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Zwang Hygiene und Putzen +Depressionen beim Partner

Verfasst: Di 30. Jul 2024, 16:35
von AngehörigeX
Hallo,
Bin neu hier und freue mich über diese Gelegenheit zum Austausch.

Ich bin schon sehr lange mit meinem Mann zusammen, wir haben ein Kind im Teenageralter.
Er hatte schon immer einen gewissen „Spleen“ mit Hygiene, was meiner Meinung nach vertretbar war und den man salopp gesagt als „Hang zur Sauberkeit“ umschreiben könnte. Zumindest war ein normaler Alltag möglich und auch ich konnte mich gut arrangieren. Nach einer langen stabilen Phase (ca. 18 Jahre) setzte eine recht plötzliche Verschlechterung ein. Wir haben schon darüber gesprochen, einen konkreten Auslöser können wir nicht ausmachen, vielleicht ist es eher eine Aneinanderreihung verschiedener Umstände.
Dinge, die andere Menschen angefasst haben, müssen sofort gereinigt werden, die Wohnung wird fast täglich geputzt, die Waschmaschine läuft fast rund um die Uhr und dergleichen.
Er weiß, dass es eine Zwangsstörung ist, hat eine Therapie angefangen, glaubt aber nicht so recht an den Erfolg. Generell ist er sehr skeptisch gegenüber Therapeuten und Ärzten.
Kann er den Zwang nicht „beruhigen“, resultiert daraus häufig eine depressive Episode.

Nun zu meiner Situation /Fragen:
1. Ich versuche meinen Umhang zu finden, mich nicht in die Handlungen hineinziehen zu lassen, was sich schwierig gestaltet, da fast wöchentlich neue „Regeln“ hinzukommen, die ich erstmal nicht kenne und somit zwangsläufig „verletze“. Daraus resultiert Konflikt = depressive Episode. Manchmal habe ich dafür nicht die Kraft und mache „mit“, obwohl ich es nicht nachvollziehen kann. Zumal diese Geschichten auch zeitlich viel Raum einnehmen, insbesondere wenn es zum Konflikt kommt, den ich nicht immer habe. Daher ist immer wieder eine Abwägung, ob ich gerade Kraft und Zeit habe, mich da entgegenzustellen. Ganz schwierig sind für mich „übergriffige“ Situationen. Er putzt/wäscht auch einfach meine Sachen (ich meine nicht Klamotten), ungeachtet dessen, ob sie dafür überhaupt geeignet sind (z.B. Elektronik). Manches musste ich in letzter Minute retten, bevor ein größerer Schaden entsteht.

2. Vor einigen Jahren hatte ich selbst eine Phase mit Burnout, die ich ganz gut überwinden konnte. War daher auch stolz auf mich, jetzt meinen Weg gefunden zu haben. Seitdem der Zwang bei ihm so stark geworden und der Alltag dadurch immer mehr zur Herausforderung wird, merke ich, wie Symptome von „damals“ zurückkommen (Antriebslosigkeit, Migräne..). Ich halte mich an den Dingen fest, die mir eine Auszeit ermöglichen, wie eigene Hobbies /Sport, weil mir das hilft. Aber diese sorgen auch gerne für Streit, da er mir manchmal vorwirft, ich kümmere mich nicht genug um ihn. Für mich wird es immer mehr zum Spagat, meine eigene mentale Gesundheit aufrecht zu erhalten. Ich bin auf der Suche nach einem Therapeuten, dass dauert aber gerade noch.

3. Hat jemand konkret Erfahrungen, wenn Zwangsstörungen mit Depressionen einhergehen? Ich finde es absolut herausfordernd, die extreme emotionale Achterbahnfahrt mitzubekommen. Ich weiß, es ist eigentlich nicht richtig, aber ich halte mit manchem hinter dem Berg, was in mir vorgeht, um ihn nicht noch mehr zu belasten. Bzw. Ich spreche es in „Häppchen“ an. Zusehends habe ich über meine Emotionen weniger Kontrolle: Wenn ich den Staubsauger manchmal schon höre, stellen sich mir die Nackenhaare auf, weil die selben Stellen gerade zum xten Mal sauber gemacht werden. Manchmal kommt bei mir ein irrationales Wutgefühl auf und mir rutscht eine Bemerkung raus. Meistens gehe ich dann schnell aus dem Zimmer. Manchmal schaukelt sich die Situation dann so richtig hoch.

4. Das letzte, bevor es zu lang wird: Unser Kind bekommt es mit und ist natürlich in einem Alter, wo genau hinterfragt wird. Mein Mann findet zusehends „eklig“, was unser Kind angefasst hat, oder wo es gesessen hat etc. (Wobei er nicht so große Probleme mit Dingen hat, die ich angefasst o.ä. habe, ich denke, es hat mit der Pubertät zu tun.)
Ich spreche mit unserem Kind darüber, wir haben gutes und vertrauensvolles Verhältnis. Ich versuche immer wieder mal, Situationen aufzuarbeiten.
Trotzdem mache ich mir zusehends Sorgen, dass das auch an der kindlichen Entwicklung nicht spurlos vorbeigeht. Hat jemand Tipps/Erfahren für „angehörige Teenager/ bald Erwachsene“?

Ich denke auch darüber nach, wie lange das insgesamt noch gutgeht, bin aber zu einem größeren Schritt noch nicht bereit, frage mich aber, ob uns eine Pause gut tun würde.

Vielen Dank für‘s Lesen bis hierhin. ;)

Re: Zwang Hygiene und Putzen +Depressionen beim Partner

Verfasst: Fr 23. Aug 2024, 15:28
von Nicbusch
Hallo,
mir geht es genauso wie dir. Ich bin sehr verzweifelt und weiß auch nicht mehr weiter, da ich mittlerweile glaube mit der Erkrankung nicht mehr lange zurecht zu kommen. Ich bin so angespannt, dass meine eigene Lebensfreude, die ich immer hatte, kaum noch zu aktivieren ist und ich fast nur noch Ruhe brauche um mich erholen zu können. Ich war früher viel unter Menschen, merke aber, dass ich mich fast vollständig isoliere. Zudem kommt es mir häufig so vor, als sei ich nur noch auf der Flucht vor meinem eigenen Leben. Wir haben ein Ferienhaus an der Nordsee, indem ich mich mittlerweile häufiger aufhalte als in unserem eigentlichen „Zuhause“. Ich fühle mich dort zumindest nicht mehr so unter Druck und es bietet mir die Möglichkeit zu entspannen. Sobald ich wieder nach Hause fahre geht der innere Stress und die innere Unruhe wieder los. Ich weiß selber, dass das kein Zustand ist, der so bleiben kann, aber für den Moment hilft es mir. Da meine Kinder mittlerweile älter teilweise erwachsen sind ( 26,23,18 Jahre) kann ich mit ihnen offen über die Situation sprechen, jedoch bin ich mir sicher, dass auch sie unter den Zwängen meines Mannes leiden. Es ist nicht ihr leiblicher Vater und zum Glück haben sie genügend emotionalen Abstand zu meinem Mann, dass sie sich mit in diese Zwänge einbinden lassen. Mein Mann leidet vor allem unter Kontrollzwängen, die sich aber auch auf Reinlichkeit und Ordnung beziehen, obwohl er selber kein besonders ordentlicher Mensch ist. Da ich ebenfalls beruflich stark eingespannt war, habe ich mich auf eine Haushälterin eingelassen, jedoch würde ich dieses gerne rückgängig machen, da mein Mann ständig über meinen Kopf hinweg Anweisungen gibt und ich mir somit in meinem eigenen Haushalt völlig entmachtet vorkomme. Er beauftragt sie ständig die Zimmer meiner Kinder reinigen und aufräumen zu lassen ohne das meine Kinder dieses möchten. Wir haben schon mehrfach heftige Auseinandersetzungen diesbezüglich gehabt, in denen er am Ende einräumt, dass die Zimmer nichts mit ihm zu tun haben und er sich von nun an raushält, jedoch schreibt er nach spätestens zwei Wochen die Haushälterin wieder per WhatsApp Anbindung beauftragt sie, die Zimmer meiner Söhne zu reinigen. Wir hatten schon häufig die Situation, dass ich meinem Mann erklärt habe, dass er sich aus Haushaltsangelegenheiten heraushalten soll oder aber mir die Wünsche mitteilt, aber er hält sich nicht daran. Wir haben ein mittelständiges Unternehmen, indem er stark eingespannt ist und ich begreife nicht, warum er sich nicht zumindest aus Haushaltsangelegenheiten heraushalten kann. Alles was in unserem Leben passiert muss über seinen Tisch gehen, selbst wenn die Entscheidungen schon durch mich getroffen wurden. Ich bin immer ein eigenständiger, selbstbestimmter Mensch gewesen, jetzt kommt es mir so vor, als sei ich nur noch eine Marionette. Ich denke, dass ich viel zu lange mitgemacht und ausgehalten habe, einfach nicht erkannt habe, dass er mich durch seine zwanghaften Verhaltensweisen gleichzeitig auch entmachtet hat. Überwiegend geschieht seine Kontrolle über WhatsApp, sodass wir schon nahe dran sind ihn zu blockieren. Ich war auch bereits in therapeutischer Behandlung, die mir ebenfalls dazu geraten hat, aber es ist für mich eher nur eine „kleine Krücke“ um die Situation aushalten zu können. Ich möchte mich eigentlich nur ungern von meinem Mann trennen, jedoch bemerke ich wie meine Kraft schwindet und meine Gedanken sich immer häufiger mit dem Thema Trennung beschäftigen.

Re: Zwang Hygiene und Putzen +Depressionen beim Partner

Verfasst: Mo 26. Aug 2024, 21:22
von downtherabbithole
Ich kann immer nur empfehlen mit den Menschen mit Zwangstsörung ein Gespräch zu führen, für das man sich extra Zeit nimmt und alles anspricht was einen belastet und wie man das lösen kann und eventuell für einige Dinge erst mal Kompromisse findet. Es geht nicht um Vorwürfe sondern darum wie es euch damit geht.
Das wäre dann für mich zB. so etwas wie, die Putzfrau putzt die nächsten 3 Monate 1x im Monat das Zimmer der Kinder. Nicht mehr und nicht weniger. Das ganze aufschreiben und nach drei Monaten schauen ob sich daran gehalten wurde. Das könnte dem Zwangspatienten helfen sich auf mehr einzulassen und euch entlasten. Das wurde mir auch in der Klinik empfohlen mit dem Partner so zu besprechen. Auch mal darüber zu sprechen wie es euch damit geht, könnte euch entlasten.

Ich leide selbst unter einer Zwangsstörung und Depressionen, ich vermute meinem Partner geht es ähnlich wie euch. Hier bin ich diejenige die verzweifelt versucht mit ihm Lösungen zu finden und dass es ihm gut geht, weil ich Veränderungen bei ihm wahrgenommen habe. Aber seine einzige Lösung ist, dass ich von heute auf morgen zwangsfrei werde, dann sei alles gut. Ich glaube aber dafür haben wir uns viel zu sehr reingeritten und ihm geht es vermute ich nicht gut, aber er lehnt alles ab und kann nicht richtig darüber reden.

Ich selbst kann jetzt nur mit meiner eigenen Vernunft arbeiten und wenn mein Freund sauer wird, weil dann bemühe ich mich tatsächlich mehr, aus Angst ihn zu verlieren. Wenn er die ganze Zeit so tut als ob alles okay sei dann eier ich nur herum, weil der Ansporn was zu ändern gering ist.

Was man auch testen könnte ist Konsequenzen ziehen, zB. wenn das Zimmer nicht geputzt werden soll, und das nicht abgesprochen war, das Zimmer absperren und den Schlüssel mitnehmen?

Wie gesagt immer alles erst nach Absprache und nach Ankündigung von Konsequenzen.

Allerdings muss ich auch gernell sagen, keiner kann in eure Beziehungen schauen und wie es euren Partner geht, wieviel ihr denen zumuten könnt, müsst ihr schon selbst einschätzen, sollte aber nicht so enden, dass ihr aus Angst sie zu verletzten gar nichts sagt oder tut. Das muss man dann selbst schon auch aushalten können. Und einen Therapeuten an eurer Seite, das kann ich auch empfehlen. Ich versuche immer beide Seiten zu sehen die des Zwangspatienten und die des Partners. Da ich selbst schon mit jemand zusammen war der Hypochonder war und evtl auch Depressionen hatte, weiß ich wie belastend das sein kann und wie man sein Leben einschränkt. Da ich selbst eben nicht ganz fit war ging es mir dann selbst auch nicht mehr gut. Nach der Trennung kamen dann noch ein paar andere belastende Ereignisse und es hat mich vollkommen aus der Bahn geworfen. Eine Beziehung mit einem psychisch Erkrankten ist besonders wenn dieser uneinsichtig ist wirklich nicht einfach und das sage ich obwohl ich selbst betroffen bin und froh bin einen Partner zu haben aber ich hasse es dass ich ihm damit schade. Ziemliches Dilemma. :roll: