Partner mit Zwangserkrankung

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Yorge
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Beitrag von Yorge »

Intensive Beziehungen sind wunderbar herausfordernd, so sehe ich das auch. Ich finde es auch spannend, wie sich der Zwang hier äußert. Wie die eingefahrenen Gedankengänge, auch in der Welt draußen unbedingt eingehalten werden müssen. Die willentliche (!) Kontrolle scheint er darüber nicht mehr zu haben - wenn dem so wäre, dann wäre das in dem Sinn keine Zwangsstörung. So, wie ich es verstanden habe, möchte er selbst eigentlich auch nicht mehr immer die selben Wege nehmen müssen. Ich denke, dass damit auch das Gefühl der Sicherheit ins Wanken gerät. Klar kann Routine Sicherheit geben. Aber das ist ja nur eine scheinbare Sicherheit auf Kosten selbst-bestimmter erfüllter Momente und mit einer massiven Einschränkung auch ein bisschen flexibel auf Unvorhergesehenes reagieren zu können.

Ich möchte aber jetzt aufhören über ihn zu schreiben, da das v.a. Spekulationen sind. Ich würde generell Angehörigen (auch in SHG) empfehlen weniger an der Störung des Parnters, Kindes.. zu arbeiten und versuchen den anderen zu heilen. Besser ist es, wenn man bei sich bleibt. Was macht es mit mir? Was tue ich, damit es für mich (trotzdem) passt? Was wünsche ich mir?
Ich finde es auch etwas phantasielos zu sagen: naja, da suchst dir lieber einen anderen, weil so ne Zwangsstörung ist was Mühsames. Es kann auch für einen selbst spannend sein mitzuerleben, wie man Verstrickungen lockert und wie man lernt gut mit Freiheit umzugehen.

Ich picke mir manchmal einzelne Wörter raus dir mir nicht ganz "passen". Das versuche ich etwas mehr zu lassen, aber das kann ich mir wiedermal nicht verkneifen:
Kathrin du schreibst die Betroffenen wissen, wie unlogisch sie denken. Du selbst glaubst das aber nur (zwar ganz sicher, aber naja..). Also beim ZWEIFELN, da sind schon wir Zwängler die Experten - das musst du uns schon lassen ;)
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Kathl36
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Re: Partner mit Zwangserkrankung

Beitrag von Kathl36 »

Okay Okay ich werde nicht mehr zweifeln:-)

Das es schwierig ist weiß ich selbst, da ich es tagtäglich mitbekomme. Ich weiß auch selbst, dass ich entscheiden muss wie weit ich gehen will und wie lange ich das mitmachen möchte.

Ich möchte jetzt auch den zweiten Anlauf eine Chance geben und er hat am Montag einen Termin bei einem neuen Psychologen, wir werden sehen.

Wie schätzen denn selbst Betroffene Therapien ein? Merkt ihr selbst eine Besserung ? Fallen euch Dinge durch die Therapie einfacher?

Wie sieht bei euch euer Sozialleben aus?

Gruß
Kathrin
Silvia
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Re: Partner mit Zwangserkrankung

Beitrag von Silvia »

Hallo Kathrin,

bei mir war es so, dass sich durch die Therapie anfangs, am Zwangsverhalten gar nichts bemerkbar machte.
Durch die Medikamente, bin ich aber innerlich schnell, viel ruhiger geworden, was sich ja auch beim Familienleben bemerkbar macht.
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis erste minimale Erfolge zu erkennen waren. Zumindest für mich und meine Therapeutin, meine Familie, hat das oft gar nicht wahr genommen.

Es ist auch jetzt, nach fast zwei Jahren Therapie und Medikamente noch so, dass ich Stück für Stück weiter komme. Mal in kleineren Schritten, die nur für mich entscheidend und bemerkbar sind, mal in größeren, von denen alle profitieren können.

Wichtig ist, dass man sich in der Therapie wohl fühlt, mit dem Gegenüber gut zurecht kommt und ein Vertrauen aufbaut, wo es keine unausgesprochenen Dinge gibt.
Und! Man sollte es selbst natürlich wollen!

Meiner Meinung nach, ist aber nicht nur die Therapie entscheidend, auf dem Weg zum gesund werden.
Ich bin der Ansicht, dass man an seinen Lebensumständen arbeiten muss.
Irgendwo gibt es Defizite oder Dinge die nie verarbeitet werden konnten.
Die Bandbreite, warum einen eine Zwangserkrankung einholt, ist groß.


Mein Sozialleben hat sich durch den Zwang sehr verändert.
Es ist bei mir aber nicht nur der Zwang, sondern auch meine ganze Lebenssituation.

Seit dem mein Zwang richtig schlimm geworden ist, kann ich zB das Haus nicht mehr verlassen, wenn jemand zu Hause ist. Ich würde die Kontrolle verlieren und meine Ordnung und Symmetrie wäre vielleicht nicht mehr gegeben.
Zu meinen schlimmsten Zeiten, habe ich nur noch einmal in der Woche das Haus verlassen und das, weil es sein musste, weil ich einkaufen „wollte“.

Ich habe nur noch eine handvoll Menschen, auf die ich bauen kann.
Aber eigentlich hat mich mein Leben, mein Zwang, meine Situation, sehr einsam gemacht.

Ich hoffe, ich konnte Dir ein klein wenig helfen.

Alles Gute, Silvia
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
Kathl36
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Re: Partner mit Zwangserkrankung

Beitrag von Kathl36 »

Guten Morgen Silvia,

freut mich das du Erfolge erzielst:-). Es sollen ja auch Ziele für dich sein, nicht für andere!

Ich kann mir aber vorstellen, dass wir als Angehörige es manchmal nicht erkennen, denn wenn ich von mir aus gehe, habe ich mich ja schon an das Verhalten meines Partners gewöhnt, bzw kenne es ja. Vielleicht achtet man daher nicht immer auf Details, weißt du wie ich meine?

Ich bin deiner Meinung, dass man zusätzlich zu der Therapie auch weiter an sich arbeiten sollte, bzw sich etwas suchen sollte was einen beruhigt, entspannt oder eben gut tut.

Wie sieht es jetzt mit dem Verlassen des Hauses aus?
Soziale Einsamkeit bringt diese Krankheit denk ich mit sich oder? Unsere sozialen Aktivitäten in der Beziehung sind fast 0:(. Letzten Sommer war es aber ein gute Sommer, mein Partner ist wirklich über seinen Schatten gesprungen und wir haben ein paar Ausflüge gemacht. Ich merke ja , dass er am Leben genauso aktiv teilnehmen will wie jeder von uns und manchmal hat er die Kraft dagegen zu steuern und da bin ich sehr stolz auf ihn.

Mir ist bewusst, dass eine Zwangserkrankung nie komplett geheilt wird, aber ich denke trotzdem das man mit Hilfe sie lebenswerter machen kann.

Silvia, ich hab einen Beitrag von dir gelesen, dass wenn du ausserhalb deiner Wohnung dich bewegst, der Zwang fast weg ist. Das fande ich sehr interessant, denn bei meinem Partner ist der Zwang im Urlaub oder anderen Orten ausser daheim , zwar da aber sehr abgeschwächt. Obwohl mein Partner und ich vermuten das wenn er sich länger an einem Ort aufhalten würde, die Routine wahrscheinlich sich auch wieder in den Zwängen niederlegen würde. Bei ihm ist es nämlich in der Wohnung am intensivsten, aber zugleich glaub ich auch die Sicherheit die er braucht bzw entspannter als ausserhalb.

Wie geht dein Partner damit um? Mich interessiert am meisten, wie andere Betroffenen ihre Beziehung trotz Handicap "meistern"?
Was hilft dir ? Wie kann dich dein Partner unterstützen?

Ich bin oft verunsichert. Gestern hatte er einen sehr schlechten Tag als er von der Arbeit heimkam, das bemerke ich mittlerweile ziemlich schnell. Ich weiß nie, soll ich ihn dann einfach in Ruhe lassen, kann ich ihm helfen? Will er das alleine durchstehen? An so einem schlechten Tag ist ja auch sein Stresspotenzial extrem hoch!

Viele liebe Grüße
Kathrin
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OCD-Marie
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Re: Partner mit Zwangserkrankung

Beitrag von OCD-Marie »

Irgendwie komme ich da gerade nicht mehr so recht hinterher...

Was ist es denn nun ?
In deinem ersten Beitrag hast du geschrieben, er habe "den Zwang immer die gleichen Wege zu gehen, also der Tag hat immer den gleichen Ablauf.". Er muss selbst bei einer seltenen Urlaubsreise auf dem Rückweg die selbe Tram-Linie nehmen wie auf dem Hinweg. OK. Aber was ist dann das Problem beim ins Kino gehen zB. Warum geht das nicht mehr ? Ihr könntet ja schließlich auch den selben Weg zurückfahren... Das Gleiche beim Einkaufen oder anderen Erledingungen.

Und wenn der Tag immer exakt den selben Ablauf haben müsste - also schon ein Kinobesuch oder ein Einkauf ein Störfaktor wäre - wie wäre dann überhaupt eine Urlaubsreise möglich. Die wäre dann ja der totale Störfaktor.

Und warum ist er bei einem Einkauf hinterher "wütend auf alles" ???

Das nächste ist: in Urlaub kann er fahren - zu deinen Eltern aber nicht. DAS stresst ihn zu sehr... ?!?

Und nun - in deinem letzten Beitrag - schreibst du, dass der Zwang "in der Wohnung am intensivsten" sei...

Und wie ist das nun bei der Arbeit ? Was ist da das Problem ?

Du wirst verstehen, wenn ich sage, dass das alles im Moment recht schwer in Einklang zu bringen ist...

Was genau sind denn seine Ängste, seine Befürchtungen ? Warum genau muss er den selben Weg nehmen, kann in Urlaub aber nicht ins Kino ? Und was ist das Problem zu Hause ?

Was versucht er durch sein Verhalten zu vermeiden ?
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Yorge
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unbrauchbare Zwänge

Beitrag von Yorge »

Ich habe gerade in dem meiner Meinung nach recht empfehlenswerten Mutmachbuch "Zwänge bewältigen" gelesen: "Sehr wichtig sind Partner, die den Betroffenen unterstützen, die dem Zwang aber auch Grenzen aufzeigen."

Ich würde auch den Zwang (auch zu Gunsten des Betroffenen) nicht zu sehr als Entschuldigung oder "Ausrede" gelten lassen. Wenn ich das Beispiel mit den Schwiegereltern hernehme. Ich weiß nicht wieviel dir Kathrin das bedeuten würde, sie gemeinsam zu besuchen. Ich weiß auch nicht, ob er das ohnehin gerne vermeiden möchte. Sollte es so sein, dass er nicht hinfahren will, dann ist das natürlich ok. Nur, dann soll er die Möglichkeit haben, das so zu sagen. Damit verliert die Funktion des Zwangs: anstatt sagen zu müssen "das will ich nicht", einfach sagen zu können "das kann ich nicht wegen meinem Zwang", an Bedeutung.

Was jetzt zwar nicht gerade hier rein passt, aber zum Thema Zwang in der Partnerschaft fällt mir das immer wieder ein: Wenn z.B. sie einen Ordnungs- und Putzzwang hat. Er meint dann: "Naja, ich tue da nichts mehr in der Hinsicht, weil sie bringt ja ohnehin schon alles in so eine übertriebene Ordnung." Das finde ich nicht richtig, dass hier vom Angehörigen die Störung "ausgenutzt" wird. Der soll schon auch seinen Beitrag leisten (wenn das in dieser Partnerschaf so vorgesehen wäre), so wie er es eben auch machen würde, wenn die Partnerin nicht die Krankheit hätte. Es geht darum dem Zwang seine vermeintliche (ja eigentlich sinnlose) Bedeutung aufzuzeigen.

In dem oben zitierten Buch finde ich das ganz interessant erklärt, so in etwa: Jede einzelne Ausführung einer Zwangshandlung (gilt natürlich auch fürs Vermeiden) stärkt den zugrundeliegenden Zwangsgedanken in seiner (vermeintlichen) Bedeutung. Für mich zeigt das, wie sich das ungesunde System selbst erhält. Und da, denke ich, können auch Partner und andere vertraute wohlwollende Mitmenschen gerne "störend" eingreifen.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Silvia
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Re: unbrauchbare Zwänge

Beitrag von Silvia »

Yorge hat geschrieben: Sa 16. Mär 2019, 21:46 Ich habe gerade in dem meiner Meinung nach recht empfehlenswerten Mutmachbuch "Zwänge bewältigen" gelesen: "Sehr wichtig sind Partner, die den Betroffenen unterstützen, die dem Zwang aber auch Grenzen aufzeigen."

Ich würde auch den Zwang (auch zu Gunsten des Betroffenen) nicht zu sehr als Entschuldigung oder "Ausrede" gelten lassen. Wenn ich das Beispiel mit den Schwiegereltern hernehme. Ich weiß nicht wieviel dir Kathrin das bedeuten würde, sie gemeinsam zu besuchen. Ich weiß auch nicht, ob er das ohnehin gerne vermeiden möchte. Sollte es so sein, dass er nicht hinfahren will, dann ist das natürlich ok. Nur, dann soll er die Möglichkeit haben, das so zu sagen. Damit verliert die Funktion des Zwangs: anstatt sagen zu müssen "das will ich nicht", einfach sagen zu können "das kann ich nicht wegen meinem Zwang", an Bedeutung.

Hallo Yorge,

an sich möchte ich Dir ja gar nicht widersprechen und Deine Ansicht mit Dir teilen, aber... ;)
Partner können einen unterstützen, ja, aber auch zugleich, auch belastend sein.
Vielleicht liegt es dann aber auch nicht nur an dem Zwang, sondern spielen andere Faktoren noch mit rein.

Was mir bei Deinem Posting aufgefallen ist, dass Du sehr dafür plädierst, dass Partner nicht für, sondern gegen den Zwang arbeiten.
Ja, mag sein, dass das eigentlich die beste Variante ist, um dem Zwang überhaupt nicht erst ganz so viel Raum zu geben.
Andererseits ist es ja auch so, wenn der Zwang erstmal da ist und sich gewisse Dinge schon ritualisiert haben, kann man auch nicht einfach, als Angehöriger dagegen arbeiten.
Das würde nur für extreme Unruhe sorgen und gegebenenfalls sogar nach hinten los gehen.

Beispiel:
Bei uns zu Hause ist der Wasserkocher ein rotes Tuch für mich und allein wenn schon jemand nur in die Nähe kommt, bekomme ich Panik.
So hat es sich nun im Laufe der Zeit bei uns entwickelt, dass Teewasser bspw in der Mikrowelle, oder ganz altmodisch im Topf auf dem Herd warm gemacht wird.
Wenn mein Mann jetzt einfach anfangen würde, den Wasserkocher zu benutzen, würde das für mich mit Stress, Panikatacke und Unruhe verbunden sein. Was wiederum meinen kompletten Tag aus dem Gleichgewicht bringen kann.

Meine Therapeutin ist der Ansicht, dass manifestierte Zwänge nicht einfach so zu durchbrechen sind.
Stück für Stück, das was man sich selbst zutraut, ist da die Devise. Und nicht das, wonach einem anderen Familienmitglied gerade ist.
Ganz anders natürlich bei neuen Zwängen, die gerade in der Entstehungs- Phase sind und noch nicht ritualisiert. Da sollte durchaus von außen mal darauf hingewiesen und auch angestupst werden, dass es erst gar nicht soweit kommt.

Ich persönlich finde, dass diese Vorangehensweise, für mich zumindest, optimal ist.
Ansonsten fühle ich mich schnell zu sehr unter Druck gesetzt oder gar überfordert.

Oder wie siehst Du das Ganze, Yorge? ;)

Schönen Sonntag,
Silvia
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
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Yorge
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Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

brodeln

Beitrag von Yorge »

Danke, Silvia für deine Ansicht und dein anschauliches Beispiel. Ich sehe das mit dem Wasserkocher ähnlich wie mit den Schwiegereltern - wobei es bei letzteren vielleicht nicht immer ganz so heiß hergeht :lol:
Nun hast du mit deinem Zwang die alleinige “Herrschaft“ über den Wasserkocher, mitsamt zu fürchtenden Konsequenzen, wenn man sich nicht daran hält. Weil sich das schon so eingefahren hat, ist euch vielleicht gar nicht mehr bewusst, dass dein Mann jedesmal, wenn er ihn nicht benutzt, obwohl er möchte, ein klein wenig zur Erhaltung deiner schweren Erkrankung beiträgt. Er hat sich damit auch einen Zwang auferlegen lassen und es würde ihm wsl. ähnlich schwer wie uns fallen dagegen zu handeln (er befürchtet eben nicht das gleiche wie du, sondern vielleicht die heftige Auseinandersetzung mit dir oder auch dein Leiden). Im Endeffekt sollte er aber auch versuchen trotzdem wieder das zu tun, wie er (und wsl. auch eigentlich deine Vernunft) es für passend hält. Es würde wsl. tatsächlich nicht funktionieren von einen Moment auf den anderen so zu tun, als wäre nichts gewesen. Aber deswegen es bei dem wie es ist zu belassen finde ich auch nicht richtig - wie du schreibst Stück für Stück. Und einer der ersten Schritte ist ja schon getan, indem du es hier schreibst und damit als Zwang deklarierst - damit steht ja das Wasserkocher-Tabu schon auf der “Abschussliste“. Ich versuche mir bei solchen zu schwer auf einmal zu lösenden Zwängen (und keine Sorge, das sind bei mir auch welche die an Absurdität leicht mit deinem mithalten können) zu überlegen, was ein erster möglicher Kompromiss wäre. Das der für dich (deinem Zwang), aber auch für die anderen zunächst nicht ganz passt gehört dazu. So ein Kompromiss kann sich bei mir auch mal zufällig ergeben, wenn z.B. was aus Versehen kontaminiert wird und ich sage, das belasse ich jetzt so .. oder doch nicht.. hhmmm .. ja schon, im Zweifel gegen den Zwang... also das belasse ich jetzt ““kontaminiert““ weil ich mich nicht vom Zwang diktieren lassen will und wieder ein erfülltes Leben haben will...
Und wenn ich mit mir so einen Teilschritt aushandle mache ich mir gleich bewusst, dass das nicht wieder was Starres bleiben soll. Da kann ich schon auch wieder mal ein wenig dem Zwang nachgeben oder noch besser mich gleich noch ein wenig weiter Richtung Selbstbestimmtheit bewegen.
Kannst du oder auch die anderen damit was anfangen? Ist das in diesen Fällen möglich einen Zwischenschritt als Kompromiss anzugehen?
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OCD-Marie
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Re: Partner mit Zwangserkrankung

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo,

ich bin zwar nicht der Yorge, möchte ihm an dieser Stelle aber zustimmen.
Silvia hat geschrieben: So 17. Mär 2019, 11:12 Ich persönlich finde, dass diese Vorangehensweise, für mich zumindest, optimal ist.
Nun, ob sie "optimal" oder nicht - sie ist vor allem eines: bequem.

Was Yorge hier angesprochen hat ist das Problem der Co-Abhängigkeit. Dass sich nämlich die Angehörigen dem Zwang ebenfalls unterordnen. Das sorgt zwar kurzfristig für eine gewisse "Ruhe". Langfristig jedoch unterstützt es die Aufrechterhaltung des Zwangs ! Man ermöglicht dem Betroffenen so, sich es in seinem Zwang gemütlich zu machen. Man nimmt dem Betroffenen zumindest einen Teil des Leidensdrucks. Das mag mancher zwar als "optimal" emfinden - es ist langfristig jedoch kontraproduktiv.

Denn - auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen - auf Beziehungsebene ist ein Zwang nichts anderes als lupenreiner 100%iger Egoismus. Es wird erwartet und verlangt, dass sich der Partner dem Zwang unterwirft.
Man könnte daher auch sagen, es wäre ein Akt der Liebe, wenn du Silvia zu deinem Mann sagen würdest: "Lieber Mann, wir wissen beide, dass ich Probleme habe wenn du den Wasserkocher benutzt. Aber ich möchte nicht, dass DU wegen MEINER Probleme so ein eingeschränktes und umständliches Leben führen musst. Bitte benutze ihn weiter !"

Und wenn du davon sprichst, dass so ein Verhalten des Partners "nach hinten losgehen" könnte - das wäre kein nach-hinten-losgehen im eigentlichen Sinn. Wenn es tatsächlich so wäre, dann würde lediglich offen zu Tage treten was unterschwellig ohnehin schon die ganze Zeit im Raum stand: dass nämlich (zumindest bei starken Zwängen) ein halbwegs vernünftiges Zusammenleben nicht mehr möglich ist.
Und dieser "Schock" kann auch sehr heilsam sein. Denn es würde dem Betroffenen aufzeigen, wie tief er schon gefallen ist. Manche ziehen erst hieraus die nötige Motivation, wirklich an sich zu arbeiten.
Man kann hier auch direkte Parallelen zu Alkoholikern und anderen Suchtkranken ziehen. Manche entwickeln recht früh die Motivation von der Sucht loszukommen. Andere müssen erst vom Partner verlassen oder gar obdachlos werden.
Nun muss man fairerweise erwähnen, dass es noch eine weitere Gruppe gibt. Die entwickelt auch aus so einschneidenden Erlebnissen nicht die nötige Motivation.
Ich fürchte, bei Zwänglern ist das nicht anders. Aber in diesen Fällen hätte dann zumindest der Partner nicht zu viel seiner ebenfalls kostbaren Lebenszeit geopfert. Und ich bin geneigt zu sagen: verschwendet...

Und wenn es nicht völlig "nach hinten losgeht", dann hättest du wegen dem Wasserkocher zwar Stress. Das wäre unangenehm und anstrengend. Zweifellos. Da wären eben mal ein paar Tage "dahin".
Aber mit der Zeit würdest du dich dran gewöhnen. Und ich weiss an diesem Punkt, wovon ich spreche. Bei mir war es zwar nicht der Partner, sondern andere "Teile" meines Umfeldes. Und ich hatte am Anfang massive Probleme damit, dass sich diese "Teile" nicht an meine "Regeln" gehalten haben. Aber im Laufe der Wochen/Monate - manchmal Jahre - gewöhnt man sich daran...

Es gibt - vor allem langfristig betrachtet - also gute Gründe für Yorges Empfehlung.
Silvia
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Re: Partner mit Zwangserkrankung

Beitrag von Silvia »

Hallo Yorge, hallo Marie,

warum habe ich nur mit so einer Reaktion gerechnet!? :lol:

Ich kann Eure Ansicht und Meinung auch vollkommen nachvollziehen.
Aber wollen wir uns wirklich hier bei den Angehörigen darüber „streiten“?
Reicht ja, wenn wir das sonst unter uns schon tun. ;)
Mein Vorschlag wäre, dass Thema vielleicht bei den Betroffenen noch einmal aufzugreifen.

Liebe Grüße,
Silvia
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
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