zwaenge-forum.de

Hallo,
ich bin neu hier und habe vor Kurzem die Diagnose "Zwangsstörung" bekommen, leide aber schon seit 10 Jahren an den Symptomen, auch mit depressiven Episoden. Bei mir beschränkt es sich jedoch lediglich auf die Gedanken bzw Grübeleien.
Da ich jedoch immer wieder mehrheitlich von Zwangshandlungen lese, hoffe ich hier auf Tipps/Erfahrungsaustausch wie man mit solchen Gedanken umgehen kann. Expos stelle ich mir dabei nämlich schwierig vor und auch zu erkennen was ein Zwangsgedanke ist und was nicht, finde ich sehr schwer zu unterscheiden, da man ja immer an sich selbst zweifelt.
Ich hoffe sehr, dass einige von euch vielleicht ein paar aufmunternde Worte bzw positive Erfahrungsberichte mit Tipps für mich übrig haben.
Welche Erfahrungen habt ihr denn zb mit Medikamenten gemacht ?
Ich stehe noch am Anfang der Therapie und versuche mich so gut wie möglich über die Krankheit zu informieren.

Ich freue mich auf eure Antworten:)
LG Jessi

Hallo Jessi

Ich bin Gabriel, 20 Jahre alt und ich habe fast immer Zwangsgedanke. Seit ich ein kleines Kind war ich habe gemerkt dass ich sehr schlechte, dunkele aufgrundliche Gedanken habe die ich nicht kontrolieren kann. Ich kann einfach nicht aufhören und an etwas anderes denken. Die kommen wieder und wieder und ich fühle dass ich muss denken an was meine ocd sagt.
Ich verstehe dich sehr gut, Jugend ist nicht so einfach wenn deine Feinde sind deine eigene Gedanken
Ich kann nichts über Erfahrung sagen (sorry), weil ich keine Medikamente nehme und keine Pshychotherapie mache (niemand von meine Familie weißt da ich sehr großes Angst habe über meine Störung zu reden)
Aber was ich sagen kann ist das ich viel über Zwänge gelesen habe und es gibt Kliniken wo man gar keine Medikamente nimmt sondern nur Therapie/ERP macht weil das löst 90 Prozent der Problem ohne Nebenwirkungen... also man muss nicht unbedingt Tableten nehmen (aber das hängt ab auch von Angstniveau und so... wenn es muss, Escitalopram ist das beste SSRI für ocd)
Und du hast auch gesagt dass du findest es schwer zu erkennen was ein Zwangsgedanke ist und was nicht. Als hilfe zu unterscheiden denk dran an dieses Kurzwort I.U.W.U (wenn du hast das Gefühl dass deine Gedanken INAKZEPTABEL, UNVERNUNFTIG, WIEDERHOLEND und/oder UNANGEMESSEN sind, dann du kannst sicher sein dass die Zwangsgedanken sind. Wenn nicht, die sind ganz normale Gedanken, die alle Menschen haben.
Ein anderes Kriterium ist Zeit, natürlich und das ist viel einfacher. Wie viel Zeit von 1 Tag verbraucht Gedanke x? Wenn es sind mehrere Stunden, x kann auf der schwarze Liste sein. Btw wenn du willst du kannst versuchen eine Liste mit deine häufigste Gedanken machen.
Du bist noch am Anfang der Therapie, es wird nicht easy aber ich kann dir versprechen dass es immer besser sein wird, hab Mut! uwu

P.S. Ich weiss dass mein Deutsch Schei*e ist, sorry ich wohne nur seit 4 Jahren hier

Hey,
erstmal vielen Dank für die Antwort
Erstaunlich, dass du es so lange mit solchen Gedanken aushälst ohne darüber zu sprechen aber ich kann deine Beweggründe sehr gut nachvollziehen, es sind schließlich keine angenehmen Gedanken, welche man gerne teilt..
Hast du dir denn eigene Strategien überlegt wie du damit umgehst?
Ich habe Tage, an denen fühle ich mich so unter Druck und verzweifelt, sodass nichts an Ablenkung funktioniert. Ich bin ausschließlich mit den Grübeleien beschäftigt.. mittlerweile lerne ich die Gedanken als Krankheit zu sehen und nicht so ernst zu nehmen aber es gelingt mir nur selten wirklich gut. Ich habe als Jugendliche schon einmal eine Therapie begonnen, welche aber nicht wirklich angeschlagen hat. Ich habe mittlerweile erkannt, dass ich auch als Kind schon solche Tendenzen hatte. Ich denke aber, dass es schwer ist kindliche Rituale von krankhaften Entwicklungen zu unterscheiden. Allerdings bereitet es mir Sorge, dass sich die Störung zu sehr verselbstständigt haben könnte und sich gegen Gedanken wehren geht ja bekanntlich schlecht.. man denke an das Beispiel mit dem rosa Elefanten
Wie geht ihr denn damit um ? Welche Strategien sind hilfreich bei Gedankenzwängen und hat vielleicht jemand Erfahrungen gemacht, was der Hintergrund seines Zwangs ist ?

P.S. dein Deutsch ist nicht schlecht, Respekt für die kurze Zeit

LG Jessi

Ich bedauere dich wirklich sehr, ich weiss genau worum es geht: Du willst dass deine Gedanke dich in Ruhe lassen und es ist so frustierend... man denkt immer es ist so Schade dass so viel Zeit ist durch Grubeleien verloren durch das Selbstvertrauen sinkt : ( Ich hasse mich manchmal für viele Stunden und Tagen in der ich einfach nichts gemacht habe... nur gesitzt und meine Gedanken gekämpft oder "in Ordnung" gemacht habe. Aber egal was die anderen sagen bitte denk dran dass es nicht deine Schuld ist. Und es ist immer so dass die Meinung von anderen (egal wer es ist) über dich es ist doppel so besser als du dich denkst (we always underrate ourselves). Du denkst selten schlecht über anderen, aber oft über dich.
Ich habe eine Strategie gehört die ein bisschen komish klignt aber ich hoffe dass dir vielleicht helfen wird: Wenn du in eine ruhiger Ort bist (z.B. in dein Raum) mach deine Augen zu und stelle dir vor dass du viel stampfen hörst so wie vom Stiefel/Boots auf die Straße. Du machst deine Fenster auf und genau neben dein Fenster, läuft eine Parade. (du fühlst auch die kalte Luft und auch der Griff von dein Fenster macht dein Hand kalt... es ist sehr, sehr wichtig auf Details zu konzentrieren... ist es sonnig? regent es? schneit es? kannst du etwas richen? usw.) Du guckst genauer und die Leute haben sehr viele Plakate/Banner und auf jedes einziges Plakat steht deine dunkelste Gedanke (oder alle deine Zwangsgedanke, wie du willst) aber mit ein rotes X drauf natürlich (als sie gegen die protestieren oder so was) Du kannst dir jedes Gesicht vorstellen, manche sehen wütend aus, manche glücklich. Stellt dir vor was für Kleidung die Leute haben und so, alles was du willst aber keep in mind dass deine Gedanken auf die Plakaten sind. Du siehst wie alle nach rechts (oder welce Richtung du willst) bewegen. Du merkst jetzt dass die Menge ein bisschen weiter Weg ist. Die Parade entfernt sich langsam und die Geräusche/stampfen sind schwächer und es wird ruhiger und stiller. Du guckst entlang der Straße aber du kannst kaum sehen... die sind so weit weg jetzt. Und die entfernen sich mehr und mehr. Atme tief ein : )
Und immer wenn Zwangsgedanken wieder dein Tag ruinieren, versuch dieses Prozess noch mal. (remember! Details are key here)
Und du kannst auch vorstellen dass du deine schrekliche Gedanken auf eine Stück Papier schreibst und du malst dann große Ohren große Nase, Schnurrbart... oder du machst Abstriche und dann du hast Mut drauf zu kritzeln. Es ist so lustig! Du muss deine Zwangsgedanken verspotten/anzulegen/ even Witze darüber machen.
Das Ziel der Therapie und Gedankenzwängehandlung etc. ist nicht diese Gedanken zu stoppen oder zu eliminieren (weil der rosa Elefant wieder kommt), sondern die langweilig zu machen.

LG
Gabriel

Diese Strategie habe ich wirklich noch nicht gehört aber sie klingt einleuchtend, die Gedanken werden von einem genommen und ziehen langsam davon. Darauf basieren auch viele Ansätze.. man soll die Gedanken ja kommen und gehen lassen und sich nicht gegen sie wehren, das würde das ganze verstärken. Es ist nur immer so leicht gesagt
Hast du so manches dadurch auch in den Griff bekommen ?

Wie sind denn so die Erfahrungen bzgl des Trainings solcher Strategien? Gehen die wirklich irgendwann in Fleisch und Blut über sodass man sie unterbewusst durchführt ?
Vielleicht gibt es ja Leute, die ihre positiven Erfahrungen teilen möchten

LG Jessi

Mir hat es geholfen. Ich hatte früher Waschzwänge und dank dieses "Spiel" ich konnte meine damaligen Zwangsgedanken überwinden und weniger und weniger waschen aber jetzt habe ich "magisches" Denken und das hilft nicht mehr da meine Rituale mehrere Stunden jeden Tag fressen und ich habe so viel Angst aufzuhören und ich weiß nicht was ich machen soll erlich gesagt.

Ich finde es immer wieder komisch, wieso manche Strategien mal geholfen haben und plötzlich nicht mehr wirksam sind

Ich verfalle auch gerne in die Richtung des "magischen Denkens" aber das ist irgendwie von alleine in den Hintergrund gerückt.. allerdings habe ich auch bewusst irgendwann gesagt dass das in keinem Zusammenhang steht und nur Zeitverschwendung ist was sich in meinem Kopf zusammenbraut..
Ich würde dir raten die Rituale zu unterlassen, so schwer es auch ist und die Gedanken und Gefühle der Unsicherheit versuchen zu ertragen.. wenn dir das noch nicht gelingt könnte es auch hilfreich sein die Rituale erst einmal vor sich herzuschieben.
Also wenn ein Zwang sich meldet nicht sofort die Handlung ausführen sondern vll erstmal 5 Minuten warten und das ganze immer weiter steigern bis es erträglicher wird, könnte mir vorstellen dass sowas helfen könnte.. habe ich mal als Tipp eines anderen Betroffenen gelesen und finde das Vorgehen schlüssig. Somit hat man kleine Erfolgserlebnisse auch wenn man den Zwang noch nicht unterdrücken kann, aber man kommt immer näher heran.

LG Jessi

Vielen dank, ich werde es versuchen : )

Hi Jessi und Gabriel !
hier ist Sophia, ich bin 26 und habe Probleme mit Zwangsgedanken seit ich 18 Jahre bin.
ich verstehe sehr gut was ihr geschrieben habt und die Problematiken !
sehr interessante Idee mit der Parade die vorbei zieht!
liebe Grüße,
Sophia

Hey Sophia
Wie gehst du denn damit um ? Du hast ja bestimmt auch einige Techniken entwickelt, bei so einer langen Zeit.
Ich hab deinen Beitrag in der Willkommensrunde gelesen, dort hattest du so etwas ja schon angedeutet.

LG Jessi