Zwangsstörungen in der Partnerschaft

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andreas_

Zwangsstörungen in der Partnerschaft

Beitrag von andreas_ »

Hallo zusammen,

ich bin mit meiner Partnerin seit fast vier Jahren in einer Beziehung und sie ist das Beste was mir passiert ist. Leider fing seit Ende August 2018 meine Partnerin an, immer mehr Ängste zu entwickeln die ich nicht nachvollziehen konnte. Da sie sich zum Zeitpunkt in einer Prüfungsphase befand, habe ich es allein für Stress gehalten.

Leider wurde es nach Abschluss der Prüfung November 2018 immer schlimmer. Sie hat solche Angst vor unserem gemeinsamen Hund bekommen, dass er in unsere Wohnung den „Fuchsbandwurm„ bringen könnte und sie sich damit "infiziert". So haben wir angefangen unseren Hund fast nach jedem Spaziergang gründlich zu waschen. Das hat die Situation leider immer weiter verschlimmert und wir unserem Hund das auch nicht mehr antun konnten und ihn zu ihren Eltern gebracht haben.

Leider hat das wenig gebracht. Sie hat angefangen sich mehrmals täglich zu duschen (mehrere Stunden auch), Kleidungen wurden sobald man draußen war in die Wäsche geworfen und Gegenstände die mit unserem Hund in Berührung waren wurde gereinigt oder entsorgt. Hunde- und Vogelkot auf der Straße könnten sie auch "infizieren" und haben den Waschzwang ebenfalls ausgelöst.

Als wir über Silvester im Urlaub waren und in unserem Hotel „rote Flecken“ waren, kam die nächste Angst dazu. Die Ansteckung von HIV. Seit dem tretet der „Waschzwang“ auch auf, wenn Sie Menschen zu nahe kommt (insbesondere Obdachlose).
Dieser Waschzwang führt sehr oft dazu, dass wir uns extrem streiten…

Meine Partnerin befindet sich auch seit fast drei Wochen in einer Verhaltenstherapie. Ich habe sehr große Hoffnung in die Therapie…
Ich selber versuche mich ihren Reinigungsritualen zu widersetzen und versuche immer mit ihr darüber zu sprechen und auch zu augmentieren, dass ihr nicht passieren wird. Manchmal klappt es und sie beruhigt sich, aber oft gewinnt der Zwang…

Seit einer Woche habe ich auch schon selber mir therapeutische Hilfe gesucht, da ich merke, dass durch ihre Zwänge ich große Aggressionsprobleme bekommen habe und wir uns sehr heftig streiten.

Ich erhoffe mir hier vielleicht ein paar Ratschläge oder auch Hilfestellungen als Angehörige oder auch Erfahrungsberichte über Erfolgschance von Verhaltenstherapien. Die Informationen die ich durch Lesen oder auch von meiner Therapeutin bekommen haben waren immer nur, ich darf den Zwang nicht unterstützen. Aber wie?! Das ist einfacher gesagt als getan :(!

Viele Grüße
Andreas
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OCD-Marie
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Zwangsstörungen in der Partnerschaft

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Andreas,

solange das eigentliche Problem besteht sind die Erfolgschancen einer Therapie eher bescheiden. Deshalb kann ich dir nur empfehlen, deine Erwartungen erheblich zu reduzieren. Selbst wenn die Therapie am Ende erfolgreich verläuft - es kann viele Jahre dauern...

Dass du selbst zur Therapie gehst ist gut. Du willst sie offenbar mit aller Gewalt (heftiges Streiten) ändern. Das wird nicht funktionieren.
Akzeptieren wie sie ist und für sie da sein. Das ist alles. Nicht streiten ! Die Dinge werden so schnell auch nicht wesentlich anders werden...

Du solltest auch nicht versuchen, sie zu therapieren. Das kann als Partner nur gründlich schief gehen ! Deshalb: Finger weg davon !

Wer von euch hatte eigentlich die Idee mit dem Hund ? War das deine Idee ?

Viele Grüsse
Marie
andreas_

Re: Zwangsstörungen in der Partnerschaft

Beitrag von andreas_ »

Hallo Marie,

ich hatte entschieden, dass unser Hund erst einmal nicht mehr bleiben kann. Es war auch ihm nicht mehr gerecht.
Ich versuche Sie gar nicht aggressiv zu ändern, leider wird sie bei ihren ausrasten so aggressiv das meine Geduld irgendwann zu Ende ist und ich aggressiv werde. Sobald das passiert, bekommt sie immer einen "Blackout" und weis danach gar nichts mehr was sauber und was "schmutzig" ist.

Ich weis, dass ich sie nicht therapieren kann, das ist mir bewusst. Ich möchte einfach für sie da sein. Aber selbst das ist so grausam schwer, sobald man einen falschen Schritt oder Bewegung macht fängt der ganze Teufelskreis von vorne an.

Ich bin einfach so ratlos wie ich für sie da sein kann, besonders in den Situation wo es komplett eskaliert und sie stundenlang in der Dusche am weinen und schreien ist...

Grüße
Andreas
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OCD-Marie
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Zwangsstörungen in der Partnerschaft

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Andreas,

na eigentlich meinte ich die Anschaffung des Hundes. Wessen Idee das war.

Aber natürlich ist das für den Hund auf Dauer kein Zustand mehr. Der würde mit der Zeit nur verhaltensauffällig... Und ganz nebenbei: waschen alleine genügt nicht. Um sicher zu gehen müsstet ihr ihn jedes mal auf 60° erhitzen... :-)

Fuchsbandwurm wurde früher tatsächlich viel gefährlicher eingestuft. Selbst das Robert-Koch-Institut hat vor 20 Jahren noch empfohlen, nach einem Waldspaziergang die Wäsche direkt in die Waschmaschine zu befördern. Und Waldbeeren essen - schon zehnmal nicht ! Diese Empfehlungen werden heute alle so nicht mehr aufrecht erhalten.
Hier findest du Berichte dazu: https://mediathekviewweb.de/#query=fuchsbandwurm
(vor allem die neueste "Abendschau" sowie die odysso-Beiträge)

Ich denke, es wäre wichtig, dass sie das sieht. Allerdings - mache dir keine grossen Hoffnungen. Selbst wenn dieser "Samen gesät" ist und die "Pflanze auch tatsächlich anwächst" - es wird dauern...

Der Streit mit dir bringt sie völlig zu Fall. Sie ist vorher schon extrem belastet. Und wenn ihr euch dann auch noch anschreit, dann geht bei ihr völlig die Sicherung raus... Deshalb ist es sehr wichtig, dass du dich nicht auf den Streit einlässt.

Jeder "falsche Schritt" deinerseits weckt bei ihr neue Ängste und damit Aggressionen. Damit musst du vorerst leben, wenn ihr zusammenbleibt. Gleichzeitig bedeutet "den Zwang nicht unterstützen", dass du ganz normal weiterlebst und dich nicht ihren Zwangs-Ansprüchen (was dein Verhalten anbetrifft) unterwirfst. Dich so zu verhalten, dass sie "ruhig" bleibt ist so gesehen gerade der falsche Weg. Das ist das Dilemma, vor dem du stehst. So wie andere Partner auch...

Für sie da sein bedeutet einfach nur da sein. Nicht ständig mit ihr diskutieren. Sie nicht bemuttern. Da sein, für den Fall, dass sie dich braucht. Und wenn sie stundenlang in der Dusche weint und schreit - dann lass sie weinen und schreien. Dann beschäftige dich mit dir oder mit nem Hobby oder sonstwas. Geh mit deinen Kumpels ´n Bier trinken. Das musst du aushalten lernen.

Eigentlich wäre ich geneigt zu sagen, setze dich zu ihr in die Dusche und nimm sie in den Arm. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit würdest du sie damit nur noch mehr stressen und aus ihrem (Zwangs-)Konzept bringen.

Eines muss man an dieser Stelle aber auch ganz klar sagen: wenn es so schlimm ist, dass sie Stunden unter der Dusche zubringt, dann ist sie ein Fall für die Klinik. Die ambulante Therapie wird dem nicht annähernd gerecht werden können.

Grüße
Marie
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