Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Miranda_L

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Miranda_L »

Hallo Marie,

vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Für mich und auch meinen Freund ist dieser Extremzustand noch ziemlich neu. Ich habe vorher zwar auch mit Zwängen zu tun gehabt, aber nicht mit diesen extremen Ängsten, die sich zu allem Überfluss auch noch wandeln wie sie lustig sind.
Wenn ich eine Angst abbaue, findet mein Hirn etwas neues/altes, was ich bisher zwar wusste, aber nie beachtet habe. Jetzt aber ist es eine große Gefahrenquelle.
Und diese Gefahrenquellen können alles sein und sich auf alles beziehen. (Viren, Bakterien, Chemikalien, Radioaktivität, Stromschläge, Abgase usw...)
Gerät das Programm in den Leerlauf, weil gerade keine Situation da ist, die Angst machen könnte, dauert es oft nicht lange und ich erinnere mich daran, dass ich irgendwann mal in einem Nebensatz einer Unterhaltung von einer Gefahr gehört habe. Und diese Gefahr drängt sich dann in den Vordergrund. (Diese Auslöserinformation kann neu, aber auch mehrere Jahre alt sein)

Mein Freund und ich experimentieren im Moment noch um herauszufinden, wie wir damit am besten umgehen können.
Heute haben wir es in so einem Zustand einfach mit einem Spatziergang versucht.
Das hat tatsächlich nach einiger Zeit geholfen.

Was meinst du eigentlich mit Motivations-Büchern.
Soweit ich weiss, habe ich keines dieser Bücher gelesen.
Ich habe bisher "Der Kobold im Kopf" von Lee Baer, "Erfolgreich gegen Angststörungen" von Steffen Moritz und Marit Hauschildt und "Keine Panik liebe Angst" von Käthe Lachmann gelesen.
Das sind alles keine Motivationsbücher.


Vielleicht meinst du den Tipp mit dem Video von Vera Birkenbihl aus einem anderen Thread. Da handelt es sich aber auch nicht um Motivationsvideos, sondern um Vorträge, die vor allem damit zu tun haben, wie unser Gehirn funktioniert.
Diese kannte ich aber auch schon lange bevor ich so stark mit den Zwängen zu tun bekommen habe.
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OCD-Marie
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von OCD-Marie »


Hallo Miranda,

ja, das Leben ist tödlich... ;)

Stimmt, ich hatte "Birkenbihl" gegoogelt und da stand was von "Motivationstrainerin". Da habe ich dann was falsch verstanden.

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PeterAlleinzuhaus
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Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von PeterAlleinzuhaus »

Hallo Ihr Lieben,
ich möchte hier nochmal auf die unterschiedlichen Fragestellungen von Antonia zurückkommen, dann aus meiner Sicht und Erfahrung ist es wichtig, beide Fragestellungen für sich selbst zu betrachten und zwar mit jeweils unterschiedlichen Vorgehensweisen:
Die Frage "Warum lässt mich der Zwang nicht los?" betrachtet aus aus meiner Sicht den Zwang als Symptom und wie ich dieses wieder loswerde. Hier denke ich hilft, vereinfacht gesagt, am Ende nur sich der Angst zu stellen und üben, üben, üben. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie kann man den Zwang durch Expositionsübungen gewissermaßen "abtrainieren".
Allerdings bin ich mittlerweile der Ansicht, dass dies auf lange Sicht nur die halbe Miete und somit nicht nachhaltig ist. Was leider sehr oft vernachlässigt wird ist nämlich die zweite Frage: "Warum will ich nicht auf die Zwänge verzichten ?" Und hier sind wir dann bei den Ursachen. Leider gibt es dafür kein so simples Universal-Rezept wie das Üben und Abtrainieren bei den Symptomen des Zwangs. Hier muss man tief in sich hineinhorchen, in seiner Kindheit und Vergangenheit forschen, sich fragen, was bringt mir der Zwang oder was will er verhindern? Diese Arbeit kann man schwerlich alleine im stillen Kämmerchen durch Nachdenken lösen, sondern wohl auch nur im Rahmen einer Therapie. Ich halte diese Forschung nach den persönlichen Ursachen des Zwangs aber für wichtig, um die Zwänge nachhaltig vertreiben zu können. Wenn man sich nur eine Verhaltensänderung antrainiert, um die Zwangsrituale nicht mehr ausführen zu müssen, aber die Ursache nicht kennt und somit nicht beseitigen kann, dann ist es nicht verwunderlich, dass der Zwang immer wieder kommt. Und da man den alten Zwang ja durch eine Verhaltensänderung in den Griff bekommen hat, wird wohl beim nächsten Mal eine andere Zwangsart hervorkommen. Und meist kann man davon ausgehen, dass die nächst Art immer schlimmer ist als die vorige.

Somit ist am Ende die Beantwortung beider Fragen wichtig und der Kreislauf der immer wiederkehrenden Zwänge kann nur durchbrochen werden, wenn man beide Fragen für sich selbst beantwortet hat. Natürlich ist mir klar, dass in beiden Bereichen enorme Anstrengen notwendig sind, aber ein anderer Weg ist mir bisher leider nicht bekannt.

Gruß Peter
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von OCD-Marie »


Gut formuliert Peter !

Eine "Abkürzung" habe auch ich bisher nicht gefunden... :(

LG
Marie
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michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von michael_m »

Antonia hat geschrieben: Fr 27. Apr 2018, 19:53 Warum glaubst du, dass deine Zwänge dich nicht loslassen?
Hast du Tipps für andere Betroffene, wie sich der Zwang dauerhaft in „Schach“ halten lässt.
Der Grund für die Zwänge ist wohl bei mir u. a. die Angst etwas falsch zu machen.
Hier das Vertrauen in einem selbst wieder zu finden, ist ein langer Weg ...

Was mir etwas hilft, ist mich an den Grundsatz "Jeder Tag ist ein neuer Beginn." zu orientieren.
Auch wenn es mal wieder einen Rückschlag gab, so kann man doch am nächsten Tag wieder neu beginnen.
Der bisherige Fortschritt ist nicht komplett verloren.
Dennis_1985

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Dennis_1985 »

Hallo, zusammen,

ich bin der Auffassung, dass Zwänge durchaus einen Zweck verfolgen.

Solange es Baustellen in unserem Leben gibt, auf die uns der Zwang mit seinen zumeist kuriosen Mitteln hinweist, lässt er uns auch nicht los.

Ich denke, das hat viel mit Fragen über das Selbstbewusstsein, Vertrauen/Misstrauen, Achtsamkeit, soziale Konflikte, Stress etc. zu tun.

Jeder wird sich deshalb selbst die Mühe machen müssen, nach Ursachen für seine ganz persönlichen Zwänge zu suchen.

Dabei ist viel Interpretationsbereitschaft verlangt, auch mal einen Blick "hinter die Kulissen" dessen zu werfen, was der Zwang da in unserem Gehirn so eigenverantwortlich vollzieht.

Ich bin daher überzeugt davon, dass wir zweigleisig fahren sollten: Einerseits die Zwänge "in Schach halten" - dabei helfen sicherlich unterschiedliche Methoden aus der Verhaltenstherapie, aber auch Ablenkung, eine sinnstiftende Beschäftigung, Exposition, Selbsthilfe. Andererseits an der Deutung des Zwangs arbeiten und versuchen, die Gründe für sein Dasein durch Persönlichkeitstraining, kognitive Arbeit, Lebensveränderungen usw. zu minimieren.

Herzliche Grüße
Dennis
Hubertson

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Hubertson »

Hallo!

Mein Sozialpädagoge hat mir mal geraten! Ich solle doch den Zwang mit Veränderung entgegen zu kommen! Das hilft mir momentan sehr! Weil ich bin ein sehr gutmüdiger Mensch und konnte früher oft nicht nein sagen! Jetzt bin ich dabei zu lernen auch mal nein zu sagen! Das Übungsfeld ist meine Frau und mein Zuhause! Bei meiner Frau auch mal bei meiner Meinung zu bleiben! Und nicht zu denken durch den Zwang O Gott sie könnte Böse auf mikch sein wenn ich nicht ihrer meinung bin!

Lieben Gruß,

Hubertson
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Antonia
Moderator
Beiträge: 178
Registriert: Di 20. Mär 2018, 21:40
Wohnort: Hamburg

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Antonia »

Hallo Hubertson!

Das NEIN- sagen war auch ein wichtiger Baustein in meiner Therapie.
Vorher wollte ich es immer jedem recht machen und wollte von jedem gemocht und geliebt werden.
Ich wunderte mich immer, dass man mich trotzdem nicht wahr und ernstnahm. Man wußte halt, die Antonia macht das schon! ;)
Dann habe ich vorsichtig angefangen, nein zu sagen. Auch mein Partner war zuerst mein Übungsfeld. Dann hab ich es auf den Freundeskreis, die Selbsthilfegruppe usw. ausgeweitet. Und sie da, man hört zu, wenn ich etwas sage. Man nimmt mich als Person und mit meiner Meinung ernst.
Aber, es ist immer wieder ein Übungsfeld, weil ich auch gerne mal wieder in meine alte JA-Sage Struktur zurückfalle. :)
Dieses NEIN sagen habe ich auch gegen meinen Zwang eingesetzt. "Nein, will ich keine Haare ausreißen!" Das Nein im Zusammenhang mit WILL war ein schwerer Kampf. Erst nach dem ich mir gesagt habe, "ich brauche das Haare reißen heute nicht" nahm der Druck ab. Was Worte da ausmachen können. Bis einenhalb Jahre nach meiner VT mußte ich täglich achtsam mit mir umgehen, bis ich gar keinen Drang mehr zum Haare ausreißen verspührte. Heute, 17 Jahre danach ist der Drang/Zwang ruhig, bzw. meldet sich nicht. Nach 30 Jahren mit dem Zwang ein Segen und tolles Gefühl und ich hoffe, dass es noch lange so bleibt.
Liebe Grüße an alle hier und danke für eure interessanten Beiträge zu diesem Thema.
Antonia. :D
Ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere mich haben wollen. ;)
Miranda_L

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Miranda_L »

Ich glaube, dieses "Wahrgenommen und Ernstgenommen" -werden ist oftmals auch eine Kopfsache.
Bei mir ist es nicht das "Nein" sagen, sondern eher das "Wichtig sein".
Ich habe mich von Klein auf in vielen Situationen eher geduldet als willkommen gefühlt, und dementsprechend natürlich auch Verhaltensweisen angenommen, die ich anderenfalls wahrscheinlich nicht angenommen hätte.
Jetzt habe ich einen ausgewählten Freundeskreis mit wirklich tollen Leuten.
Ich bin jetzt wichtig. Wenn ich logisch denke, weiss ich das auch. Ich bin aber dennoch immer wieder verwirrt, wenn mir diese Zuneigung offen gezeigt wird. Irgendwie habe ich kein traniertes Verhaltensschema für solche Situationen.
Mein Unterbewusstsein sagt mir immer noch "du bist geduldet", während meine Wahrnehmung eigentlich sagen sollte "Du hörst gerade mehrere Leute durchs Telefon jubeln, nur weil du nach längerer Zeit mal wieder bei einer Einladung zugesagt hast. Was verdammt noch mal stimmt mit dir nicht?"
Hubertson

Re: Warum lässt mich der Zwang nicht los?

Beitrag von Hubertson »

Hallo Antonia!

Danke für deine Antwort! Meine Frau will ja auch das ich öfters mal meine Meinung sage ! Und das ich zu meiner Meinung stehe! Heute war wieder ein Rückfall! Da wahr es so ich wahr mit was beschäftigt und meine Marion hat mir einen Kuss gegeben! Ich wahr zu beschäftigt um drauf zu reagieren! Ein paar Sekunden kam der Gedanke du has t ihn nicht erwiedert, dabei wahr ich beschäftigt aber der Gedanke lies mich nicht los! Bis ich sie drauf angesprochen habe und von meinen Gedanken erzählt habe! Sie hat gar nicht mehr dran gedacht und meinte sie wollte gar nicht das der kuss erwiedert wird sie hat mir ihn nur so gegeben weil ihr danach war! Puh alles in Ordnung, Gott sei dank! Aber mich hat der Gedanke noch beschäftigt!
Lieben Gruß
Hubertson!
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