Erfahrung mit Psychopharmaka

Mutter123
Beiträge: 17
Registriert: Sa 19. Okt 2019, 18:58

Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von Mutter123 »

Hallo,

hat jemand Erfahrung mit der therapiebegleitenden Anwendung von Psychopharmaka bei Kindern?
Ich bin eher skeptisch und zurückhaltend, aber der Kinderpsychiater sagt, wenn die Zwänge nicht nach 4-6 Wochen Therapie ( Verhaltenstherapie läuft seit 3 Monaten) besser werden, würde er dringend Medikamente empfehlen.
Hat jemand hierzu Erfahrungswerte? Wie lange wartet man mit Medikamenten?
VG
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo !

Gut, dass du diese Frage stellst.
Ich bin selbst betroffen und habe keine Erfahrung im Bereich "Kinder & Psychopharmaka".

Was mich jedoch sofort misstrauisch gemacht hat ist die Aussage "wenn nach 4-6 Wochen keine Besserung eingetreten ist...".
Ein guter Psychiater sollte wissen, dass "4-6" Wochen in der Behandlung von Zwängen keine nennenswerte Dauer ist. Nach 4-6 Wochen hat gerade eine amublante Therapie noch nicht wirklich begonnen. Und schon ein Klinikaufenthalt dauert grundsätzlich 10 bis 12 Wochen.

Das lässt bei mir den Verdacht aufkommen, dass dieser Mann von Zwängen nicht wirklich etwas versteht...

Grundsätzlich wird man erst einmal versuchen, ohne Medikamente auszukommen. 6 Wochen genügen hier meist nicht, eine Entscheidung zu treffen. Außer der Betroffene ist aufgrund der ausgeprägten Symptomatik (ggf. auch einer Depression) einer Therapie kaum zugänglich.

Wie das bei euerer Tochter ist, hast du bisher nicht geschildert. Insoweit kann man hier im Forum auch nichts dazu sagen...


Kommt es zu einer Medikamentengabe, werden üblicherweise sog. SSRI verordnet.

Man muss nicht lange im Internet suchen, um z.B. auf folgende Artikel zu stoßen:

https://www.aerzteblatt.de/archiv/46728 ... ahmehemmer
https://www.deutsche-apotheker-zeitung. ... ungeeignet
https://www.deutsche-apotheker-zeitung. ... erjahrigen

Danach werden SSRI bei Kindern als nicht/wenig wirksam bis problematisch betrachtet. Lediglich der Wirkstoff Fluvoxamin hat überhaupt eine Zulassung für Kinder.

Dennoch kommt es immer wieder vor, dass nicht zugelassene Medikamente oder zugelassene Medikamte in einer über die Zulassung hinausgehenden Dosierung "verordnet" werden. Dies geschieht dann jedoch als sog. "Off-Label-Verordnung" - nach besonderer Aufklärung durch den Arzt.
Ihr werden darauf hingewiesen dass dieses Medikament keine Zulassung hat oder zumindest nicht für die Höhe der gewählten Dosierung. Kommt es dann zu schwerwiegenderen Komplikationen, ist der Arzt "fein raus". Schließlich war die Medikamteneinnahme außerhalb der Zulassung eure eigene Entscheidung !
Das entbindet ihn natürlich nicht davon, im Rahmen seiner Möglichkeiten eventuellen Schädigungen vorzubeugen, z.B. durch häufigere Überprüfung des Blutbildes. Letztlich tragt aber ihr das Risiko.

Da wir nicht wissen, wie stark die Symptomatik eurer Tochter ausgeprägt ist bzw. inwieweit sie einer Therapie noch zugänglich ist, würde ich euch zumindest empfehlen, eine Zweit-, besser noch eine Dritt-Meinung bei anderen Psychiatern einzuholen. Und euch natürlich auch mit dem behandelnden Psychologen beraten.

Alles Gute
Marie
Mutter123
Beiträge: 17
Registriert: Sa 19. Okt 2019, 18:58

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von Mutter123 »

Hallo Marie,

Vielen Dank für Deine Antwort. Ich habe auch schon im Netz verschiedene Fachartikel gelesen.
Ich werde mir auf jeden Fall eine Zweitmeinung einholen.

Liebe Grüße
Sabra
Beiträge: 6
Registriert: Fr 15. Nov 2019, 18:28

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von Sabra »

Hallo, meine Tochter war von September bis Dezember in der KJP wegen sehr massiver Zwänge. Dort ist sie auch gleich auf Fluvoxamin und Pipamperon eingestellt worden. Anfangs gab es noch Diazepam dabei.
Ihre Zwänge waren allerdings derart massiv, dass wir mit der Behandlung sehr einverstanden waren. Am besten geholfen hat anfangs das Diazepam, damit konnte sie sogar wieder Türen öffnen. Allerdings kann man das ja nicht lange geben.
Ich erlebe die Medikation trotzdem als hilfreich. Ein Absetzversuch von Pipamperon hat die Schlagstörungen gleich wieder verschlechtert.
Leider hat der ganze Aufenthalt dort wenig gebracht. Sie ist weder schulfähig, noch kann sie am Leben irgendwie teilnehmen. Es geht bald weiter in die nächste Klinik.
LG
DB2019
Beiträge: 6
Registriert: Do 25. Apr 2019, 11:18

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von DB2019 »

Hallo,

also, 4-6 Wochen ist wirklich sehr kurz. Wichtig ist, dass ihr die richtige Therapieform bekommt (Exposition mit Reaktionsverhinderung), am besten bei einem Spezialisten, der sich hauptsächlich damit beschäftigt. Gibt es bei euch eine Spezialambulanz in der Nähe? Dann dauert es ja auch schon ein paar Wochen, bis man zum Therapeuten Vertrauen gefasst hat. Mein Sohn war allein durch Therapie viele Monate symptomfrei. Allerdings werden wir nun nach einem Rückfall doch auch Fluvoxamin ausprobieren. Da sind aber inzwischen seit der ersten Diagnose 3 Jahre vergangen. Viel Erfolg!
Mutter123
Beiträge: 17
Registriert: Sa 19. Okt 2019, 18:58

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von Mutter123 »

Viele Dank für die vielen Rückmeldungen.

Meine Tochter macht derzeit einen ambulante Therapie bei einer ausgebildeten Verhaltenstherapeutin. Anfangs war sie so in den Zwängen gefangen, dass keine Exposition möglich war. Dies hat sich jetzt gebessert und es zeigen sich erste Erfolge. In der Schule ist das Zwangsverhalten schlimmer als zu Hause. Wie haben zusätzlich die Baustelle ihre Kontaktfreudigkeit auszubauen. Aber aufgrund der Verbesserungen werden wir auf Medikamente vorerst verzichten.
Liebe Grüße
DB2019
Beiträge: 6
Registriert: Do 25. Apr 2019, 11:18

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von DB2019 »

Wie schön, dass es mit der Therapie klappt. Das freut mich für euch. Weiterhin viel Erfolg :)!
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von OCD-Marie »

Mutter123 hat geschrieben: Fr 17. Jan 2020, 06:30 Wie haben zusätzlich die Baustelle ihre Kontaktfreudigkeit auszubauen.
Hallo

Nicht "zusätzlich". Der Zwang ist seltenst das eigentliche Problem.
Der Waschzwang deutet auf Abwehr hin. Und da er in der Schule schlimmer ist, könnte das darauf hindeuten, dass der eigentliche Konflikt zur Zeit vor allem dort liegt. Wird sie in der Schule vielleicht gehänselt, gemobbt oder ist sie vielleicht sogar körperlichen Übergriffen Einzelner ausgesetzt ?
Mutter123
Beiträge: 17
Registriert: Sa 19. Okt 2019, 18:58

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von Mutter123 »

In den Gesprächen mit den Lehrern hören wir eher heraus, dass sie sich zurückzieht. Auch wenn Kinder bei uns zu Besuch kommen, die sie schon jahrelang kennt, zieht sie sich nach 1-2 Stunden zurück.
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Erfahrung mit Psychopharmaka

Beitrag von OCD-Marie »

Naja. Wenn sie sich zurückzieht, tut sie das ja nicht ohne Grund.
Hat es mit dem Verhalten anderer Kinder zu tun oder liegt es vielleicht (nur) daran, wie sie das Verhalten anderer interpretiert ?...
Ich denke, es wird wichtig sein, das in der Therapie herauszufinden.
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