Krisenhafter Rückfall möglich?
Verfasst: Mi 15. Jan 2020, 17:32
Hallo,
seit einigen Jahren leide ich an einer Zwangsstörung bei der es vor allem darum geht, ob ich anderen Menschen unbeabsichtigt, fahrlässig oder ohne mich daran zu erinnern Schaden zugefügt habe. In den letzten Monaten ging es mir einigermaßen gut, dank eines stationären Aufenthaltes in einer Spezialklinik (Bad Bramstedt) lernte ich die Exposition mit Reaktionsverhinderung. In allen Situationen wendete ich diese nicht immer konsequent an, doch gelang es mir mich von allen Gedanken relativ schnell zu lösen ohne länger zu kontrollieren. Zusätzlich nehme ich gerade Sertralin 50mg, habe aufgrund der im Folgenden beschriebenen Situation wieder auf 100mg erhöht.
Vorletzten Samstag kam es zu einem Ereignis, das mich vollkommen aus der Bahn geworfen hat. Seitdem denke ich ununterbrochen - also während meiner gesamten wachen Phase am Tag - an dieses Ereignis. Eine Bekannte hatte von mir einen Mini-Schokoriegel, der seit einem Monat abgelaufen war und das ich aus einem Abfallbehälter eines Supermarktes vor dem Wegwurf gerettet hatte (man nennt das Containern), bekommen und gegessen. Der Mini-Schokoriegel war zweifach eingepackt, also in einer Pappbox mit anderen Mini-Schokoriegeln und dann nochmal selbst in einer Aluminiumfolie. Später stellte ich fest, dass in die Pappbox an einer Stelle irgendeine gelbe Flüssigkeit hinein gelaufen war, allerdings nur punktuell. Es kann sein, dass die Flüssigkeit einige Mini-Schokoriegel an der Außenverpackung verunreinigt hatte, jedoch war sie mittlerweile eingetrocknet. Die Bekannte lag seit vier Wochen auf der Palliativstation wegen einer Krebserkrankung und drei Tage nachdem sie den Mini-Schokoriegel gegessen hatte, starb sie. Ihre Lunge füllte sich mit Wasser und sie hörte auf zu atmen. Seitdem denke ich, dass ich mitverantwortlich für ihren Tod bin. Immer wieder kommt dieser Schuldvorwurf, warum ich es zuließ, dass sie diesen abgelaufenen und eventuell von außen mit Keimen verschmutzten Mini-Schokoriegel gegessen hatte. Eigentlich waren diese Mini-Schokoriegel nicht für sie bestimmt, sondern für ihren Mann. Er bot ihr jedoch auf einmal einen an und ich sagte nichts. In dem Moment war es mir peinlich etwas zu sagen, ich reagierte nicht schnell genug. Zudem glaubte ich, dass die Mini-Schokoriegel unbedenklich seien. Ich selbst schaue bei Süßigkeiten nie auf das Haltbarkeitsdatum, weil ich denke, dass sie aufgrund des Zuckers nicht schlecht wird. Von den Mini-Schokoriegeln hatte ich mehrere gegessen und keine Beschwerden. Meine schwer kranke Bekannte hatte aber wahrscheinlich ein sehr schwaches Immunsystem. Es kann ja auch sein, dass die Aluminiumfolie der Mini-Schokoriegel von außen mit einer Flüssigkeit verunreinigt war, die für einen normalen Menschen nicht tödlich ist, jedoch für Menschen mit einem schwachen Immunsystem giftig ist und die Lunge angreift. Ich habe das Gefühl fahrlässig gehandelt zu haben, weil ich die Herkunft der Mini-Schokoriegel und auch den Gesundheitszustandes meiner Bekannten kannte und nichts gemacht habe.
War es nicht total unverantwortlich, ihr nichts zu sagen und sie den Mini-Schokoriegel essen zu lassen? Habe ich einen schweren Fehler gemacht, für den ich mich schuldig fühlen muss? Muss ich die Situation in irgendeiner Weise auflösen? Ich habe im Nachgang alle Stationsärzte und den Psychologen der Station per Mail kontaktiert und ihnen alles geschildert. Der Psychologe teilte mir mit, dass seiner Meinung nach ein Zusammenhang ausgeschlossen sei und empfahl die Behandlung meiner Zwangsgedanken. Die Ärzte antworteten mir nicht. Vielleicht weil sie nicht ausschließen können, dass es einen Zusammenhang gibt? Ich kontaktierte zwei Psychiater, beide teilten mir mit, dass ein medizinischer Zusammenhang ausgeschlossen sei. Aber sie wollen mich vielleicht nur beruhigen. Nach wie vor habe ich den Eindruck etwas falsch bzw. Verantwortungsloses gemacht zu haben, für das ich mich entschuldigen und um Verzeihung bitten muss. Ich überlege die ganze Zeit ihren Mann zu kontaktieren und ihm alles zu erzählen. Nur so glaube ich inneren Frieden zu finden und mein schlechtes Gewissen zu bereinigen. Davon wurde mir jedoch von verschiedener Seite abgeraten, da er sich gerade in einer Ausnahmesituation befände (gerade seine Frau verloren und zwei junge Kinder, um die er sich jetzt alleine kümmern muss). Mir leuchtet das auch etwas ein, doch gleichzeitig quälen mich diese nicht endenden Schuldgefühle.
Wie würdet ihr an meiner Stelle handeln? Wahrscheinlich neutralisiere ich gerade. Findet ihr, dass mein Verhalten total verantwortungslos war und ich es ihrem Mann schuldig bin alles zu erzählen? Werde ich nur so Ruhe finden?
Gleichzeitig stelle ich mir die Frage, ob dieser Gedanke nie enden wird. Was kann man konkret machen, damit sich dies ändert? Einfach nichts tun und aushalten? Ich sehe gerade keinen Ausweg und jeder Tag ist für mich die Hölle. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so einen schweren Rückfall erleiden kann und frage mich ehrlich gesagt, ob es überhaupt ein Rückfall ist oder ich nicht wirklich etwas "Schuldbehaftetes" getan habe, für das man sich schuldigen fühlen sollte. Hattet ihr schon einmal eine ähnliche Erfahrung und wisst ihr, ob ein Zwangsgedanke irgendwann auf jeden Fall verschwindet oder ewig andauern kann, wenn man nichts dagegen macht?
Vielen Dank für eure Antworten
seit einigen Jahren leide ich an einer Zwangsstörung bei der es vor allem darum geht, ob ich anderen Menschen unbeabsichtigt, fahrlässig oder ohne mich daran zu erinnern Schaden zugefügt habe. In den letzten Monaten ging es mir einigermaßen gut, dank eines stationären Aufenthaltes in einer Spezialklinik (Bad Bramstedt) lernte ich die Exposition mit Reaktionsverhinderung. In allen Situationen wendete ich diese nicht immer konsequent an, doch gelang es mir mich von allen Gedanken relativ schnell zu lösen ohne länger zu kontrollieren. Zusätzlich nehme ich gerade Sertralin 50mg, habe aufgrund der im Folgenden beschriebenen Situation wieder auf 100mg erhöht.
Vorletzten Samstag kam es zu einem Ereignis, das mich vollkommen aus der Bahn geworfen hat. Seitdem denke ich ununterbrochen - also während meiner gesamten wachen Phase am Tag - an dieses Ereignis. Eine Bekannte hatte von mir einen Mini-Schokoriegel, der seit einem Monat abgelaufen war und das ich aus einem Abfallbehälter eines Supermarktes vor dem Wegwurf gerettet hatte (man nennt das Containern), bekommen und gegessen. Der Mini-Schokoriegel war zweifach eingepackt, also in einer Pappbox mit anderen Mini-Schokoriegeln und dann nochmal selbst in einer Aluminiumfolie. Später stellte ich fest, dass in die Pappbox an einer Stelle irgendeine gelbe Flüssigkeit hinein gelaufen war, allerdings nur punktuell. Es kann sein, dass die Flüssigkeit einige Mini-Schokoriegel an der Außenverpackung verunreinigt hatte, jedoch war sie mittlerweile eingetrocknet. Die Bekannte lag seit vier Wochen auf der Palliativstation wegen einer Krebserkrankung und drei Tage nachdem sie den Mini-Schokoriegel gegessen hatte, starb sie. Ihre Lunge füllte sich mit Wasser und sie hörte auf zu atmen. Seitdem denke ich, dass ich mitverantwortlich für ihren Tod bin. Immer wieder kommt dieser Schuldvorwurf, warum ich es zuließ, dass sie diesen abgelaufenen und eventuell von außen mit Keimen verschmutzten Mini-Schokoriegel gegessen hatte. Eigentlich waren diese Mini-Schokoriegel nicht für sie bestimmt, sondern für ihren Mann. Er bot ihr jedoch auf einmal einen an und ich sagte nichts. In dem Moment war es mir peinlich etwas zu sagen, ich reagierte nicht schnell genug. Zudem glaubte ich, dass die Mini-Schokoriegel unbedenklich seien. Ich selbst schaue bei Süßigkeiten nie auf das Haltbarkeitsdatum, weil ich denke, dass sie aufgrund des Zuckers nicht schlecht wird. Von den Mini-Schokoriegeln hatte ich mehrere gegessen und keine Beschwerden. Meine schwer kranke Bekannte hatte aber wahrscheinlich ein sehr schwaches Immunsystem. Es kann ja auch sein, dass die Aluminiumfolie der Mini-Schokoriegel von außen mit einer Flüssigkeit verunreinigt war, die für einen normalen Menschen nicht tödlich ist, jedoch für Menschen mit einem schwachen Immunsystem giftig ist und die Lunge angreift. Ich habe das Gefühl fahrlässig gehandelt zu haben, weil ich die Herkunft der Mini-Schokoriegel und auch den Gesundheitszustandes meiner Bekannten kannte und nichts gemacht habe.
War es nicht total unverantwortlich, ihr nichts zu sagen und sie den Mini-Schokoriegel essen zu lassen? Habe ich einen schweren Fehler gemacht, für den ich mich schuldig fühlen muss? Muss ich die Situation in irgendeiner Weise auflösen? Ich habe im Nachgang alle Stationsärzte und den Psychologen der Station per Mail kontaktiert und ihnen alles geschildert. Der Psychologe teilte mir mit, dass seiner Meinung nach ein Zusammenhang ausgeschlossen sei und empfahl die Behandlung meiner Zwangsgedanken. Die Ärzte antworteten mir nicht. Vielleicht weil sie nicht ausschließen können, dass es einen Zusammenhang gibt? Ich kontaktierte zwei Psychiater, beide teilten mir mit, dass ein medizinischer Zusammenhang ausgeschlossen sei. Aber sie wollen mich vielleicht nur beruhigen. Nach wie vor habe ich den Eindruck etwas falsch bzw. Verantwortungsloses gemacht zu haben, für das ich mich entschuldigen und um Verzeihung bitten muss. Ich überlege die ganze Zeit ihren Mann zu kontaktieren und ihm alles zu erzählen. Nur so glaube ich inneren Frieden zu finden und mein schlechtes Gewissen zu bereinigen. Davon wurde mir jedoch von verschiedener Seite abgeraten, da er sich gerade in einer Ausnahmesituation befände (gerade seine Frau verloren und zwei junge Kinder, um die er sich jetzt alleine kümmern muss). Mir leuchtet das auch etwas ein, doch gleichzeitig quälen mich diese nicht endenden Schuldgefühle.
Wie würdet ihr an meiner Stelle handeln? Wahrscheinlich neutralisiere ich gerade. Findet ihr, dass mein Verhalten total verantwortungslos war und ich es ihrem Mann schuldig bin alles zu erzählen? Werde ich nur so Ruhe finden?
Gleichzeitig stelle ich mir die Frage, ob dieser Gedanke nie enden wird. Was kann man konkret machen, damit sich dies ändert? Einfach nichts tun und aushalten? Ich sehe gerade keinen Ausweg und jeder Tag ist für mich die Hölle. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so einen schweren Rückfall erleiden kann und frage mich ehrlich gesagt, ob es überhaupt ein Rückfall ist oder ich nicht wirklich etwas "Schuldbehaftetes" getan habe, für das man sich schuldigen fühlen sollte. Hattet ihr schon einmal eine ähnliche Erfahrung und wisst ihr, ob ein Zwangsgedanke irgendwann auf jeden Fall verschwindet oder ewig andauern kann, wenn man nichts dagegen macht?
Vielen Dank für eure Antworten