Zusätzliche Behandlung

Miranda_L

Zusätzliche Behandlung

Beitrag von Miranda_L »

Hi,

ich bin im Moment in Therapie bei einer Tiefenpsychologin.
Wir machen Gesprächstherapie.
Wir sind noch recht am Anfang. Ich merke, dass es mir nach so einem Gespräch schon besser geht, aber ich bin mir nicht sicher, ob es sich auf die Zwänge Auswirkt.

Ich habe erst nach Anfang der Therapie erfahren, dass eigentlich Verhaltenstherapie die beste Methode gegen Zwänge ist.
Nun ist meine Therapie aber schon genehmigt und - vielleicht führt sie ja zum Erfolg ...

Ich frage mich nun, ob es sinnvoll wäre, zusätzlich eine Verhaltenstherapie zu beginnen. Notfalls aus eigener Kasse.

Was meint ihr dazu? Ist das sinnvoll? Ist das überhaupt möglich? Oder würden die beiden Therapieformen sich gegenseitig stören?
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Antonia
Moderator
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Registriert: Di 20. Mär 2018, 21:40
Wohnort: Hamburg

Re: Zusätzliche Behandlung

Beitrag von Antonia »

Liebe Miranda!

Einen Platz, bei einem Therapeuten zu bekommen, ist nach wie vor schwierig und mit langen Wartezeiten verbunden. Da ist man froh, wenn man dann einen Platz bekommt. :)
Eigentlich hätte die Therapeuten darüber aufklären müssen, dass die Verhaltenstherapie die 1. Wahl bei Zwängen ist und Du damit beginnen solltest.
Es ist richtig, die Therapie bei Zwängen der ersten Wahl ist die Verhaltenstherapie. Die tiefenpsychologische Therapie ist angebracht, wenn man mehr an den Ursachen arbeiten möchte und oder besser verstehen möchte, warum man so ist, wie man ist. Das kann nach einer Verhaltenstherapie manchmal hilfreich sein.
Bei der Verhaltenstherapie beschäftigt man sich u.a. mit der Funktionalität der Zwänge, wozu stehen sie, bzw. wozu brauche ich sie! Danach geht es darum, gemeinsam mit dem Therapeuten, sich in die "Zwangssituationen" zu begeben, die Tür, Herd, oder Hände waschen, eben nicht zB. 50 mal zu machen, sondern es nur 1 mal zu tun, wie Menschen ohne Zwangsstörung, und dann die Situation zu verlassen. Die innere Anspannung ist dann sehr hoch und man möchte dann am liebsten weiter kontrollieren oder waschen.
Da Du erst am Anfang der Therapie stehst, kannst Du jetzt noch wechseln. Zwei Therapieformen nebeneinander laufen zu lassen, halte ich nicht für ratsam, weil es erstens sehr anstrengend sein kann, Dich vielleicht auch verwirrt und Du auch noch genügend Zeit für Dich und Deinen Alltag haben solltest.
Sprich ganz offen mit der Therapeuten darüber und rede mit Deiner Krankenkasse über einen Wechsel.
Geeignete Verhaltenstherapeuten nennen wir Dir gerne telefonisch: Mo-Fr. 10-12 Uhr unter 040 68913700.
Liebe Grüße und alles Gute,
Antonia. :D

Ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere mich haben wollen. ;)
Miranda_L

Re: Zusätzliche Behandlung

Beitrag von Miranda_L »

Vielen Dank für die Antwort.
Ich müsste dann aber, wenn ich es richtig verstehe, die aktuelle Therapie abbrechen und dann von Neuem einen Therapeuten suchen.
Mit der entsprechenden Wartezeit etc.
Und in dieser Zeit hätte ich gar keine Therapie.
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OCD-Marie
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Zusätzliche Behandlung

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Miranda,

Ja, auch von mir zuerst einmal "Glückwunch" zum Therapieplatz ! ;-)

Zwei Therapien gleichzeitig - davon würde auch ich dir abraten. Und gute Therapeuten werden sich darauf mit grosser Wahrscheinlichkeit auch nicht einlassen. Sie werden dich vor die Wahl stellen: entweder - oder.
Wie Antonia schon geschrieben hat ist die VT die erste Wahl.

Aber:

BEVOR du dich an deine Krankenkasse wendest, bespreche dein "Problem" erst mit der Therapeutin. An die Kasse würde ich mich (anschließend !) nur dann wenden, wenn es gar nicht anders geht.

Das andere ist: reden tust du in der Therapie (fast) immer. Du bist gerade bei einer Therapeutin, die wohl überwiegend tiefenpsychologisch arbeitet. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht auch Elemente aus der Verhaltenstherapie mit verwenden kann (und vielleicht auch wird).
Was du auch nicht geschrieben hast ist, welche Therapieform die Kasse tatsächlich genehmigt hat. Einen tiefenpsychologische Therapie oder doch eine Verhaltenstherapie ? Letztlich hast du mit der Genehmigung einen Therapieplatz. Das ist erst einmal gut. Jetzt wird es darauf ankommen, wie die Therapeutin sich die Therapie vorstellt. Rein tiefenpsychologisch - oder verhaltenstherapeutisch - oder eine Mischung aus beidem...
Wichtig wäre, dass sie in der Lage ist, dir sog. Expositionsübungen zu erklären UND auch mit dir durchzuführen. Das ist bei Zwängen sozusagen der wichtigste verhaltenstherapeutische Baustein.
Nur wenn sie dir das nicht bieten kann (oder möchte), wäre das aus meiner Sicht ein wichtiger Grund für einen Therapeuten-Wechsel.
Ideal wäre natürlich ein(e) Therapeut(in), die/der sich besonders gut mit Zwängen auskennt. Z.B. weil sie/er vorher in einer Klinik auf einer "Zwängler-Station" gearbeitet hat. Doch diese Leute sind eher selten...

Meiner (eigenen) Erfahrung nach ist eine Mischung aus tiefenpsychologischen und verhaltenstherapeutischen Bausteinen (und ggf. zeitweise mit Medikamenten) bei Zwängen langfristig der sinnvollste Ansatz.
Es kann z.B. sein, dass du feststellst, dass du dich nicht so recht auf die Expositionsübungen einlassen kannst. Also auch noch nachdem du es schon längere Zeit probierst. Dann kann es ratsam sein, zunächst einmal tiefenpsychologisch daran zu arbeiten, warum du (unbewusst) noch nicht auf die Zwänge verzichten willst. Denn diese erfüllen meist eine (Schutz-) Funktion für den/die Betreffende(n). Einfach nur weiter Expos zu üben wäre in so einer Situation oft wenig zielführend...

Letztlich wirst du deinen ganz eigenen persönlichen Weg in der Therapie finden müssen. Und manchmal erweisen sich Therapiebausteine als besonders wertvoll, von denen man das so nie erwartet hätte...

Noch eine abschließende Bemerkung: Wie du vielleicht weisst hat man nach Abschluss einer ambulanten Therapie zunächst eine "Wartezeit" von zwei Jahren. In dieser Zeit genehmigen die Kassen eine weitere ambulante Therapie nur in Ausnahmefällen. Ich meine zu wissen - aber da frage deine Therapeutin am besten auch noch einmal - dass es leichter ist, eine zweite ambulante Therapie genehmigt zu bekommen, wenn man (aus guten Gründen) die Therapieform ändert (z.B. von tiefenpsychologisch zu verhaltenstherapeutisch). So gesehen könnte deine Situation auch von Vorteil sein. Vorausgesetzt, deine jetzige Therapeutin ist in der Lage und bereit mit dir Expo-Übungen zu machen...

Liebe Grüsse !
Miranda_L

Re: Zusätzliche Behandlung

Beitrag von Miranda_L »

Hallo OCD-Marie,

vielen Dank für die Antwort. Ich habe bisher überhaupt keine Erfahrung mit Psychotherapie - wie auch immer sie geartet ist.
Du sagst es gibt nach einer Therapie 2 Jahre Wartezeit.

Wie erklärt sich denn das? Mir sind 12 Therapiestunden bewilligt worden. Geht man davon aus, dass psychische Probleme nach diesen Stunden erledigt sind?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich nach 12 Studen, wie auch immer sie geartet sind, soweit bin, dass ich keine Unterstützung mehr brauche.
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Zusätzliche Behandlung

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Miranda,

wie sich die "Wartezeit" erklärt ? Na mit "Kosten", was sonst ?

Nein, natürlich werden 12 Stunden wohl nicht reichen. Aber die Therapeutin hat offenbar eine Kurzzeittherapie beantragt. Das sind bis zu zwei mal 12 Stunden.

Anschließend kann dann auch eine Langzeittherapie beantragt werden. Das wären nochmals
60 Stunden (bei Verhaltenstherapie) bzw. max. 80 Stunden incl. Kurzzeittherapie
60 Stunden (bei tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) bzw. max. 100 Stunden incl. Kurzzeittherapie

So steht es jedenfalls auf der Seite der Techniker-Krankenkassse. Private Versicherungen haben u.U. abweichende Regelungen.

Bei einem anschließenden Wechsel der Therapieform ließen sich die Stunden faktisch etwa verdoppeln...
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Yorge
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Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Therapie-Ansätze/Kombination

Beitrag von Yorge »

Die Ansicht, dass man immer nur bei einem Therapeuten in Therapie sein sollte und dass auf alle Fälle die Verhaltenstherapie (VT), die Therapie der Wahl ist, ist meiner Ansicht nach veraltet. Der zumeist chronische Verlauf der Erkrankung legt nahe, dass man eben noch nicht das geeignete Therapie Schema gefunden hat. Die Therapie mit Ko-Therapie, Selbsthilfegruppe, Literatur, Internet-Forum, Telefonberatung zu kombinieren finde ich jedenfalls einen Versuch wert und darum verstehe ich nicht, warum man nicht auch 2 Therapien gleichzeitig machen soll. Z.B. mit der ACT werden ja auch nun Elemente aus anderen Therapie-Ansätzen mit der VT kombiniert. Die Schwächen der VT sind meiner Meinung und Erfahrung nach, dass v.a. das Symptom behandelt wird und kaum an der Ursache gearbeitet wird, das hierarchische Gefälle zwischen Therapeut und Klient und dass die Besprechung der therapeutischen Beziehung wenig Bedeutung hat (selbstverständlich ist dies individuell sehr unterschiedlich). Wenn also die VT lange nicht zum Erfolg führt od. immer wieder notwendig ist, kann es durchaus Sinn machen mal die Therapie-Richtung zu wechseln. Ich habe mich viel mit humanistischen Therapieansätzen beschäftigt. Ein inneres Fundament aus Achtsamkeit und Liebe, Echtheit und Mitgefühl ist wesentlicher und nachhaltiger als Üben von Normalität und Durchhalten. Ich kann dazu noch Konkreteres schreiben, wenn Interesse besteht.
Hat sonst jemand Erfahrung mit Gestalttherapie, personenzentrierter/klientenzentrierter Therapie?
Wie läuft es mit der Psychoanalyse?
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Miranda_L

Re: Zusätzliche Behandlung

Beitrag von Miranda_L »

Ich habe mich mit meiner Therapeutin in der neunten Therapiestunde darüber unterhalten, ob ich die Therapieart wechseln sollte.
Bis dahin habe ich mich ernsthaft gefragt, ob mir die Therapie überhaupt etwas bringt.

In der 10. Stunde haben wir dann etwas aufgedeckt, was sehr wahrscheinlich eine der Wurzeln meiner Probleme ist.
Plötzlich wurden Dinge logisch, die mir vorher überhaupt nicht klar gewesen sind.

Nunja, mittlerweile halte ich die tiefenpsychologische Therapie nicht mehr für sinnlos. Es dauert nur lange, bis die ersten Erfolge zu sehen sind.
Im Moment ist der Plan, mit der tiefenpsychologischen Therapie weiterzumachen und die Probleme anzufassen, die wahrcheinlich zu den Zwängen geführt haben, und sie auch immer noch am Leben halten.

Wie ich in anderen Threads schon erzählte, entwickeln sich bei mir neue Zwangsängste, wenn ich eine Angst besiegt habe.
Meine Therapeutin und ich sind uns einig, dass in meinem Fall eine VT wahrscheinlich nicht so sinnvoll wäre, da sich, solange die Probleme im Hintergrund bestehen, immer wieder neue Zwänge dorthin setzen, wo man einen alten Zwang ausgemerzt hat.

Anscheinend sind sich Verhaltenstherapeuten und Tiefenpsychologen nicht so ganz grün, weil ihr Behandlungsmodell auf einer ganz anderen Grundvorstellung beruht.
Meine Therapeutin meint aber auch, dass sich die beiden Modelle in letzter Zeit schon ein Bisschen angenähert haben.

Ich persönlich verstehe nicht, warum das eine das andere ausschließen muss. An der Wurzel des Übels zu arbeiten halte ich für sinnvoll. Also ist der tiefenpsychogische Ansatz meiner Ansicht nach eine sehr gute Idee.
Allerdings dauert es extrem lange, bis erste Ergebnisse zu merken sind. Und in dieser Zeit muss man mit seinen Zwängen irgendwie zurechtkommen.
Die Tiefenpsychologie lässt den Patienten in diesem Punkt aber (meiner Erfahrung nach) alleine stehen und gibt ihm keine wirklich sinnvollen Tipps, wie er den Alltag trotz der Zwänge meistern kann.
Für die Zeit bis eine tiefenpsychologische Therapie greift, wäre es also meiner Meinung nach sehr sinnvoll, wenn der Patient eine verhaltenstherapeutische Unterstützung hätte.
Hätte ich die gehabt, hätten sich bei mir wahrscheinlich die Zwänge gar nicht so weit entwickelt.
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OCD-Marie
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Zusätzliche Behandlung

Beitrag von OCD-Marie »

Ich persönlich verstehe nicht, warum das eine das andere ausschließen muss. An der Wurzel des Übels zu arbeiten halte ich für sinnvoll. Also ist der tiefenpsychogische Ansatz meiner Ansicht nach eine sehr gute Idee.
Das sehe ich genauso. Bei ganz leichten Zwängen mag ne reine VT-Herangehensweise manchmal ausreichen. Darüber hinaus wird man nicht darum herumkommen, an den Grundlagen zu arbeiten, wenn man den Zwang (irgendwann) auch mal hinter sich lassen will...
Allerdings dauert es extrem lange, bis erste Ergebnisse zu merken sind. Und in dieser Zeit muss man mit seinen Zwängen irgendwie zurechtkommen.
Das liegt (leider) in der Natur der Sache. :?
Für die Zeit bis eine tiefenpsychologische Therapie greift, wäre es also meiner Meinung nach sehr sinnvoll, wenn der Patient eine verhaltenstherapeutische Unterstützung hätte.
Warum "entweder oder" ? Auch wenn eine VT genehmigt ist kann man trotzdem auch tiefenpsychologisch usw. arbeiten. Das ist mehr eine Frage des Therapeuten denn der Genehmigung durch die Kasse. Ich finde idealerweise geht beides Hand in Hand.
darum verstehe ich nicht, warum man nicht auch 2 Therapien gleichzeitig machen soll
Weil es dann meist auch mehrere Therapeuten gibt, die nichts (nicht viel) von der Arbeit des anderen wissen - sich also sozusagen therapeutisch "in die Quere" kommen können. Das ist nicht ideal. In einer Klinik tauschen sich die verschiedenen Therapeuten aus und arbeiten zusammen. Das ist ambulant meist nicht so...

Gestalttherapie, Musiktherapie, Schema-Therapie, ACT, KBT, Hypnose,... - viele Wege führen nach Rom. :)
Zuletzt geändert von OCD-Marie am Mo 23. Jul 2018, 08:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Yorge
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heilende Begegnungen

Beitrag von Yorge »

Zur Erklärung für die, die diesen Therapie-Ansatz nicht kennen: bei der klienten/personzentrierten Psychotherapie wenden die Therapeut/innen kaum spezielle Techniken an und es geht auch nicht hauptsächlich darum den Klienten zu analysieren. Wesentlich ist die therapeutische Beziehung zwischen den beiden. Der Kontakt wirkt heilend durch die wertschätzende, offene/ehrliche und mitfühlende Haltung sich und seinen Mitmenschen gegenüber (der Therapeut hat zunächst wsl. mehr Erfahrung damit). Wie leider auch schlechte Angewohnheiten, kann eine solche heilende Einstellung “ansteckend“ wirken. Mir tut es gut das gelernt zu haben und achte darauf darin in Übung zu bleiben - mit euch im Forum, in der Selbsthilfegruppe, mit Kindern, manchmal mit den Eltern ;) , mit der Verhaltenstherapeutin, mit Freunden, aber auch gegenüber allen Mitmenschen, wenn möglich.. und vor allem mir selbst gegenüber.

Das Gute daran ist, dass ich damit erfahren konnte, dass ich selbst im Wesentlichen mein Leben gestalte und damit bin ich relativ unabhängig von den Unzulänglichkeiten der anderen (wie von denen der Therapeuten, die Marie beschrieben hat)
Zuletzt geändert von Yorge am Sa 21. Jul 2018, 21:17, insgesamt 1-mal geändert.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
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