Dieses Spiel verhält sich wie mein Zwang

[Miranda_L]

Schmeckt er dir der Burger, wenn du ihn so isst? Gibt es auch Pommes dazu?

Es gibt nichts besseres
Das ist irgendwie ein Unterschied zum krampfhaften Überwinden, wenn man dem Zwang nicht nachgeben will.
In diesen Momenten kann ich den Angstgedanken irgendwie wegblenden. Als Unwichtig in den Hindergrund schieben.
Und dann schmeckt der Burger.

Ich hatte sowas schon mal. Ich bin schon mal über derartige Ängste hinweggekommen. Da waren sie (glaube ich) aber nicht so ausgeprägt wie jetzt.
Das war eine Zeit, in der für mich Aufbruchsstimmung geherrscht hat. Neue Schule, neue Zukunftspläne und ich hatte ein paar andere Probleme hinter mir gelassen.
Ich weiss noch, dass ich am ersten Schultag auf dem Schulhof saß, mit den neuen Klassenkameraden, und das Bedürfnis hatte, mir die Hände zu waschen bevor ich das Pausenbrot auspacke. Ich wollte aber nicht pingelich wirken und hab mich dann dazu entschieden, das Brot einfach so zu essen.
Das klappte erstaunlich gut. Und seit dem habe ich das immer so gemacht. Ich habe auch angefangen, mit anderen Leuten aus einem Becher zu trinken, oder vom gleichen Schokorigel abbeissen.
All diese Dinge, die das Leben weniger umständlich machen, die mir aber vorher Probleme bereitet haben.

Bis vor etwa einem Jahr konnte ich diese Dinge auch noch.
Das Bewusstsein, dass das mal nicht ging war immer im Hintergrund da. Das hat aber dazu geführt, dass ich jedes Mal wenn ich mir einen unverpackten Keks mit ungewaschenen Händen aus einer Schale genommen habe, in die auch andere mit ungewaschenen Händen reingegriffen haben, das Gefühl hatte, gewonnen zu haben. Und das ist ein wirklich gutes Gefühl. Und dann schmecken die Kekse gleich doppelt so gut.

Ich glaube, dass ich langsam wieder auf diesen Pfad zurückkomme.
Ich habe mit meiner Psychologin ein paar Probleme aufgedeckt, die schon seit vielen Jahren existieren, an die ich mich aber so gewöhnt habe, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass es große Probleme sind.
Jetzt gehe ich diese Schritt für Schritt an und es stellt sich wieder diese Aufbruchsstimmung ein.

Ich kann euch nur empfehlen: Versucht die Probleme zu finden, die euren Zwang am Leben halten.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass euch Expositionsübungen sehr viel leichter fallen, wenn ihr diese Probleme aktiv angeht.

Gruß
Miranda

[Silvia]

Hallo Michael,

jetzt kann ich sehr sehr gut nachvollziehen wie es Dir mit dem Leihwagen und dem ganzen Drumherum erging.

Auch ich habe so meine Schwierigkeiten, wenn sich Dinge ewig lange hinziehen.
Ständiges hinter telefonieren oder nachfragen, zerrt auch an meinen Nerven.
Ich habe auch immer lieber Dinge Frist-/ Termingerecht sofort erledigt und beim Auto natürlich auch Scheckheft- gepflegt in der Fachwerkstatt.

Ich kann mich noch sehr gut an letztes Jahr erinnern, als mein Auto eine kleine Macke hatte und des Öfteren nicht anspringen wollte. In der Zeit war das Gefährt mehr in der Werkstatt, als zu Hause. Ständiges hin und her, Ersatzteile bestellen, einbauen, bezahlen und dann feststellen, dass es das doch nicht nur war. Also wieder von vorne... und vorne... und vorne... die ganze Misere ging über ein halbes Jahr.
In der Zeit hatte ich sämtliche Leihwagen des Händlers durchprobiert und meine Nerven waren am Ende.

Auch meine Zwänge lassen mich in der Garage kontrollieren... Licht, Handbremse, Gang, Fenster, Innenraumbeleuchtung und zum Schluss, ob ich auch abgeschlossen habe.
Danach mache ich die Garage zu und muss dann natürlich auch nochmal kontrollieren, ob sie auch wirklich zu ist.
Mir geht es auch oft so, dass ich dann schon im Haus bin und dann wieder die Zweifel in mir hochsteigen.... also wieder nach draußen. Garage auf, Auto kontrollieren, Garage zu und Garage kontrollieren.

Ich kann Dich da sehr gut verstehen und Deine Situation nachvollziehen, vor allem mit dem Leihwagen.

Das ich oft grübel, was ich denn eigentlich noch ohne Zwang kann, habe ich diese Woche bei meiner Therapie angesprochen.
Meine Therapeutin hat mich dann mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und mich in Gedanken durchs Haus gehen lassen. Raum für Raum musste ich Dinge benennen, die ich nicht / oder nicht mehr täglich kontrolliere.
Um mir mal wieder bewusster zu machen, dass es schon mal viel viel schlimmer war und es mir jetzt grad gar nicht so schlecht geht.

Liebe Grüße, Silvia

[michael_m]

Hallo Silvia,

dann sind wir ja Auto-Zwangs-Leidensgenossen.

Und ja, man richtet leider generell mehr den Blick auf Sachen die nicht funktionieren.
Ein Beispiel, das auch "Normale" betrifft: Man hat das Gefühl, als ob man immer an der langsamsten Kassenwarteschlange steht oder immer die rote Ampel erwischt. Dabei vergisst man, dass es oft auch schon Situationen gab, wo man nicht lange an der Kasse warten musste bzw. wo man eine grüne Welle hatte.

Was meine Auto-Zwänge angeht, so ist es, dass ich inzwischen viel entspannter Radfahrer überholen kann (-> könnte ihn angefahren/überfahren haben). Auch Ampeln machen mir inzwischen nur noch selten zu schaffen (-> könnte aus Versehen bei Rot gefahren sein).

Man merkt vielleicht von meinen Beiträgen der letzten Zeit, dass ich verstärkt versuche, meine Erfolge zu sehen. Natürlich auch mit einen Stupser vom Therapeuten.
Aber was ich selber die letzten Tage stark gemerkt habe: Wenn ich vorher schon über die Situation grüble, wie schlecht es funktionieren wird, so ist es auch automatisch schlimmer wenn die Situation kommt: "Mist, jetzt muss ich nochmal vorher in die Wohnung. Ich werde dann wieder ewig brauchen, weil ich nochmal alles kontrollieren werden muss." An der "Selbsterfüllten Prophezeiung" ist doch manchmal was dran ...

Liebe Grüße, Michael

[michael_m]

PS: @Miranda: Glückwunsch zu deinem erfolgreichen Burger-Essen!