Zwangserkrankung
Verfasst: So 19. Aug 2018, 21:00
Ich heiße Edda und bin Mutter eines über 30-jährigen Sohnes, der seit mehr als 10 Jahren eine Zwangserkrankung hat. Der vor Jahren von einem klinischen Psychologen und Verhaltenstherapeuten in einer über einen Zeitraum von ca. 5 Jahren erfolgten Gesprächstherapie diagnostizierte Waschzwang mit ausgeprägter Angst vor Radioaktivität (Tschernobyl!) und Kontamination (psychotischer Anteil) war auch ausschlaggebend für den Auszug von uns Eltern in eine andere Wohnung, nachdem sich mein Mann auf Grund einer Erkrankung einer Bestrahlungstherapie unterziehen musste und an eine Rückkehr in die gemeinsame Wohnung unmittelbar nach Beendigung dieser für unseren Sohn undenkbar war ("alles verstrahlt!"). Seit damals lebt er allein in der Wohnung. Diese Angst hat sich im Laufe der Zeit zu einer generalisierten Angst entwickelt und durch den Verlust des Vaters vor 1,5 Jahren massiv verstärkt und manifestiert sich in einem Leben in völliger Isolation. Abgesehen von seiner Programmiertätigkeit am PC und Konsumieren von Sportsendungen gestaltet er sein Leben nach den Regeln des Zwangs. An den Wochenenden fahre ich zu ihm und werde in der Wohnung für diese Zeit "zwangsbeglückt", in dem ich mich ebenso den Zwangsregeln entsprechend verhalte, was wiederum eine Einschränkung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit in der eigenen Wohnung bedeutet. In der Begegnung mit anderen Menschen bei unseren gemeinsamen Aktivitäten (1x pro Woche Einkaufen, Wandern) ist Angst vor einem "Unglück"ein ständiger Begleiter. Zudem wird seit einem Jahr ein schwelender Konflikt mit dem Nachbarn der oberhalb gelegenen Wohnung in Form von gezielter Lärmerzeugung über die Wände, Türstöcke und Böden beider Beteiligten ausgetragen. Widerstandsbewegungen von mir und meinem Sohn bei den Durchsetzungsbestrebungen eines Projektes der Eigentümerschaft (Balkonerweiterung) haben nun dazu geführt, dass das vom Zwang gelenkte Verhalten meines Sohnes in den Fokus der Wahrnehmung einiger Hausbewohner gerückt ist, in dem mir diese ihre Beobachtungen (unveränderte Position der Jalousien, kein Lüften, /beschlagene Fenster durch langes Duschen, Enstehung hoher Luftfeuchtigkeit, beginnende Schimmelbildung und daraus resultierend entsprechende Geruchsentwickungung) mitgeteilt haben. Umstände, die zu verstärkter Aggression in der Kommuniktion zwischen mir und meinem Sohn führen und die ohnehin unter dem Druck des Zwangs stehende Beziehung noch zusätzlich belasten. Wenn ich die Wochenenden bei meinem Sohn verbringe, wird trotz Widerstand ein wenig gelüftet.
Leider hat sich mein Sohn während seiner Gesprächstherapie nie auf die so notwendigen Expositionsübungen bzw auf Konfrontation eingelassen. Als sich der Therapeut aus persönlichen Gründen aus der verhaltenstherapeutischen Tätigkeit zurückgezog, war mein Sohn sehr enttäuscht und fühlte sich allein gelassen.Er zeigt bis heute keine Bereitschaft und lehnt auch jegliche, wahrscheinlich für einen leichteren Einstieg notwendige Medikation ab. Ein einziges Gespräch meines Sohnes mit einer VTin aus diesem Team, die mit mir bzgl. Umgang mit meinem Sohn arbeitet, war zwar bereichernd, aber letztendlich nicht zielführend.
Mir ist bewusst, dass ich mich in dieses Zwangssystem eingegliedert habe und mit meiner Unterstützung zur Komplizin des Zwangs mache und somit einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Zwangs leiste, weil ich ihn konserviere. Ich nehme mich selbst gleichsam in einer Zwangsjacke steckend wahr, aus der ich mich nicht befreien kann. Zwar fahre ich zur Zeit an den Wochenenden nicht zu ihm, da mein Aufenthalt in der Wohnung nach einem Urlaub in Bayern (5 Atomkraftwerke!) Kontaminierung dieser bedeutet.Insofern hat sich eine Unterbrechung dieses Wochenendrituals ergeben. Aber das Ritual der Entsorgung der von meinem Sohn in der Wohnung sorgfältig vorbereiteten "Müllsammelstellen" führe ich nach wie vor jeden Montag durch. Dazu "darf" ich die Wohnung bis ins Vorzimmer betreten. Es ist für mich ein Wechselspiel der Gefühle und mein ambivalentes Empfinden ist zermürbend. Einerseits tut er mir Leid und möchte ich als einziger Ansprechpartner meines Sohnes für ihn ein offenes Ohr haben und mit ihm gemeinsame Interessen im Gespräch und, soweit es sich realisieren lässt, auch in der realen Welt wahrnehmen, jedoch stets unter der Dominanz des Zwangs. Andererseits lösen dieses vom Zwang bestimmte Denken und Handeln meines Sohnes bei mir oft Reaktionen der Unbeherrschtheit und der Wut aus, die wiederum Selbstzweifel nach sich ziehen, vor allem, wenn dann Vorwürfe von meinem Sohn kommen.
Als realistisches Ziel schwebt mir vor, dass mein Sohn insofern Besserung erfährt, als er ein selbstständiges Leben führen, besser als jetzt leben und den Alltag bestreiten kann, ohne auf mich oder jemand anderen angewiesen zu sein. Es bedeutet nicht Druck, dass er sich um Arbeit kümmern oder an den Pflichten des Lebens teilnehmen muss.
Soweit die Darstellung des Sachverhaltes. Ich bin an einem Austausch mit Betroffenen oder Angehörigen interessiert und dankbar für entsprechende Ratschläge.
edda
Leider hat sich mein Sohn während seiner Gesprächstherapie nie auf die so notwendigen Expositionsübungen bzw auf Konfrontation eingelassen. Als sich der Therapeut aus persönlichen Gründen aus der verhaltenstherapeutischen Tätigkeit zurückgezog, war mein Sohn sehr enttäuscht und fühlte sich allein gelassen.Er zeigt bis heute keine Bereitschaft und lehnt auch jegliche, wahrscheinlich für einen leichteren Einstieg notwendige Medikation ab. Ein einziges Gespräch meines Sohnes mit einer VTin aus diesem Team, die mit mir bzgl. Umgang mit meinem Sohn arbeitet, war zwar bereichernd, aber letztendlich nicht zielführend.
Mir ist bewusst, dass ich mich in dieses Zwangssystem eingegliedert habe und mit meiner Unterstützung zur Komplizin des Zwangs mache und somit einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Zwangs leiste, weil ich ihn konserviere. Ich nehme mich selbst gleichsam in einer Zwangsjacke steckend wahr, aus der ich mich nicht befreien kann. Zwar fahre ich zur Zeit an den Wochenenden nicht zu ihm, da mein Aufenthalt in der Wohnung nach einem Urlaub in Bayern (5 Atomkraftwerke!) Kontaminierung dieser bedeutet.Insofern hat sich eine Unterbrechung dieses Wochenendrituals ergeben. Aber das Ritual der Entsorgung der von meinem Sohn in der Wohnung sorgfältig vorbereiteten "Müllsammelstellen" führe ich nach wie vor jeden Montag durch. Dazu "darf" ich die Wohnung bis ins Vorzimmer betreten. Es ist für mich ein Wechselspiel der Gefühle und mein ambivalentes Empfinden ist zermürbend. Einerseits tut er mir Leid und möchte ich als einziger Ansprechpartner meines Sohnes für ihn ein offenes Ohr haben und mit ihm gemeinsame Interessen im Gespräch und, soweit es sich realisieren lässt, auch in der realen Welt wahrnehmen, jedoch stets unter der Dominanz des Zwangs. Andererseits lösen dieses vom Zwang bestimmte Denken und Handeln meines Sohnes bei mir oft Reaktionen der Unbeherrschtheit und der Wut aus, die wiederum Selbstzweifel nach sich ziehen, vor allem, wenn dann Vorwürfe von meinem Sohn kommen.
Als realistisches Ziel schwebt mir vor, dass mein Sohn insofern Besserung erfährt, als er ein selbstständiges Leben führen, besser als jetzt leben und den Alltag bestreiten kann, ohne auf mich oder jemand anderen angewiesen zu sein. Es bedeutet nicht Druck, dass er sich um Arbeit kümmern oder an den Pflichten des Lebens teilnehmen muss.
Soweit die Darstellung des Sachverhaltes. Ich bin an einem Austausch mit Betroffenen oder Angehörigen interessiert und dankbar für entsprechende Ratschläge.
edda