Trigger Familie

Jessi
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Trigger Familie

Beitrag von Jessi »

Hey :)
Ich habe eigentlich ausschließlich Zwangsgedanken und bekomme diese mittlerweile immer besser in den Griff. Seit Frühjahr dieses Jahres bin ich in Therapie und hätte zu Beginn nie gedacht, dass es mal wieder so weit bergauf gehen könnte. Nun merke ich mittlerweile etwas besser, was bei mir triggernd wirkt. Ich werde anscheinend unbewusst aufmerksamer mir selbst gegenüber.

Nun, es ist allerdings so, dass meine Eltern beide psychische Probleme haben und dadurch schon seit geraumer Zeit aneinander stoßen. Ich werde allerdings in diese Thematik mit hereingezogen und wenn ich mich distanzieren möchte wird darauf keine Rücksicht genommen. Ich merke, dass solche Ereignisse meine Unruhe wieder hervorbringen und dadurch die Gedankenkreise wieder zum laufen bringen. Ich habe dann durchgehend ein ungutes Gefühl in mir und weiß irgendwann nicht mehr warum. Mittlerweile erkenne ich, dass es an solchen Ereignissen liegt.
Wenn ich mich distanziere bekomme ich allerdings ein schlechtes gewissen und fühle mich verantwortlich. Ich habe dann das Gefühl ich müsse mich vollends aufopfern sonst wär ich keine gute Tochter. Es ist schlecht für mich und ich würde viel lieber gelassen reagieren und mich zurückziehen.

Habt ihr eventuell Tipps für mich wie ich mich selbst aus der Verantwortung nehmen kann ? Oder wie ich lerne solche Dinge nicht mehr als trigger an mich heranzulassen ?

LG Jessi
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SHG
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erwachsen

Beitrag von SHG »

Ich finde es schön, wie duch dich hier im Forum einbringst und dadurch andere unterstützt - du leistest dadurch für mich (und ich denke auch für andere) wertvolle Beiträge - und zwar ohne dich aufzuopfern. Nimm doch das als 'Modell', wie du für andere da sein kannst, auf eine auch (hoffentlich) für dich angenehme Weise. Ich finde, Kinder - egal welchen Alters - sind nie für die Eltern verantwortlich. Dass wir den Eltern in Not auch beistehen, das werden wir schon tun, wenn es für uns selbst auch gut passt, aber wir sind nicht verpflichtet oder stehen erst recht nicht in deren Schuld, weil sie ja so viel für uns getan haben (ja, womöglich auch 'Opfer' gebracht haben - das haben aber nicht wir 'verschuldet'). Wenn du danach fragst, wie du dich aus der Verantwortung nehmen könntest - du solltest nicht weniger verantwortungs-bewusst sein. Die Frage ist nur, wem gegenüber. Es liest sich so, als würdet ihr euch gewissermaßen gegenseitig die Schuld zuschieben - mache es ihnen nicht weiterhin nach und versuche zunehmend Verantwortung für dich selbst zu übernehmen.
Weil ich gerade über Achtsamkeit lese, vielleicht hilft es dir auch in der Beziehung zu den Eltern öfter mal einfach die Beobachter-Rolle einzunehmen - und schließlich auch bzgl. der eigenen aufdringlichen Gedanken. Lenke die Aufmerksamkeit ein wenig davon weg, das gezielt verändern zu müssen/können.
downtherabbithole
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Re: Trigger Familie

Beitrag von downtherabbithole »

Hallo Jessi,

wenn du dich von deinen Eltern abgrenzen möchtest, bedeutet das auch, das damit einhergehende schlechte Gefühl/Gewissen auszuhalten und damit umgehen zu lernen. Meiner Erfahrung nach wird das irgendwann besser und das mit dem Abgrenzen dann auch. Wenn man es nicht gelernt hat ist es Übungssache, und das muss nicht Knall auf Fall sein sondern man kann mit leichten Sachen starten. Es hilft auch deinen Eltern nichts wenn du dich für sie aufopferst und es dir damit schlecht geht. Achte auf dich, du bist nich verantwortlich für das Glück deiner Eltern.

Meine Therapeutin gab mir mal den Satz mit: Not my circus, not my monkey. Das könntest du dir zB sagen wenn eine bestimmte Situation auftritt und das ganze von außen beobachten. Sie müssen das unter sich und jeder mit sich selber regeln. Und du kümmerst dich um dich :).
Jessi
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Re: Trigger Familie

Beitrag von Jessi »

Vielen Dank für die schnellen lieben Antworten :)
Ich weiß eigentlich auch, dass ich mich nicht verantwortlich oder schuldig fühlen müsste aber das eine sagt mein Verstand und das andere ist das Gefühl, was sich aufdrängt. Ich glaube auch, dass es reine Übungssache ist.
Mit der gegenseitigen Schuldzuweisung habt ihr auch irgendwo Recht, allerdings bin ich immer in der Vermittlerrolle und fühle mich in jeden hinein.
Sobald ich Kontakt zu meiner Familie habe kommt irgendwann ein Punkt an dem die Stimmung kippt. Ab diesem Moment muss ich mir entweder Vorwürfe gegen mich anhören oder ich bekomme von verschiedensten Seiten die Lästereien über den jeweilig anderen mit. Dem kann ich mich nicht schnell genug entziehen und muss einen Weg finden damit umzugehen wenn ich solche Momente mitbekomme.
Zudem haben meine Eltern nur sich selbst und nehmen mich dann gerne als Freund, Therapeut oder dergleichen und sehen nicht, dass es nicht mein Job ist und was sie mir damit eigentlich aufbürden.
Es ist wie eine Endlosschleife und ich glaube momentan, dass diese Verhaltensmuster vieles bzgl der Zwänge ausgelöst haben.

LG Jessi
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SHG
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Engelskreise

Beitrag von SHG »

Aus so einer Endlosschleife auszutreten kann ganz schön mühsam sein und viel Kraft erfordern - zahlt sich aber bestimmt aus. Ich wünsche dir, dass es dir gelingt in solchen Momenten, wie du es beschrieben hast - mal inne zu halten und dir zu sagen: das schaue ich mir jetzt nur mal an, spüre in mich hinein, lasse erste Impulse und Gefühle vorüberziehen und entscheide in Ruhe, wie es für mich passt weiterzumachen (ev. auch die Situation mal zu verlassen). Ich denke, wir sind in solchen Momenten oft mal zu sehr gedrängt, es gleich richten zu wollen/müssen. Nur Mut zur Gelassenheit!
Zwang1
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Re: Trigger Familie

Beitrag von Zwang1 »

Hallo,
ich 42, w. habe auch dieses Problem. Zum einen eine schwierige Kindheit, weil mein Eltern schon seit ich denken kann, streiten. Eine Beziehung gibt es zwischen ihnen nicht. Gehen will aber auch keiner. Vielleicht auch Abhängigkeit. Oft wurde auch gesagt, wegen uns Töchter. (Vielleicht kommt auch daher dieses ständige Schuldgefühl, das so oft bei Zwängen mitspielt und natürlich auch bei meinen Zwangsgedanken.
Und dann war es auch zu spät für meine Mutter zu gehen, als wir groß waren, sagt sie, weil sie schön älter ist. Hier geht es auch noch um ein Haus, wo keiner das Feld räumen will. Natürlich auch alte Ansichten etc. Meine Eltern sind schon über 80. Haben den Krieg noch miterlebt und ihr Päckchen zu tragen.

Ich bin die einzige Ansprechpartnerin für meine Mutter, wenn sie sich über meinen Vater beschwert. Und da fühlt man sich auch verantwortlich. Zumal aufgrund des hohen Alters. Sie brauchen natürlich auch langsam Hilfe hier und da.
Ich weiß auch, dass es oft Kontraproduktiv ist so viel Kontakt zu haben (täglich, da wir alle auf einem Grundstück leben), aber es läßt sich sachlich nicht immer alles lösen. Ich sehe auch dass sie sich bemühen und es selbst im Leben nicht leicht hatten. Ich will auch kein Greuel aufbauen. Besonders jetzt nicht, wo sie so alt schon sind. Ich versuche mir zu sagen, sie haben das beste getan, was sie konnten. Sie wollten uns ja nicht schaden, aber natürlich sind wir ein Produkt unserer Erziehung und Umwelt.
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SHG
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Familie

Beitrag von SHG »

Als Kinder sind wir nicht für die Eltern verantwortlich. Auch, wenn Eltern meinen, sie hätten sich oder zu viel für die Kinder aufgeopfert, bedeutet das nicht, dass sie von den Kindern zurückverlangen dürfen, dass diese sich nun auch aufopfern für sie. Damit wird es kaum gelingen ZuFRIEDEnheit zu erlangen.
Und wir sind kein "Produkt", sondern lebendig und damit können wir jeden Moment nutzen um uns und unser Leben zu ändern mit ganz persönlichen Entscheidungen anstatt Zwängen.
Maja_83
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Registriert: Do 31. Dez 2020, 22:00

Re: Trigger Familie

Beitrag von Maja_83 »

Wir sind nicht für unsere Eltern verantwortlich. Ich habe mir immer gesagt, dass ich das Kind bin. Wir sind aber für unser eigenes Handeln verantwortlich. Deine Eltern kennen es nicht anders und denken sich vermutlich auch nicht viel dabei. Bei anderen Menschen geht es ja erstmal um sie selbst. Und jetzt liegt dann die eigene Verantwortung darin sich selbst soweit abzugrenzen, dass es einem gut damit geht. Ich persönlich mache das ja immer in kleinen Schritten. Erstmal, weil es mit Sicherheit gibt 😅😉 und weil ich auch niemanden vor dem Kopf stoßen will. Vielleicht kann man erstmal sich nur Situationen raussuchen, die einem leichter fallen. Irgendwas banales, wo man aber doch den Impuls verspürt wieder etwas organisieren und abnehmen zu wollen. Ich würde dann achtsam zuhören, aber nicht ins Handeln kommen. Vielleicht kann man sich auch schon eine Art Antwort zu Recht legen. Ich weiß es nicht.

Das sind so meine Gedanken dazu. Vielleicht passt ja was.

Ich bin auch eng mit meinen Eltern. Und wenn ich mit meiner Mutter telefoniere, erzählt sie mir erstmal, was sie alles noch zu tun hat und welche Probleme es gibt. Da muss ich auch immer gut auf mich Acht geben. Sonst würde ich alles regeln wollen, dabei Handbuch selbst genug zu tun.

Alles Liebe, Maja 😊
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Yorge
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weniger abhängig

Beitrag von Yorge »

Ich möchte kurz rückmelden, dass ich den letzten Beitrag hier recht interessant finde und er mich etwas beschäftigt. Ich merke auch, dass mir eine gewisse Abgrenzung von den Eltern (wobei mir die Pandemie-Situation sogar etwas "hilft" dabei) gut tut. Trotzdem will ich mich auch bemühen, dass ich im Kontakt mit ihnen lerne, mich mehr zu behaupten - also, eh wie es gut beschrieben ist, auf mich achte. Ich denke das tut dann nicht nur mir, sondern auch der Beziehung und, auch wenn sie es nicht gleich selbst merken, wsl. auch den Eltern gut. Eine Abgrenzung in der Eltern-Kind-Beziehung ist ja nie was Absolutes. Selbst wenn man nicht direkt in Kontakt ist, leben in einem ja elterliche Anteile und fürsorgliche Abhängigkeiten lassen sich ja auch nur in begrenztem Ausmaß vermeiden. Ja, vielleicht ist es mit den Eltern. ähnlich wie mit einem Zwang, der einen begleitet. Versuchen gänzlich unabhängig von ihm/ihnen zu werden ist möglichweise ein zu hoch gestecktes, kaum erreichbares Ziel. Ein mal mehr, mal weniger gutes Auskommen damit das wünsche ich mir und euch - natürlich lieber mehr als weniger ;)

Danke für die offenen und berührenden Worte und euch allen auch gutes Gelingen mit den Eltern und den Kindern (auch wenn sie noch ganz klein sind, vielleicht noch gar nicht auf der Welt oder vielleicht schon ganz alt und gar nicht mehr auf dieser Welt)
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
fabian123
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Registriert: So 20. Okt 2019, 14:06

Re: Trigger Familie

Beitrag von fabian123 »

Hallo zusammen,
also ich kann für mich persönlich sagen, dass mich meine Familie definitiv triggert. Meine Eltern und Geschwister lösen in mir bis heute Panik aus (ich bin fast 40 Jahre alt). Egal was meine Eltern oder Familienmitglieder mir erzählen, ich fühle mich automatisch immer „verpflichtet“, ihnen helfen zu müssen. Ist das nicht der Fall, beginne ich bei mir irgendwelche „Dinge“ zu suchen, welche in meiner Fantasie zu einer „Gefahr“ werden könnten (das kompensieren meiner Gefühle mit Zwangsgedanken). Diese Gedanken und Gefühle habe ich, seit dem ich denken kann.

Genauer gesagt stelle ich bei mir immer mehr fest, dass mein Kontrollzwang: Dinge zu kontrollieren und strukturieren + meine Zwangsgedanken, ein automatisiertes Handeln bei mir ist. Es geht darum mich für einen kurzen Moment „sicher“ fühlen zu können. Dazu muss man sagen, dass meine Kindheit und Jugend, in sehr fragilen, stressigen und „unsicheren“ Familienverhältnissen statt fand. Ich kann mich beispielsweise innerhalb meiner ersten 20 Lebensjahre nicht daran erinnern, mich auch nur einmal „sicher“ gefühlt zu haben (außer nach dem Zwanghaften überprüfen von etwas). Ich würde es im nach hinein ein „Bürgerliches-Setting“ nennen, wo alle Personen im Haushalt nur an sich selbst gedacht haben, und das primäre Hauptthema „Angst um die eigene Existenz“ war. Dieses Thema zelebrierte jeder für sich, ohne die Grenzen seiner Mitmenschen zu respektieren, geschweige den auf die Kinder Rücksicht zu nehmen.

Ich habe innerhalb meiner aktuellen Therapie festgestellt, das meine Eltern durch ihr damaliges total egoistisches bzw. stellenweise auch nazistisches Verhalten, definitiv eine große Mitschuld an meinen heutigen Zustand mittragen. Sicher haben sie vieles nicht mit böser Absicht gemacht, wir sind alles Menschen und machen auch Fehler. Aber das ist gerade ein schönes Beispiel: Ich gestehe allen Menschen Fehler zu oder entschuldige sie, nur mir selbst gestehe ich das nicht ein =)

Ich versuche zur Zeit so viel Distanz wie möglich zu meinen Familienmitgliedern zu haben. Mit persönlich hilft das.


Ich wünsche euch alles Gute,
Fabian
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