Mein Mann, sein Zwang und ich

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Jess93
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Mein Mann, sein Zwang und ich

Beitrag von Jess93 »

Hallo zusammen,

mein Name ist Jessica und mein Mann hat eine Zwangs- und Angststörung. Ich bin mit meinem Mann schon seit 2011 zusammen. Er hat eine Tochter (12 Jahre) aus einer früheren Beziehung, die ich aber so liebe als wäre es meine eigene und vor 2 Monaten haben wir einen Sohn bekommen. Eigentlich könnte alles so schön sein, wäre da nicht der Zwang. Er ist sonst ein toller Papa und Ehemann, aber ich bin am Ende meiner Kräfte und kann es nicht mehr aushalten. Alles hat 2014 mit der Ebola Epidemie begonnen, seit dem war er schon zwei mal in Therapie. Das letzte mal vor ca 9 Monaten und jetzt seit unser kleiner Sohn auf der Welt ist, ist es wieder schlimm geworden. Wir haben Sperrzonen in der Wohnung, ich darf Paket nicht anfassen, die Haustür ist tabu, genau so wie die Tür zum Gemeinschaftswascheraum. Er holt sich oft bei mir die Rückversicherung, verbietet mir in den Rewe zu gehen, weil er da das letzte mal einen vermeintlichen Obdachlosen gesehen hat. Meine „Straßenkleidung“ muss ich Zuhause wechseln, ein Wäschekorb darf ich ausschließlich für die Schmutzwäsche benutzen, eine Oma die bei uns im Haus lebt hat mir über die Schulter gestreichelt und so gibt es noch unzählige weitere Vorfälle die eskaliert sind. Als unser kleiner Sonnenschein noch nicht da war hatte ich das Gefühl, dass alles besser auszuhalten und seinem Zwang nicht nachzugeben, aber jetzt bin ich ziemlich schnell an meiner Belastungsgrenze und breche buchstäblich zusammen und mache dann das was er will. Folgende Situation hat das Fass zum Überlaufen gebracht: Wir haben vergangenen Sonntag einen Ausflug mit meinem Vater und seiner Freundin gemacht. Mein Vater hat zum Schluss Müll in einen Mülleimer mit einer Klappe geworfen. Laut meinem Ehemann war der Mülleimer total verdreckt und eklig, weil mein Vater mich zum Schluss noch umarmt hat, konnten wir eine Woche nicht mit unserem großen Auto fahren und als mein Papa die Woche drauf vorbeikommen wollte, durfte er das nicht. Mein Mann hat mir dann Vorwürfe gemacht, dass mir unsere Familie nicht wichtig ist und ich unser Kind in Gefahr bringe und und und … Mein Vater war auch schon öfter Streit Thema. Mein Papa ist sehr krank und deshalb oft beim Arzt oder auch im Krankenhaus, was in der Welt von meinem Mann furchtbar ist, aber nicht weil es meinem Vater schlecht geht. Nun ja seit 4 Tagen sind wir nur am Streiten und ich durchgehend am heulen. Ich weis nicht mehr weiter, ich kenne mich selbst nicht mehr. Ich liebe mein Mann und will nicht das unser Kind auch ein Scheidungskind ist, aber hab ich überhaupt noch eine andere Wahl? Ist das noch liebe ? Bin ich Co-Abhängig? Warum lass ich mich so behandeln? Wie habe ich das 9 Jahre mitmachen können? Was soll ich tun? Eigentlich ist er einer gewissen Zeit nach solchen extrem Situationen selbst einsichtig, reflektiert, entschuldigt sich und weis das sein Zwang ihn gesteuert hat, aber er zerstört uns aktuell und macht mich selbst psychisch kaputt.
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SHG
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Re: Mein Mann, sein Zwang und ich

Beitrag von SHG »

Wenn du schreibst „ich mache was er will“ oder „er zerstört uns“ meinst du damit deinen Mann oder seine Zwangserkrankung. Ich kann mir vorstellen, dass das oft gar nicht so leicht auseinander zu halten ist - vermutlich auch für deinen Mann selbst. Ich meine aber, dass das ein Stückchen mehr auseinander zu halten, dir helfen könnte mehr Klarheit zu bekommen, auch auf die Fragen, die du stellst.
Guten Gelingen und Kraft dir und deiner Familie, besser mit dieser Erkrankung zurecht zu kommen.
Jess93
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Re: Mein Mann, sein Zwang und ich

Beitrag von Jess93 »

Das ist ein guter Ansatz, denn ich mir öfter wieder Bewusst machen sollte. Bei dem letzten Vorfall mit meinem Vater, sagt mein Mann aber auch das es gar nichts mit dem Zwang zu tun hat. Sonder damit das wir ein 2 Monate altes Baby mit einem noch nicht voll ausgereiften Immunsystem haben. Da komm ich dann manchmal selbst ins Zweifeln, aber das mein Papa 1 Woche später immer noch nicht sein Enkelkind besuchen darf, ist auf jeden Fall der Zwang. Deshalb macht es die Unterscheidung in so vielen Fällen so schwer. Ich hab auch große Angst davor, wenn ich mich nicht von meinem Mann trenne, dass unser Sohn irgendwann darunter leiden wird, dass Verhalten selbst annimmt und ich weis leider auch noch aus eigener Erfahrung wie es ist einen Elternteil mit einer Psychischen Erkrankung (meine Mutter) zu haben, aber ich bin ja auch nicht wie meine Mutter geworden. Unsere Große lebt zum größeren Teil bei ihrer Mama, weis aber auch schon ganz genau, was ihr Papa in manchen Situationen gar nicht mag. Da bin ich so hin und her gerissene. Was ich hier in diesem Forum aber nicht möchte, dass der Eindruck entsteht mein Mann wäre ein schlechter Papa! Den das ist er trotz Zwang absolut nicht!
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SHG
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Re: Mein Mann, sein Zwang und ich

Beitrag von SHG »

So wie dein Mann mehr darauf vertrauen darf, dass die Kleinen schon auch mit Keimen und Schmutz einigermaßen zurecht kommen, darfst du vermutlich etwas mehr darauf vertrauen, dass sie auch mit den Eigenheiten ihrer Eltern fertig werden.
downtherabbithole
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Re: Mein Mann, sein Zwang und ich

Beitrag von downtherabbithole »

Ich weis nicht mehr weiter, ich kenne mich selbst nicht mehr. Ich liebe mein Mann und will nicht das unser Kind auch ein Scheidungskind ist, aber hab ich überhaupt noch eine andere Wahl? Ist das noch liebe ? Bin ich Co-Abhängig? Warum lass ich mich so behandeln? Wie habe ich das 9 Jahre mitmachen können? Was soll ich tun?
Mein Freund ist bei mir so mit in den Zwang verwickelt. Ich sage ihm immer er soll sich selbst Hilfe suchen um besser mit der Situation umgehen zu können und sich selbst zu helfen. Leider macht er das nicht. Ich versuche so viel Verantwortung wie möglich für meine Zwänge zu übernehmen, aber ich bekomme es nicht immer gut hin und weil er schlecht im Grenzen setzen ist, ist er leider total verwickelt. Zumindest denke ich, dass es daran liegt, und weil er mich sehr liebt und vielleicht auch, weil er Angst vor einer Trennung hat.

Ich denke wenn Menschen so in die psychsichen Störung eines anderen Menschen verwickelt sind hat auch das seine Gründe und um dem auf den Grund zu gehen ist es am besten, sie suchen sich selbst Hilfe. Und selbst wenn es keine tiefergehenden Gründe dafür gibt, dann braucht man Hilfe und Unterstützung weil das wahnsinnig belastend sein kann. Es gibt auch Selbsthilfegruppen für Angehörige oder eben Therapeuten. Das Problem scheint mir aber oft, dass man als Angehöriger denkt, ah das ist ja nicht meine Störung, ich habe ja kein Problem, warum soll ich jetzt in eine Selbsthilfegruppe oder zum Therapeuten gehen. So kann man sich gemeinsam ewig im Kreis drehen bis einer ausbricht. Im Idealfall ist das natürlich der Partner mit der psychischen Störung, der sich selbst Hilfe sucht und aufhört den anderen einzubeziehen. Aber das ist alles verdammt schwierig insbesondere wenn man so verwickelt ist, scheint mir.

Das ist meine Meinung und mein Eindruck aus eigener Erfahrung, ich kenne übrigens auch ein wenig die andere Seite, da ich mal mit jemanden zusammen war der selbst unter Ängsten/Zwängen bzw. Hypochondrie litt.
TeeCoffee
Beiträge: 89
Registriert: Di 12. Jul 2022, 01:56

Re: Mein Mann, sein Zwang und ich

Beitrag von TeeCoffee »

Hallo Jess,

es tut mir Leid, das zu hoeren und ich kann mir sehr gut vorstellen, was bei Euch abgeht. Ich bin selbst Betroffener von Waschzwängen.
Hier meine Meinung dazu: Auch wenn es nur milder Trost ist, versuche zumindest sein Verhalten als schwere psychische Krankheit zu sehen, die dein Mann sich nicht ausgesucht hat. Ich weiss dass der Einbezug in das Zwangssystem diktatorisch wirken kann und zu sehr unangenhmen Reibungen führt, aber es ist nichts Bösartiges dabei, weder gegen dich noch deine Familie. Der Betroffene hat solche Angst, dass er denkt all das muss so sein. Man kann niemandem Vorwürfe machen für die Sitatuation, und alle Verhaltensweisen (Zonen, Kleidungswechsel, Kontaktberscharänkung etc) klingen so typisch für Betroffene mit Waschzwang, dass er sich das nicht erfunden hat um Euch zu triezen.
Dass er schon in Therapie war, ist sehr gut, weil es zeigt, dass er eine Krankheitseinsicht hat und zu so etwas bereit ist. Aber es klingt sehr danach als bräuchte er das wieder, vermutlich sogar stationär in einer wirklich guten Klinik (die Auszeit könnte ja fuer Euch entlastend sein) und besonders bei Waschzwängen ist es sehr wichtig, dass der Therapeut auch nach Hause kommt, damit diese Zonen aufgelöst werden können. Die standard ambulante Therapie mit 1 Sitzung pro Woche reicht oft einfach nicht bei schweren und chronischen Fällen. Meiner Erfahrung ist es echt wichtig, die richtigen Therapeuten zu finden und nicht davon auszugehen dass ein beliebiger Verhaltenstherapeut der eine Zulassung hat, schon weiss wie es geht (mag man naiverweise erwarten, ist aber einfach nicht so). Leider ist es oft bei Zwängen meiner Meinung nach extrem variabel woran man so gerät (anders, als wenn man Bluthochdruck behandeln laesst). Natürlich sind auch Medikamente in der richtigen Dosis und über die Mindestdauer oft hilfreich.
Ich denke dass Medikamente kurzfristig nuetzlich sein könnten und man vielleicht im Moment auf Schadensbegrenzung achtet, also dass dein Mann soweit es geht die Zwänge nicht weiter ausbreitet und parallel würde ich intensiv nach Therapie suchen, und falls du es für dich brauchst eben auch -- das ist leider auch nicht selten. Ich würde deinem Mann Deine Verzweiflung auf nicht-konfrontative Weise erklären damit er Verstädnis dafür entwickelt, dass er dringend Hilfe suchen soll -- leider dauert es ja oft auch bis man dann einen Platz hat. Und er wird sicher auch verstehen, dass all die Einschränkungen schlimm für die Kinder und dich sind und er es Euch bestimmt auch nicht zumuten will. Ihm selbst wird es auch durch die Zwänge sehr schlecht gehen (kann er überhaupt so arbeiten?).
Ich wünsch auch alles gute, viel Kraft und Erfolg und Geduld, bis es besser wird.
Gruss
AlexandraMeier
Beiträge: 3
Registriert: So 18. Dez 2022, 14:29

Re: Mein Mann, sein Zwang und ich

Beitrag von AlexandraMeier »

Hy hy,

ich mach auch das gleiche wie du durch... Nur anders, andere Themen... Nach einem Vorfall von vor 3 Jahren mit Ratten und Kanalisation etc.
Das Ende von Lied, wir mussten aus unserer Wohnung ausziehen und alles neu kaufen und ja jetzt wohnen wwor seit einem halben Jahr in der neuen Wohnung und was soll ich sagen, nein sein Zwang ist nicht weg wie er es meinte und es kommt jetzt allmählich wieder Stück für Stück und ich weiß auch nicht mehr weiter... Ich geh zum Psychologen um zu wissen was ich noch alles tun kann auch wegen unserer knapp 4 jährigen Tochter... Ich bin auch am Ende, nichts ist mehr richtig... Geh ich dagegen ist Streit und mach ich mit, ist es ein Kampf mit mir selbst... Es ist zum verzweifeln...Es kann doch nicht sein das Konfrontation das einzigste Heilmittel sein soll, davor haben die meisten ja erst recht Angst... Was soll man bloß tun... Alles nicht so einfach... Jess93 kontaktiere mich ruhig, gerne können wir uns austauschen... 01749633315 LG Alexandra

Du bist nicht alleine, das tröstet manchmal.
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