Stationäre oder ambulante Behandlung?

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Lola
Beiträge: 2
Registriert: Fr 29. Sep 2023, 12:56

Stationäre oder ambulante Behandlung?

Beitrag von Lola »

Hey!
Ich bin ganz neu hier in diesem Forum und wollte mal um eure Erfahrungen bitten:)
Ich leider jetzt schon viele Jahre an einer Zwangserkrankung (Kontaminationsängste) und würde dies gerne verhaltenstherapeutisch behandeln lassen. Die vergangen Jahre hatte ich schon tiefenpsychologische Therapie, aber ich denke es ist an der Zeit mit Expositionsmethoden.

Auf diesem Weg wollte ich euch fragen, welche Erfahrungen ihr mit ambulanten und stationären Therapien hattet? Was würdet ihr als wirkungsvoller einschätzen? Ich tue mich ehrlich gesagt mit einer stationären Aufnahmen etwas schwer.

Vielen Dank schon mal im Voraus für eure Hilfe!
downtherabbithole
Beiträge: 205
Registriert: Sa 7. Nov 2020, 21:10

Re: Stationäre oder ambulante Behandlung?

Beitrag von downtherabbithole »

Hallo,

ich fand es stationär hilfreicher, weil man intensiver an sich arbeiten kann und mehr Zeit in einem geschützten Rahmen dazu hat. Aber...ich habe vorher eine ambulante Verhaltenstherapie gemacht, hatte also Vorerfahrung. Was mir die Klinik allerdings gegeben hat was keine ambulante Therapie geben konnte sind Gleichgesinnte mit denen ich mich angefreundet habe. Das wäre aber natürlich über eine Selbsthilfegruppe auch möglich. Das ist letzendlich das, was mir mit am meisten hilft diese Zwangsstörung auszuhalten.

Ich denke es kommt auf die Zwangsstörung an und darauf wie sehr man bereit ist sich auf Expos einzulassen oder wieviel Zeit man braucht sich heranzutasten, oder wie mutig man ist und was man alles weiß und natürlich in welche Klinik man geht oder auch welchen Therapeuten man ambulant hat. Das kann man denke ich deswegen nicht pauschal beantworten. Manche sind überfordert das erste mal in der Klinik eine Expo nach recht kurzer Zeit zu machen, manche kriegen es gut hin. Manche können gar nichts damit anfangen, denen hat glaube ich eine gewissen Vorlaufzeit gefehlt und die Aufklärung über die Krankheit und Verhaltenstherapie und Expositionen an sich ging zu schnell.
TeeCoffee
Beiträge: 89
Registriert: Di 12. Jul 2022, 01:56

Re: Stationäre oder ambulante Behandlung?

Beitrag von TeeCoffee »

Hi,

hängt wirklich sehr vom Typ ab. Ich persönlich hatte Waschzwänge so stark, dass ich niemals mit einer ambulanten Therapie zurecht gekommen wäre. Alleine über die Themen zu sprechen, Praxis aufsuchen, die Zeit die die Einführung gebraucht hätte, das haette niemals funktioniert. Also war ich zuerst in einer Intensivklinik. Für mich waren die besten Therapeuten immer in der Klinik und sie haben so viele schwerere Fälle, während es ambulant oft schwer ist, jemand zu finden, der sich überhaupt ein bisschen auskennt. Auch waren/sind meine ambulanten Therapien oft nicht besonders zielgerichtet. Vorteil von ambulant ist halt das Setting im realen Leben statt in einer Klinik.
In der Klinik hat man einen geschützten Rahmen vielleicht traut man sicher eher, sich auf vermeintliche Kontaminationen einzulassen (war bei mir so) -- dafür kann dann danach der Transfer nach Hause und wenn man wieder im Alltag ist, schwierig werden. Manch einem hilft in der Klinik der Patientenkontakt. Für mich war das die einzige Quelle, wo ich zum ersten Mal echte Zwangspatienten gesehen habe (m.E. viel seltener als immer behauptet wird). Bei Waschzwängen spielt oft das zu Hause des Patienten eine Rolle (Zonen und Gegenstände, die "kontaminiert" sind oder besonders saubere Zonen) --- es ist wichtig, dass die durchbrochen werden, daher sollte der Therapeut auch mal einen Hausbesuch machen --- egal ob stationär oder ambulant. Leider machen das viele aus verschiedenen Gründen nicht (darüber gibt es ganze Aufsätze wieso es nicht oft gemacht wird obwohl es so wichtig wäre). Andererseits ist es bei klassischen Waschzwängen oft so, dass man zumindest viele Triggersituationen in jeder Stadt finden kann (Boden, Mülleimer, Bahnhöfe, Toiletten), so dass man zumindest leicht Übungsmaterial finden sollte.
Ich persönlich finde eine wirksame ambulante Therapie härter, weil man viel eigenständiger von Anfang an sein muss, während man in einer Klinik mehr Unterstützung hat. Und auch Klinik ist nicht gleich Klinik. Auf den Webpages klingt alles gut und so als kenne man sich aus, aber es gibt auch genug "Gemischtwarenläden", wo ein Zwangspatient nicht so oft anzutreffen ist. Ich habe davon immer die Finger gelassen.
Ich hoffe, das hilft etwas.
Alles gute!!
TeeCoffee
Beiträge: 89
Registriert: Di 12. Jul 2022, 01:56

Re: Stationäre oder ambulante Behandlung?

Beitrag von TeeCoffee »

P.S.: Und dann gitb es leider noch das leidige Thema dass viele Kliniken Gemeinschaftszimmer haben und geteilte Toiletten und Bäder. Das ist für Patienten mit Waschzwang eine absolute Zumutung zu Beginn und wird dann als Übungsmöglichkeit dargestellt --- in der Realität ist es einfach Geldmangel und schlitweg für solche Znwagspatienten ungeeignet zu Beginn. Für mich ist das so als ob man einem Gehbehinderten vor Beginn seiner Therapie sagt "sorry, wir haben keinen Aufzug, nehmen Sie es als Übung, Sie wollen ja eh wieder laufen lernen". Sowas kann man in der Konfrontationsphase machen - aber die armen Patienten muessen dann zu Beginn irgendwie damit zurecht kommen. Aber in manchen Kliniken ist das auch nicht so, insbesondere Privat.
Gruss
Lola
Beiträge: 2
Registriert: Fr 29. Sep 2023, 12:56

Re: Stationäre oder ambulante Behandlung?

Beitrag von Lola »

Hey!
Ich möchte euch beiden erst einmal von ganzem Herzen für eure Beiträge danken! Das hilft mir wirklich sehr weiter und bisher konnte ich mich leider mit keinen anderen Zwangspatienten austauschen, da leider nur wenige darüber sprechen. Umso glücklicher bin ich dieses Forum hier gefunden zu haben!:)

Ich denke es wäre zumindest keine schlechte Idee, sich einmal näher mit möglichen Kliniken auseinanderzusetzten und sich ggf. dort anzumelden, da ja wahrscheinlich die Wartezeiten auch recht lange sind. Meine Angst bei der Klinik ist, wie auch schon erwähnt wurde, dass ich die erlernten Dinge zuhause nicht aufrecht erhalten kann und wieder in alte Muster verfalle. So z.B. dass ich nicht möchte, dass sich jemand von draußen auf mein Sofa setzt etc. Ich kann mir vorstellen, dass diese Dinge in der Klinik nicht so mein Problem wäre, aber es zuhause für mich schwierig wäre, da es mein "Safe Place" ist.

Aber wahrscheinlich lässt sich das nur rausfinden, wenn man es ausprobiert:)

Gibt es denn ggf. Empfehlungen für Kliniken, die sich sehr gut mit Zwangserkrankungen auskennen? Im Internet konnte ich leider bisher nicht so viel rausfinden.

Vielen lieben Dank euch!:)
TeeCoffee
Beiträge: 89
Registriert: Di 12. Jul 2022, 01:56

Re: Stationäre oder ambulante Behandlung?

Beitrag von TeeCoffee »

Hi,

- für Kliniken kannst du bei der DGZ direkt anfragen, welche spezialisiert sind.
-oft werden die Schön Kliniken, insbesondere Prien genannt.
- Ich selbst war in der Christoph Dornier Klinik Münster und kann sie absolut empfehlen. Leider eher für bestimmte (private?) Versicherungen oder Selbstzahler, hat aber wohl die intensivste Therapie in Deutschland.
- Freiburg im Breisgau.
- ich glaube es gibt auch etwas in Lübeck.
- auch hier im Forum nach Klinik suchen hilft, da schreibt mancher Betroffener weil es immer mal wieder ein Thema ist.

Das ist auch eine unvollständige Liste und ich kann nicht sagen wie gut oder schlecht die sind ausser wo ich selbst war. Falls die Klinik nahe an deinem Wohnort liegt, sollte die Wahrscheinlichkeit steigen, dass ein Hausbesuch möglich ist um das Problem mit dem Sofa anzugehen. Du hast schon recht, der Alltagstransfer kann schwierig nach der Klinik sein, ist leider auch bisher mein Hauptproblem, aber ich habe immer profitiert. Ausser wenn deine Zwänge relativ mild sind, solltest du sowieso eine ambulante Anschlusstherapie haben. I.d.R kommt man leider nicht aus der Klinik und der Zwang ist dann "rausgeschnitten"....die Arbeit geht noch weiter, und da solltest du jemand haben, der ggf. auch nach Hause mal kommt.
Wenn du in der Nähe einer Unversitätsstadt wohnst, gibt es dort manchmal Spezialambulanzen für Zwangserkrankungen. Das kann evtl. auch eine gute Lösung sein für ambulante Therapie.
Liebe Grüsse
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Antonia
Moderator
Beiträge: 182
Registriert: Di 20. Mär 2018, 21:40
Wohnort: Hamburg

Re: Stationäre oder ambulante Behandlung?

Beitrag von Antonia »

Hallo Lola,

allgemein gilt, dass ambulant vor stationär geht.
Die Therapie in einer Klinik ist täglich, umfassender und enthält verschiedene Therapieansätze die alle auf Zwangsstörungen abgestimmt sind. Dazu mußt Du aber in eine Klinik gehen, die spezialisiert auf Zwangsstörungen ist.

Um Menschen dazu noch besser zu informieren, bietet die DGZ e.V. am Mittwoch, den 11. Oktober um 17 Uhr ein Online Seminar zu dem Thema an. Referent ist Prof. Dr. Ulrich Voderholzer, Chefarzt und Leiter der Klinik Roseneck am Chiemsee.
Den Link zur Teilnahme findest Du in Kürze unter Ankündigung hier im Forum.

Liebe Grüße Antonia.
Ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere mich haben wollen. ;)
downtherabbithole
Beiträge: 205
Registriert: Sa 7. Nov 2020, 21:10

Re: Stationäre oder ambulante Behandlung?

Beitrag von downtherabbithole »

Lola hat geschrieben: So 1. Okt 2023, 15:45 Ich denke es wäre zumindest keine schlechte Idee, sich einmal näher mit möglichen Kliniken auseinanderzusetzten und sich ggf. dort anzumelden, da ja wahrscheinlich die Wartezeiten auch recht lange sind.
Und eine Anmeldung bedeutet ja auch nicht, dass man hingehen muss wenn es soweit ist. Aber sagen wir mal so, je nachdem wie gut oder schlecht es dir geht, mir hat es geholfen zu wissen, dass ich wenn ich möchte in ein paar Monaten in eine Klinik gehen kann und dann habe ich es wahrgenommen, als es soweit war. Ich hatte aber im Hinterkopf, wenn es für mich dann nicht passt ist es auch okay, freut sich jemand anderes.
Lola hat geschrieben: So 1. Okt 2023, 15:45 Meine Angst bei der Klinik ist, wie auch schon erwähnt wurde, dass ich die erlernten Dinge zuhause nicht aufrecht erhalten kann und wieder in alte Muster verfalle. So z.B. dass ich nicht möchte, dass sich jemand von draußen auf mein Sofa setzt etc. Ich kann mir vorstellen, dass diese Dinge in der Klinik nicht so mein Problem wäre, aber es zuhause für mich schwierig wäre, da es mein "Safe Place" ist.
Verstehe ich. So ging es mir auch, letztendlich sind dann aber in der Klinik ein paar Dinge passiert, so dass ich dort dann doch ziemlich gut üben konnte. Das kann man vorher eben manchmal gar nicht so genau wissen. Und ja zu Hause habe auch ich Probleme die ich in der Klinik nicht hatte und weiter üben ist sowieso angebracht. Wenn du näher an der Klinik wohnst, kann man evtl sogar für ein Wochenende nach Hause fahren und üben. Ich habe außerdem per Video meinen Partner zu Hause Sachen kontaminieren lassen etc.
Natürlich wäre es dafür gut, gerade wenn du noch nie eine Verhaltenstherapie gemacht hast, zu Hause einen Therapeuten zu haben, der dich weiter begleiten kann im direkten Anschluss an die Klinik, wenn du dich für eine entscheiden solltest.

Vielleicht kann man deswegen auch eher sagen (auch aufgrund der ganzen Wartezeiten) nicht entweder ambulant oder stationär sondern auf jeden Fall ambulant und eventuell statiönär dazu?

ZB. sind die Schön Kliniken Bad Bramstedt, Rosenheim und Bad Arolsen auf die Behandlung von Zwänge mit Verhaltenstherapie spezialisiert. In Bad Bramstedt gibt es auch Einzelzimmer, kann man gegen Aufpreis bekommen, oder man hat vielleicht Glück. Wobei ich auch Leute mit Waschzwängen kennengelernt habe, die in Doppelzimmern waren und damit zurechtgekommen sind.
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