Getriggert

Jessi
Beiträge: 308
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Getriggert

Beitrag von Jessi »

Hey!

Ich hab schon länger micht mehr so aktiv ins forum geschrieben, war aber immer stille Leserin.
Mir ging es lange Zeit wirklich gut und ich habe meine Zwangsgedanken meistens ziehen lassen können bzw sie nicht mehr als Bedrohung bewertet und konnte dadurch das Leben eher genießen und annehmen.

Aktuell wurde ich leider getriggert, was bei mir wieder extreme Gedankenspiralen ausgelöst hat, da mein Gehirn auf eine Situation mit extremer Panik reagiert hat, die eigentlich nur daraus resultierte, dass ich Angst hatte/habe, dass der Zwang sich wieder breit machen könnte und mir mein Glück und die Freude damit wieder versucht zu nehmen.
Ich arbeite konsequent seit dem Ereignis dagegen an und versuche mich nicht rückzuversichern, den Gedanken und das ekelige, damit einhergehende Gefühl von Panik und Abscheu auszuhalten und nicht zu unterdrücken.
Irgendwie gelingt es mir aber leider gerade nicht durchgehend eine Distanz dazu aufzubauen.
Ich glaube auch, dass ich mich eventuell wieder zu viel mit dem Thema auseinandersetze, da ich versucht habe mir Strategien und Infos über den Zwang wieder vor Augen zu führen und ich damit eventuell doch zu viel mit den Gedanken interagiert habe.
Ich fühle mich nur aktuell in die Anfangszeit zurückversetzt, wo mich plötzlich alles getriggert hat und ich durchgehend bedrückt war und kaum mehr Freude empfinden konnte.
Ich habe eigentlich immer die Angst vor der Angst im Vordergrund und damit jetzt wieder klassischerweise die Angst, dass ich diesen Rückfall nicht wegstecken kann und wieder genauso darin gefangen bin als hätte ich noch nie Fortschritte gemacht.
Ich weiß, dass ich das schaffen kann und auch werde, ich bin allerdings sehr ungeduldig mit mir und kann die Gedanken irgendwie nicht links liegen lassen, wie ich es möchte, da mentale Zwangshandlungen automatisiert ablaufen.
Ich erkenne sie zwar und versuche sie wieder durch die stopp Methode zu unterbrechen, doch irgendwie funktioniert es gerade nicht so effektiv wie zuvor.

Leider kann sich der Zwang ja auch wieder solche Dinge zunutze machen.
Momentan besteht mein Tag aus Momenten, in denen ich merke ich schaffe es die Gedanken liegen zu lassen und zu realisieren, dass sie keine Bedeutung haben und ein paar Minuten später ist die Panik doch wieder vorhanden.
Ich fühle auch wieder viel zu viel in mich hinein und weiß einfach nicht mehr genau was mir fehlt um wieder diesen inneren Hebel umlegen zu können.
Ich weiß, dass es geht und ich weiß auch, dass ich das kann und ich nicht wieder monatelang darunter leiden muss, ich weiß nur nicht mehr genau wie ich damit umgehen soll, da ich irgendwie in diesem Hamsterrad feststecke.

Leider ist der Beitrag länger geworden als er sollte. :lol:
Ich würde mich freuen wenn jemand Tipps hätte wie ich mein inneres Gleichgewicht zurückbekommen kann.
Ich war schließlich nicht zwangsfrei aber ich hatte den richtigen Umgang damit erlernt, zumindest so gut, dass ich meinen Alltag und Expos durchführen konnte, mich nicht mehr habe einschränken lassen und einfach glücklich in meinem Leben sein konnte und mich dadurch nicht enorm eingeschränkt gefühlt habe, selbst wenn mal Trigger vorhanden waren oder ich in einen Rückfall geraten bin.

LG Jessi
El_Loco
Beiträge: 38
Registriert: Di 23. Jul 2024, 18:06

Re: Getriggert

Beitrag von El_Loco »

Hi Jessi,

zunächst einmal Danke für deine Offenheit, dass du das mit uns teilst.

Auch wenn es unangenehm ist, aber magst du einmal konkret deine Zwangsgedanken schildern? Um was geht es genau inhaltlich?
Ich habe gelernt zu unterscheiden, dass es "Bullshit-Gedanken" gibt und Gedanken, an denen doch was dran sein könnte, da man in der Hinsicht mal eine negative Erfahrung hatte o.ä.

Und wenn du in der Vergangenheit es schon geschafft hast es gut im Griff zu haben, wirst du es ganz sicher wieder schaffen. Du musst nur wieder das Gleis finden, auf dem du so gut unterwegs warst.
Jessi
Beiträge: 308
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Getriggert

Beitrag von Jessi »

Hey!

Danke für deine schnelle Antwort.
Ich möchte eigentlich nicht so ins Detail gehen. Zum einen weil meine Gedanken mir zwangstypisch natürlich extrem unangenehm sind und zum Anderen weil ich auch gelernt habe, dass Zwänge immer gleich behandelt werden, egal welchen Inhalt sie betreffen.

Sie lösen immer Angst und Ekel, Scham und Panik aus. Es ist immer ein Gemisch aus unangenehmen Gefühlen welches sich aufdrängt und was man krampfhaft versucht loszuwerden, was einen nahezu verrückt machen kann.

Ich kann dir aber soweit beschreiben, dass es immer um ROCD geht, also immer meine Beziehung betrifft. Ich habe gelernt, dass die Angst vor Verlust dahintersteckt und ich mich in das Chaos meiner Gedanken flüchte, da dies mir früher geholfen hat meine Umgebung zu ertragen.

Im Endeffekt sind alle Gedanken "Bullshit Gedanken", denn sobald ich näher darauf eingehe, hänge ich in Zwangsgedankenspiralen fest und steigere mich immer weiter hinein, dass ich es einfach loswerden möchte.
Dieses Gefühl der Panik und die Gedanken.
Allerdings sind die Gedanken nicht das Problem sondern die Angst die damit einhergeht und dann kommt klassischerweise der Gedanke: Du fühlst dich jetzt so also muss auch was an den Gedanken dran sein. Das ist aber Quatsch, denn die Angst überschattet alles und ist irrational.

Wenn man das überträgt auf jemanden, der Angst und Zwangsgedanken hat weil er den Herd nicht 30x kontrolliert hat oder sich 50x die Hände gewaschen hat, dann kann man als Nichtbetroffener schließlich auch sagen, dass das nicht nötig ist und man sich umsonst fürchtet, dennoch verspüren die Betroffenen diese Panik.

LG Jessi
El_Loco
Beiträge: 38
Registriert: Di 23. Jul 2024, 18:06

Re: Getriggert

Beitrag von El_Loco »

Mir ging es soweit erstmal darum zu verstehen, was hinter deinen Zwangsgedanken steckt. Ein übertriebenes Verantwortungsgefühl, Perfektionismus, Angst verlassen zu werden etc. etc. Und dann zu schauen, was man auf der Ebene erstmal bearbeitet bekommt.

Ansonsten wirst du es damals so gut geschafft haben, indem du dir die Zwangsgedanken einfach strikt abgewöhnt hattest. Kommt das wohl hin?
Im Grunde alle Denk- und Verhaltensmuster sind Gewohnheiten, die sich immer wieder abspielen.
Jessi
Beiträge: 308
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Getriggert

Beitrag von Jessi »

Tatsächlich neige ich zun Perfektionismus, fühle mich für fast alles verantwortlich bzw beziehe sehr viel auf mich und das was hauptsächlich hinter meinen Zwangsgedanken steht ist die große Verlustangst.
Ich weiß, dass es dafür keinen rationalen Grund gibt mich so zu fühlen, doch die Zwangsgedanken versuchen es mir einzureden.

Ich komme aus einem Elternhaus, was leider von Alkoholismus und Streit geprägt war. Ich habe sehr früh angefangen zu vermitteln und habe schon als kleines Kind eine enorme Angst davor gehabt allein gelassen zu werden oder meine Eltern als Einheit zu verlieren. Später habe ich realisiert, dass eine Trennung der beiden wohl besser für meine Entwicklung gewesen wäre.
Im Teenageralter begannen schließlich meine Zwangsgedanken. Mittlerweile kenne ich den Mechanismus der Zwangsgedanken und wie der Kreislauf aufrecht erhalten wird.
Ich habe mit der Stopp Methode super Fortschritte gemacht bis ich einige Tage später merkte, dass meine Zwangsgedanken tatsächlich für 1 2 Tage verschwunden waren. Diese Zeitspanne hat sich im Laufe der Zeit dann verlängert, sodass ich mich sehr stabil gefühlt habe.
Im Grunde genommen versuche ich es jetzt wieder damit, leider hat es aktuell noch nicht so viel geholfen wie ich es mir erhofft habe, doch ich glaube ich bin einfach zu ungeduldig mit mir selbst, es dauert einfach ein bisschen bis man sein Gehirn wieder umgedreht bekommt, wenn einmal ein Knoten drinnen ist.
Ich kann jedenfalls stolz sagen, dass ich heute wieder Momente hatte in denen ich mich freier gefühlt habe und an diesen Momenten halte ich einfach fest, denn wenn man sich klar im Kopf fühlt merkt man wieder wie dumm diese Gedanken und wie unnötig die Angst dazu ist.

Mein größter Feind ist allerdings meine Ungeduld in Bezug auf diese Panik und Anspannung, die ist momentan leider nahezu durchgehend präsent, sodass ich gar nicht richtig in den Zustand der Entspannung komme und nicht weiß wie ich dorthin kommen kann.
In den freien Momenten war sie heute allerdings verschwunden, was mich motiviert daran zu glauben dass es nicht allzu lange dauern wird bis ich es wieder im Griff habe.

Rückschläge gehören dazu, das weiß ich. Sie werden aber selten so schlimm und so langwierig wie jemals zuvor und daran halte ich fest.

Vielleicht hat ja jemand einen Tipp wie ich mit der Panik umgehen kann.

Ich habe mir beispielsweise schon Nachrichten bzw Notizen aus schlimmeren Zeiten durchgelesen und dadurch wieder vor Augen geführt bekommen, dass es mir schon oft so ging und es keinen Grund dafür gibt den Zwangsgedanken Beachtung zu schenken.
Leider sind solche Dinge ja irgendwo auch Rückversicherungen, doch das Zwangsgefühl löst momentan jegliche andere Emotionen ab, sodass ich mich aktuell fühle als würde ich die Situation nur aussitzen können. Ich versuche mir immer wieder zu sagen: Ich hab es bereits vorher geschafft, es ging mir schonmal genau so und ich konnte es überwinden, Rückschläge dauern nie so lange wie der Anfang, ich fange nicht bei 0 an, es sind nur Gedanken und Gefühle die mir nichts anhaben können und nicht meinen Werten entsprechen, sie dürfen da sein aber ich agiere nicht mit ihnen. Dieses links liegen lassen funktioniert leider aktuell nicht so gut und das ist der Schlüssel dafür.
Wie komme ich wieder an diesen Punkt?

LG Jessi
hildebrandur
Beiträge: 10
Registriert: So 21. Jul 2024, 13:49

Re: Getriggert

Beitrag von hildebrandur »

Hallo Jessi,

wie sieht denn deine "Stop-Methode genau aus" und über welchen Zeitraum warst du jetzt weitgehend unbelastet von Zwangsgedanken?
Jessi
Beiträge: 308
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Getriggert

Beitrag von Jessi »

Hey!

Ich versuche den Zwangsgedanken durch ein Stopp zu unterbrechen und dann bewusst wahrzunehmen, dass es ein Zwangsgedanke ist. Anschließend folge ich der 4 Schritte Methode von Jeffrey Schwartz, also dem Gedanken nicht folgen und die negativen Gefühle aushalten und vor allem weitermachen mit dem, was man sich vorgenommen hat.
Währenddessen ist es praktisch eine Art Expo, da man die Ängste und Gedanken nicht beachten soll, also keine mentalen Zwangshandlungen durchführen darf. Das ist aber aktuell noch relativ schwierig, da es mir bisher aber gut geholfen hat bin ich sehr zuversichtlich.

Den Zeitraum kann ich gar nicht genau benennen, da es immer mal wieder kleine Rückfälle gab. Diese habe ich aber einfacher beiseiteschieben können als den aktuellen. In der Intensität hatte ich in den letzten 3-4 Jahren eventuell 3-4 Situationen, wobei ich erwähnen muss, dass es in den letzten Jahren kontinuierlich besser und einfacher geworden ist. Tendenziell liegen die schlechteren Phasen länger zurück, es kann aber auch sein, dass es sich einfach gerade nur so anfühlt.
Ich würde aber schon behaupten, dass ich seit ca 2 Jahren weitestgehend stabil bin.
Leider ist es rückblickend auch so, dass ich mich nicht genug um mich gekümmert habe und nun merke, dass ich die Warnsignale meines Körpers missachtet habe und einfach zu sehr unter Stress stand.
Das muss ich leider immernoch lernen. Auf sich selbst und seinen Körper zu hören und dass der Zwang auch ein guter Indikator dafür sein kann und man ihn damit auch im Zaum halten kann.

LG Jessi
El_Loco
Beiträge: 38
Registriert: Di 23. Jul 2024, 18:06

Re: Getriggert

Beitrag von El_Loco »

Jessi hat geschrieben: Do 25. Jul 2024, 18:36 Tatsächlich neige ich zun Perfektionismus, fühle mich für fast alles verantwortlich bzw beziehe sehr viel auf mich und das was hauptsächlich hinter meinen Zwangsgedanken steht ist die große Verlustangst.
Ich weiß, dass es dafür keinen rationalen Grund gibt mich so zu fühlen, doch die Zwangsgedanken versuchen es mir einzureden.

Ich komme aus einem Elternhaus, was leider von Alkoholismus und Streit geprägt war. Ich habe sehr früh angefangen zu vermitteln und habe schon als kleines Kind eine enorme Angst davor gehabt allein gelassen zu werden oder meine Eltern als Einheit zu verlieren.
So widerspricht sich der obere und der untere Absatz. Du meinst, es hat keinen rationalen Grund. Aber du hast ja durchaus negative Erfahrungen in deiner Kindheit / Jugend gehabt, die dich geprägt haben. So wie ich auch. Bei mir waren es überfürsorgliche Eltern, die mit einigem echt übertreiben konnten.

Jedenfalls erkennst du ja selbst, dass es immer wieder Rückfälle gibt. Du kannst zwar einen Gedanken immer wieder stoppen und für eine gewisse Zeit abgewöhnen. Aber irgendwann kommt er wieder zurück. Da das Thema nicht wirklich an seiner Wurzel angepackt wurde. Was ich hierbei meine, ist, dass du deine persönlichen Glaubenssätze / Überzeugungen mal genauer unter die Lupe nimmst und mal ein Art Selbstgespräch mit dir führst, wobei du deine Gedanken bearbeitest. Z.B. mit Reframing, Argumenten für eine positive Überzeugung als Ersatz für die negative, starkes positives Zureden, sich mit sich selbst und den Eltern versöhnen u.v.m. Stell dir eine starke Stimme vor, als ob diese von einem guten Therapeuten oder Coach stammen würde, und sage zu dir selbst mal gute starke Worte.

Das könnte vielleicht auch dir helfen.

Bei einem Zwangsgedanken (ich würde unangenehm riechen und andere belästigen) half es mir aber auch mal zu sagen "Wieso hattest du die letzten 20 Jahre nie ein Problem damit?" - obwohl ich früher in der Schulzeit mal damit unangenehme Erfahrungen hatte, durch negative Rückmeldungen anderer. Aber das Argument, dass es ja in den letzten 20 Jahren kein Problem mehr damit gab und sich keiner beschwerte, z.B. auch nicht die Person, mit der ich intim war, überzeugte mich und verschaffte mir die ersehnte Ruhe.

Bei einem anderen Gedanken hat das so nicht geklappt. Deswegen sage ich, dass es immer unterschiedliche Lösungen für einen belastenden Gedanken geben kann.
hildebrandur
Beiträge: 10
Registriert: So 21. Jul 2024, 13:49

Re: Getriggert

Beitrag von hildebrandur »

@ Jessi:
O.k., ich dachte zunächst, als ich das Wort " Stop" hörte es wäre einer der Methoden, mit der man versucht, den Gedanken zu verdrängen. Die Methode von Jeffrey Schwartz kannte ich nicht, ich arbeite mit der Methode aus " Tyrannen im Kopf", die aber der von Schwartz sehr ähnlich ist.

Leider ist es bei mir genauso, dass ich immer wieder getriggert werde. Manchmal glaube ich, dass es daran liegt, dass man nach all den Leiden keine 100 % Entspannung mehr spüren kann, und hochsensibilisiert darauf ist, dass es wieder kommen könnte und man insofern immer anfällig bleibt.
Jessi
Beiträge: 308
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Getriggert

Beitrag von Jessi »

@hildebranduhr
Ja, das Stopp impliziert erstmal ein Verdrängen und krampfhaftes Unterdrücken der Gedanken aber es ist eher ein Stopp des Kreislaufs und dazu gedacht sich bewusst zu machen, dass man gerade wieder in die Zwänge rutscht.
Mir hat es bereits sehr oft sehr gut geholfen, auch wenn es zu Beginn teilweise alle paar Sekunden nötig war.
Irgendwann kam der Tag, an dem ich merkte, dass ich gar nicht mehr panisch war und gegrübelt habe und dann war die Motivation noch größer. Daher halte ich daran jetzt auch wieder fest, denn es hat bereits mehrfach funktioniert also gibt es keinen Grund, weshalb ich es nicht diesmal auch schaffen sollte. :)

Tatsächlich kann ich rückblickend sagen, dass ich diese Entspannung wieder spüren konnte und man sich schon extrem frei fühlen kann. Allerdings bleibt die Tendenz und die Krankheit ist immer da, man weiß nur wie man damit richtig umgehen muss. Die Angst vor der Angst ist aber in meinem Fall auch der hartnäckigste Faktor.
Deshalb bin ich auch etwas genervt von mir selbst, da ich die Warnsignale meines Körpers zuvor ignoriert habe und ich sonst bestimmt nicht so anfällig gewesen wäre.

LG Jessi
Antworten