gehofft, dass Zwänge, Ängste und Depression mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken würden. Aber dem ist leider nicht so. Wir, die DGZ. haben zwar immer mal wieder Interviews dazu gegeben, aber so die richtige Aufmerksamkeit ist noch nicht gelungen. Bin gerade dabei zu einigen Talkshow Formaten, u.a. NDR Talkshow, Lanz, aufzunehmen um unsere Situation nicht nur zu schildern, sondern auch von der Politik zu fordern, dass für die nächsten 2/3 Jahre der Zugang zur Psychotherapie erleichtert wird. Zum Beispiel das "Kostenerstattungsverfahren" auch wirklich angewendet wird. Gemeinsam mit unseren Gremien werden wir den Krankenkassenverbände Druck machen, um die Situation zu verbessern. Es wird zur Zeit soviel Geld ausgegeben, warum nicht auch für die psychische Gesundheit. Ich werde euch hier auf dem Laufenden halten.

Was die vorzeitige Impfung von psychisches kranken Menschen angeht, hat die Deutsche Gesellschaft Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), mit der wir im engen Kontakt stehen, mit ihrer Einlassung dafür gesorgt, dass Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, wozu auch Zwangsstörungen gehören, schon als zweite Gruppe geimpft werden können. Siehe auch den Link. Jeder muss dann eine Bescheinigung von seinem Arzt ausstellen lassen, um eher geimpft werden zu können.
Hoffen wir mal, dass das alles so klappt.
Ganz ehrlich, ich wünsche mir für uns alle, dass diese "doofe" Pandemie bald vorbei ist, und wir langsam zur Normalität zurückkehren können.
Bis dahin, haltet durch.
Wir sind stets an eurer Seite und für euch da.
Alles Liebe
eure Antonia.

https://www.bptk.de/corona-schutzimpfun ... -menschen/
Ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere mich haben wollen. ;)
downtherabbithole
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Re: [Coronavirus]

Beitrag von downtherabbithole »

@welltemperedmind
Ja das mit den schnellen Erstterminen hört sich gut an aber da kommt nichts bei herum. Auch meine Erfahrung.

Ich bin vorher schon jahrelang als Selbstzahler in Schematherapie (aus einer Paartherapie heraus) gegangen, hatte in den letzten Jahren immer wieder versucht einen Verhaltentherapieplatz zu bekommen. Ich sehe es mittlerweile wie du, wenn man kann sollte man nicht lange warten und das Geld in die Hand nehmen, während man auf der Suche ist. 20 Stunden können schon helfen und vielleicht hat man bis dahin jemand über die Kasse gefunden. Wenn ich überlege wieviel Geld ich in den letzten Jahren in den Waschzwang gesteckt habe (Putz- und Hygieneartikel, Wasserkosten), dann rechnet sich das sicherlich und wie du sagst, es geht um die Gesundheit. Sinn einer Krankenversicherung ist es aber nicht.

@Antonia
Genau das war meine Hoffnung, dass der Fokus in der Pandemie darauf rückt. Aber psychische Erkrankungen sind immer noch ein riesen Tabuthema das merke ich auch, weil auf der Arbeit jetzt schon mehrere Leute über Wochen krank geschrieben sind. Danke, dass du dich dafür einsetzt.
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SHG
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Kondemie

Beitrag von SHG »

Danke für die offenen Beiträge. Ich möchte noch anmerken, dass zumindest meiner Erfahrung nach, die Psychotherapie - wenngleich ein ganz bedeutender Bestandteil zum Gesünder-werden - nicht das einzige Allheilmittel ist. Das wird vielleicht schon auch manchmal so von denen, die sie uns verkaufen möchten, gerne so dargestellt. Selbsthilfe, sei es in der Gruppe (ev. auch online) oder alleine mit Literatur, Seminaren/Webinaren, Üben von Achtsamkeit und auch der offenere zwischenmenschliche Austausch.. - sind meine ich ganz wichtig gegen diese Krankheit. Oft ist es ja auch nicht mit der einen Therapie dann erledigt, sondern die Verläufe sind eher chronisch oder immer wiederkehrend. Also, einfach nur auf die Therapie zu warten, in der Hoffnung, dass damit dann alles gut wird, darauf würde ich mich nicht verlassen (darin steckt ja auch das Verlassen von sich selbst). Klar bin ich auch dafür, dass mehr Therapieplätze bereit gestellt werden - nur so nebenbei. Eine Medikation ist ok, wenn sie für einen gut passt - aber, doch nicht als Mittel zum Zweck, damit man eher zur Therapie kommt, die man bräuchte.
So, wie man sich vielleicht vorstellt oder erhofft, dass mit der Therapie, dann die Zwänge ganz weg sind, so wird es ja auch mit dem Virus möglicherweise gar nicht verlaufen. Das ist eben auch wieder ein Stückchen Natur, das momentan ziemlich schwer vom Menschen zu kontrollieren ist - und mit solchen oder ähnlichen Herausforderungen werden wir uns auch weiterhin konfrontieren müssen. Und Menschen, die sich bisher auch schon mehr (leider auch mal viel zu viel) Sorge um Kontamination.. machten haben einfach schon etwas früher damit begonnen bzw. sind sie eben von vornherein schon mehr darauf sensibilisiert.

Ja, und wg. der Impfung - wenn man erfasst hat, dass es damit ja dann auch nicht gegen die Ängste getan ist, damit ist eh schon was ganz Wesentliches erkannt.
Alles Liebe!
welltemperedmind
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Re: [Coronavirus]

Beitrag von welltemperedmind »

Ich stimme SHG in allen Punkten zu. Ich bin auch eher der Do-it-Yourself-Typ und denke, dass die richtige Literatur / Videos etc. zu dem Thema besser helfen kann als ein Therapeut.

Am Ende ist es - so blöd es klingt - das eigene Problem. Therapeuten haben meist keine spezielle Ausbildung für Zwänge und die Gefahr ist groß, dass sie es noch schlimmer machen, indem sie zusammen mit dir nur Gesprächstherapie machen (aber Verhaltenstherapie verkaufen), zusammen mit dir (mental) ritualisieren oder dich auf die falsche Diagnose behandeln. Man muss - glaube ich - schon Glück haben, um an einen guten Therapeuten zu kommen.

Mir persönlich hat auch vor allem erstmal die richtige Diagnose und anschließend die Lektüre der richtigen Bücher und "Selbsttherapie" mit ERP geholfen. Ich kann mir aber vorstellen, dass viele Patienten (insbesondere mit stärkerer Symptomatik) auf eine gute Therapie angewiesen sind.

Ich habe zwar keinen Kontaminationszwang, aber ich befürchte, dass eine Impfung auch diesen Patienten wenig hilft, wenn man doch bedenkt, dass die Impfung in erster Linie die Schwere des Verlaufs mindert, nicht aber unbedingt die Infektiosität (also, dass man andere anstecken kann). Tut mir leid, das jetzt auszusprechen für alle, die sich dadurch nun wahrscheinlich getriggert fühlen, aber diese Erkenntnis/Zwangsgedanke wäre dann sicher spätestens nach der Impfung gekommen. Wie SHG auch meinte: Die Impfung ändert auch nur wenig an der Angst/Zwang - oder zumindest findet er einen anderen Weg, einen zu triggern. Und am Ende hilft die Impfung auch nur zu 95% (wenn man einen guten Impfstoff bekommt - sonst vielleicht sogar nur 60%). Und wir alle wissen, wie sehr wir diese verbleibenden 5% hassen :?

Ich hoffe, ich bin niemandem zu nahe getreten. Ich kann mir vorstellen, wie belastend das alles für den einen oder anderen sein kann und ich möchte jedem aufrichtig alles Gute und gute Besserung wünschen!
Vielleicht hilft jemandem dieser Podcast zu dem Thema: https://podcasts.apple.com/de/podcast/d ... 24984&l=en

@downtherabbithole
Ja, und bedenke mal all die Stunden, die man anstatt zu ritualisieren gearbeitet und Geld verdient hätte. Da hätte man die Kosten für die Therapie doch schon schnell wieder drin :D.

Ergänzung (1 Tag nach dem Verfassen dieses Beitrags):
Es scheint nun doch erste Hinweise darauf zu geben, dass Geimpfte wohl nicht ansteckend sind. Das ändert aber nichts an meiner grundlegenden Argumentation von oben.
https://www.welt.de/wissenschaft/articl ... ckend.html
Zuletzt geändert von welltemperedmind am So 21. Feb 2021, 08:52, insgesamt 1-mal geändert.
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SHG
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auf geht's!

Beitrag von SHG »

Danke für das Feedback - das tut mir gut.

Übrigens geht es bei der Exposition.. nicht darum, wieder so zu tun, “wie alle tun“ - wie Prof. Rufer zunächst sagt, es aber dann eh selbst relativiert. Nämlich so wie alle (oder eben zu viele), in Bezug auf Corona tun möchten, würde man sie mit Gesetzen nicht davon abhalten, das würde zum Kollaps der Gesundheitsversorgung führen. Mein Weg ist das nicht - so möchte ich nicht sein, dass ich in solchem Ausmaß das Menschenleben gefährde, würde man mich nicht durch Gesetze davon abhalten.
Es geht darum, einen solchen Umgang mit dieser Gefahr zu finden, der für mich langfristig passt - durch Übervorsicht, soll aber auch nicht zu viel Schaden entstehen..

Ein erster Schritt ist nicht unbedingt das Abtrainieren von Zwängen, sondern das Stärken von Selbstachtung - die schon auch mit Wertschätzung anderer einhergehen kann.. das wurde eh schon viel diskutiert (leider, denke ich, auch viel ignoriert)..
Jonna Laura
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Registriert: So 3. Mai 2020, 01:42

Re: [Coronavirus]

Beitrag von Jonna Laura »

Moin,
ich hatte im Juli letztes Jahr von meiner damals aktuellen Situation berichtet und dass es mir in der Coronazeit in Bezug auf meinen Kontrollzwang recht gut, da ich kaum in für mich schwierige Situationen komme. Mittlerweile hat sich einiges verbessert.
Ich führe zur Zeit ein Leben, dass ich mir von einem Jahr noch nicht einmal erträumen konnte. Ich habe so viele "Expos light" (nicht oder nur kurz auf den Herd schauen, mit dem Wissen, dass noch eine Person im Haus ist), dass ich mich so sehr daran gewöhnt habe, dass ich zu meinem täglichen Spaziergang so gut wie zwangsfrei aufbrechen kann. Auch habe ich im November einen neuen Job angefangen und es war für mich kein Problem hinzufahren, da ja immer noch der Mitbewohner (der komplett im Homeoffice ist) zu Hause ist. Auch funktioniert es, dass ich als letzte Person das Büro verlasse und abschließe ohne übertrieben alles mögliche zu kontrollieren. Das freut mich total. Richtig nice, dass es nach ner 2 Jahres Stabilisierungsphase mitm Job geklappt hat. Ich freue mich da richtig drüber, auch wenn der Zwang immer noch präsent ist. Auch wenn er in einigen Punkten wesentlich geringer ist. Ich hoffe für die Zukunft auf so eine Art "Gewöhnungseffekt". Also das ich mein jetzt "normales" Leben so integriert habe, dass es bleibt. Und da kommt die Angst ins Spiel. Ich habe voll Angst vor der "Rückkehr der Normalität". Und Angst, dass ich dann wieder Rückschläge habe, wenn ich zur Arbeit muss und als letzte das haus verlasse (für mich besonders problematisch). Meine Therapie läuft auch in 4 Sitzungen aus und ich sehe der Zeit danach ungewiss entgegen. Halte den Übergang zur "Normalität" für wichtig, dass ich dabei begleitet werde.
Hmm, ich hatte eigentlich vor, einen positiven Beitrag zu schreiben, merke allerdings gerade, dass mir dass nicht so ganz gelingt. Erst berichte ich von meiner aktuellen Angst und dann gehts weiter mit: Denn ohne Frage geht es mir in Bezug auf den Zwang so gut wie schon seit Jahren nicht mehr. Das feier ich ab. Allerdings rücken andere Probleme in den Vordergrund (Alkohol, Selbstverletzung, Stimmungsschwankungen), die ich auch nicht so ganz unbeachtet lassen kann.

Also, im Vergleich zu vor nem Jahr führe ich gerade ein fast normales Leben, was ich mir nie erträumt hätte. Das fühlt sich so super an =). Geht das noch jemandem so?
Und wisst ihr was verrückt ist? Manchmal vermisse ich meinen Kontrollzwang. =)

Soweit meine Gedanken,
Bis dahin
Jonna Laura
Antworten