Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Silvia
Beiträge: 205
Registriert: Mo 13. Aug 2018, 17:12

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von Silvia »

Danke Yorge !
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
Miranda_L

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von Miranda_L »

andehr hat geschrieben: Mi 31. Okt 2018, 15:25 Nicht selten erhält ja ein sog. Krankheitsgewinn eine Krankheit am Leben.
Dabei ist meiner Meinung nach der Krankheitsgewinn der Schlüssel zum Sieg über die Krankheit.

Wenn ich mir diesen Gewinn (z.B. Beachtung, Anerkennung, Selbstachtung, Sich Durchsetzen können ... ) durch etwas anderes als den Zwang holen kann, verliert der Zwang an Treibstoff und kann dann meiner Meinung nach leichter abgewöhnt werden.

Das ist auch das, was ich versucht habe in 'Sinn und Funktion des Zwangs' zu beschreiben.

Gruß
Miranda
Silvia
Beiträge: 205
Registriert: Mo 13. Aug 2018, 17:12

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von Silvia »

Hallo Miranda,

ich kann Deine Meinung nur unterstreichen.

Nachdem ich jetzt durch meine Therapie immer mehr an Selbstvertrauen und eigene Wertschätzung gewinne, mich auch mal gegen andere durchsetze und nicht mehr alles in mich hineinfresse, lassen die Zwänge auch Stück für Stück nach.
Der Drang, dies oder jenes tun zu müssen ist nicht mehr so vordergründig und ich kann mich leichter dagegen wehren.

Ich glaube, ein gesunder Mittelweg ist immer gut. Vielleicht brauchen wir Zwängler auch diese „Krankheitsgewinne“ um uns damit zu stärken.
Darauf ausruhen, sollten wir uns allerdings nicht.

Liebe Grüße, Silvia
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
Benutzeravatar
michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von michael_m »

Hallo Miranda und Silvia,

ich stimme euch zu. Das sind positive Seiten der Krankheit, wenn man sich mit ihr beschäftigt.
Dadurch kann es auch passieren, dass man am Ende durch die Krankheit stärker ist als vorher. Zumindest in der Theorie. ;)

Es gibt aber in der Tat einen negativen "Krankheitsgewinn". Wenn man z. B. unliebsame Dinge verweigert aufgrund des Zwangs, wenn dieser ein Stück weit vorgeschoben wird.
Kleines Beispiel bei mir - "Herd": Aufgrund des Zwangs tu ich mich schwer diesen zu nutzen. Es ist aber auch zum Teil eine Entschuldigung für mich selbst, dass ich abends nicht kochen muss. Der Zwang "erspart" mir dadurch u. a. den Aufwand des Kochens nach der Arbeit. Der Zwang ist trotz allem bei weitem nicht gespielt - aber er entschuldigt manchmal auch gewisse Sachen und sei es nur vor mir selbst.

Trotzdem versuche ich zumindest 1 - 2 mal in der Woche den Herd anzuschalten. Inwieweit das allerdings bei mir echtes Kochen ist (Nudeln, Fischstäbchen, etc. lassen grüßen), ist dann wieder eine andere Frage. :lol:

Liebe Grüße, Michael
Silvia
Beiträge: 205
Registriert: Mo 13. Aug 2018, 17:12

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von Silvia »

Hallo Michael,

ja, Du hast recht, es werden in der Tat Dinge ausgespart, umgangen oder vielleicht an andere deligiert.
Ich persönlich sehe das allerdings nicht als Krankheitsgewinn, sondern wie Du schon geschrieben hast, als negativ, als Begleit- Symptom, was durchaus auch sehr sehr belastend sein kann.

Aber es gibt mit Sicherheit auch Dinge, die man angehen könnte, wo man einzig und allein den Zwang als Ausrede vorschiebt. Das sollte natürlich nicht so sein.

Auch meine Therapeutin hat mich schon mal darauf hingewiesen, den Zwang nicht als Ausrede zu benutzen.
Wobei mir dann schon auch durch den Kopf gegangen ist,.... wir benutzen vielleicht den Zwang, gesunde Menschen haben dafür eine andere Ausrede parat.

Ich glaube, wir sollten einfach darauf achten, dass es nicht zur Gewohnheit wird, bzw. das wir uns selbst damit nichts vorspielen.

Liebe Grüße,
Silvia
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
Silvia
Beiträge: 205
Registriert: Mo 13. Aug 2018, 17:12

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von Silvia »

Achja,...
ich bin überzeugt davon, dass man am Ende der Krankheit stärker ist/ sein kann.
Und das nicht nur in der Theorie! ;)
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
Miranda_L

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von Miranda_L »

Hallo Michael,

dein Herd Beispiel passt auch gar nicht zu dem, wie ich meine Beschreibung meine.
Es ist noch nicht abstrahiert genug und wie auch Silvia sagte, meiner Meinung nach kein Gewinn sondern eher eine Ausrede.

Der Gewinn ist imho so etwas:
Ich bin ein Mensch, der es Zeit seines Lebens allen recht machen wollte. Auch über meine eigene Wohlfühlzone hinaus.
Mir war es lieber, dass andere zufrieden waren, als dass ich selber auf meine Bedürfnisse geachtet habe.
Dadurch dass ich jetzt einige unrealistische Ängste habe, zwinge ich mich und meine Umgebung dazu, auf meine Bedürfnisse zu achten. Auch wenn diese in diesen Fällen unrealistisch sind.
Wenn ich aber das Durchsetzungsvermögen, das ich zum Durchsetzen meiner Zwänge nutze, in anderen Situationen im Leben einsetze, habe ich tatsächlich einen Gewinn.

Ein Beispiel wäre, dass ich jetzt viel konzentrierter darauf achte, dass mir zugehört wird, wenn ich auf der Arbeit etwas sage und mich nicht mehr so leicht unterbrechen lasse. Ich gerate nicht mehr so schnell in die Opferrolle und bin empört, dass ich unterbrochen werde, sondern konzentriere mich darauf, so lange weiterzureden, bis der Unterbrecher selbst merkt, dass er nicht zum Zuge kommt. Selbst dann, wenn man dann uns beide nicht mehr verstehen kann.

Ein anderes Beispiel ist, dass ich versuche zu erkennen, wann etwas von mir erwartet wird (von mir oder anderen), was mir Unwohlsein verursacht und dass ich in diesen Situationen viel genauer abwäge, ob ich das Erwartete auch tun will.
Meine eigene Messlatte in diesen Situationen verschiebt sich im Moment ein Stück weit in Richtung eines gesunden Egoismus.

Die Logik dahinter ist: Ich kann im Zwangsfall durchsetzen, dass ich und meine Umgebung nach der Zwangsangst handeln. Wieso sollte ich das dann nicht auch in anderen Situationen können?

Wenn man den Zwang nicht so verbissen negativ sieht, könnte man sagen: "Der Zwang versucht mich anhand von absurden Beispielsituationen zu trainieren, in realistischen Problemsituationen bessere Entscheidungen für mich selbst zu treffen"

Oder auch: "Der Zwang ist ein Trainingsgelände, in dem man anhand von ungefählichen Situationen (die uns aber gefährlich vorkommen) trainieren kann, wie gefährliche Situationen zu meistern sind,

Ich kann mir gut vorstellen, dass jeder von uns ganz individuelle reale Situationen hat,in denen er sich, ohne es bewusst zu merken, so sehr unterbuttern lässt, dass das Unterbewusstsein sich mit Hilfe von Zwangsängsten dagegen wehrt.
Und diese Situationen gilt es zu erkennen und erneut auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen.

Ich behaupte jetzt einfach mal folgendes: "Die Zwangsangst an sich ist nie das Problem!" Sie ist nur ein Symptom ganz anderer Missstände.

Solange ich diese Missstände nicht behebe, wird der Zwang immer wieder kommen. Möglicherweise mit einem anderen Gesicht. Dann wird halt aus der Angst vor Bakterien ein Kontrollzwang, oder aus einem Zählzwang die Angst, ohne es zu merken ein Verbrechen begangen zu haben. Aber der Zwang wird bleiben.

Gruß
Miranda
Silvia
Beiträge: 205
Registriert: Mo 13. Aug 2018, 17:12

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von Silvia »

Miranda_L hat geschrieben: Mi 21. Nov 2018, 09:37 Ich behaupte jetzt einfach mal folgendes: "Die Zwangsangst an sich ist nie das Problem!" Sie ist nur ein Symptom ganz anderer Missstände.

Solange ich diese Missstände nicht behebe, wird der Zwang immer wieder kommen. Möglicherweise mit einem anderen Gesicht. Dann wird halt aus der Angst vor Bakterien ein Kontrollzwang, oder aus einem Zählzwang die Angst, ohne es zu merken ein Verbrechen begangen zu haben. Aber der Zwang wird bleiben.

Hallo Miranda,
Deiner Behauptung kann ich nur zustimmen.
Meine Therapeutin hat mir folgendes erklärt,... mit den Zwängen fängt man immer in einer Notsituatin an.
Dann, wenn es einem schlecht geht oder man nicht mehr weiter weiß.
Da man sich durch den Zwang jede Menge zeitraubendes auferlegt, hat man somit für das eigentliche Problem keine Zeit mehr.

Darum arbeitet sie mit mir auch sehr viel am aufarbeiten von nicht abgeschlossenen Dingen. Lässt mich Knackpunkte in meinem Leben genau durchleuchten und ermutigt mich dazu, Dinge anzugehen, die ich sonst nicht machen würde.

Ich denke auch, so lange jeder Zwängler sich seinem eigentlichen Problem nicht stellt, wird der Zwang immer und immer wieder aufs Neue kommen, in welcher Form auch immer.

Liebe Grüße,
Silvia
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
Benutzeravatar
michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von michael_m »

Ich hab da vielleicht ein bisschen am Thema vorbeigedacht. Ich gebe euch auch Recht. :)

Liebe Grüße, Michael
Benutzeravatar
Yorge
Beiträge: 333
Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Re: Nicht hilfreiche Hilfsmittel

Beitrag von Yorge »

Wir haben vor etwas Angst (Tod, Vergiftung, Infektion, Missfallen anderer, Verlust, ..). Das, wovor wir Angst haben möchten wir unbedingt verhindern. Allerdings ist das in dem Ausmaß, wie wir das bräuchten nicht möglich. Auch, wenn wir noch so sehr dahinter sind und versuchen die Kontrolle darüber zu haben, kann es passieren, dass wir/andere unheilbar krank werden oder wir andere verlieren.. Diesen Umstand halten wir kaum aus. Wir beschäftigen uns also mit etwas, damit wir das Gefühl bekommen: “Alles in Ordnung, ich habe die volle Kontrolle“ (über bestimmte Keime, gegen das Chaos in einem kleinen Teil der Welt, über die Urteile anderer..). Damit sind wir vorerst mal beschäftigt und beruhigt. Das eigentliche Problem, dass wir trotzdem mal sterben, jemand von dem wir es gerne hätten uns auch mal nicht (mehr) so mag, wir die Kontrolle über unser Leben verlieren können.. ist damit nicht gelöst. Aber diese Probleme sind nun mal einfach gar nicht zu lösen, sondern in gewissem Ausmaß zu akzeptieren. In welchem Ausmaß, das ist die Kunst und darin unterscheiden sich Menschen. Anstatt aufzufordern, man solle das eigentliche Problem lösen, würde ich sagen man soll akzeptieren, dass das eigentliche Problem nie ganz zu lösen sein wird. Dass man versucht in angenehmem Ausmaß darauf zu schauen gesund und für andere verträglich zu sein und auch eine gewisse Ordnung erhalten möchte..., dagegen ist ja nichts einzuwenden.

Die Zwänge als Übungsfeld zu sehen, “mich“ durchzusetzten, das tue ich schon auch manchmal, aber da denke ich mir dann schon auch: Es gibt anderes, wo ICH schon mehr dahinter stehe. Den Sinn der Zwänge zweifelt man ja selbst berechtigterweise auch an und sollte man das ehrlicherweise nicht auch den anderen gegenüber eingestehen (kommt sicher auch darauf an in welchem Umfeld man sich dann auch outen möchte,..) Vielleicht sollte man sich gerade im “zwangsfall“ darauf besinnen, ob nicht ein Kompromiss besser wäre, nämlich für alle.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Antworten