Literatur

Silvia
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Re: Jorge Bucay

Beitrag von Silvia »

Yorge hat geschrieben: Di 4. Dez 2018, 12:56 Ein Zitat in dem auch der Zwang vorkommt:
"Wenn du dir nicht bewusst machst, wie sehr du vom Blick der anderen abhängig bist, zitterst du aus Angst davor, von ihnen im Stich gelassen zu werden, was du, genau wie jeder von uns, gelernt hast zu fürchten.
Und der Preis dafür, sich nicht fürchten zu müssen, ist, sich anzupassen, ist, das zu sein, was die anderen, die uns ja so sehr lieben, uns zwingen zu sein, zu tun und zu denken"
.... das passt für mich,
wie der Deckel auf dem Topf. ;)
Danke fürs erinnern Yorge!
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
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Yorge
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Stille Nacht

Beitrag von Yorge »

Friedliche Weihnachten und herzlichen Dank dafür, dass ihr mich heuer einen Teil des Jahres begleitet habt.

Ich möchte mit euch eine schöne Geschichte teilen:
“Einer Weihnacht Lust und Gefahr“ von Peter Rosegger aus dem Buch Waldheimat (die kindle edition gibt es gratis, ist aber meiner Ansicht nach nicht umsonst ;) )

Dass wir mit unseren Lieben so gerne die Geburt eines Kindes feiern, finde ich, bedeutet schon etwas. Auch mein Weg, weg zu weniger Zwanghaftigkeit, ist geprägt vom kindlichen Sein.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
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Yorge
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Launischer Dank

Beitrag von Yorge »

"Kein Tag ist wie der andere. So wie .. plötzlich wieder die Sonne scheint, kann sich auch unsere Stimmung ganz schnell ändern. Mal bist du fröhlich und vergnügt, ein anderes Mal hast du zu nichts Lust und dir ist nur noch zum Weinen zumute. Oder du ärgerst dich und schreist vor Wut. Und manchmal weißt du selbst gar nicht so genau, was mit dir los ist."
(aus dem WiesoWeshalbWarum-Buch "Ängstlich, wütend, fröhlich sein")

Das passt recht gut zum heutigen Wetter bei uns und meiner momentanen Laune. Ich freue mich über den 1000sten Zugriff eines Themas, das ich initiiert habe, und möchte mich fürs Lesen und ganz besonders für den wohltuenden Austausch mit euch bedanken!
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
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michael_m
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Re: Literatur

Beitrag von michael_m »

Da ist was dran an dem Zitat. :)

Glückwunsch zum Tausender! Das Thema hat sogar inzwischen aufgrund der vielen Beiträge eine Flamme bekommen. :)
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Yorge
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Angst und Wut

Beitrag von Yorge »

Als ich mich erstmals an eine Beratungsstelle wendete mit meinen Zwängen, wurde mir vom dortigen Berater ein Psychoanalytiker empfohlen. Ich ging dort für eine Einheit hin und beschloss aber dann doch erstmal mit einer Verhaltenstherapie zu starten. Das ist jetzt schon ziemlich lange her, aber an eines erinnere ich mich noch. Wie es eben manchmal so ist (vielleicht früher noch mehr war) bei Analytikern, wird man dann am Ende mit einer Feststellung über sein Problem konfrontiert. Damals konnte ich noch nicht so viel damit anfangen, aber immerhin erinnere ich mich noch und konnte auch in den letzten Jahren feststellen, dass schon was dran sein dürfte. Er sagte nämlich: "Es geht um ihren Ärger."
Einen Artikel zum Thema den ich recht interessant finde möchte ich mit euch teilen:
https://www.angstselbsthilfe.de/wp-cont ... /01/25.pdf
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Yorge
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Kindsein

Beitrag von Yorge »

Als das Kind Kind war,
hatte es von nichts eine Meinung,
hatte keine Gewohnheit

Als das Kind Kind war,
war es die Zeit der folgenden Fragen:
Wie kann es sein, dass ich, der ich bin,
bevor ich wurde, nicht war,
und dass einmal ich, der ich bin,
nicht mehr der ich bin, sein werde?

Als das Kind Kind war,
stellte es sich klar ein Paradies vor
und kann es jetzt höchstens ahnen,
konnte es sich Nichts nicht denken
und schaudert heute davor.


Von Peter Handke aus "Lied Vom Kindsein"
Zum Andenken an Bruno Ganz
http://www.babelmatrix.org/works/de/Han ... _Kindsein/
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Yorge
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Existenzanalyse

Beitrag von Yorge »

Wenn jemand sich, zusätzlich zur Verhaltenstherapie, noch mit etwas anderen therapeutischen Zugängen beschäftigen möchte, hier ein Artikel mit dem Titel "Der Kampf um absolute Sicherheit - Ein existentieller Zugang zum Zwang". Logotherapie und Existenzanalyse ist ein humanistisch-existenzielles Therapieverfahren von Viktor Frankl.
http://laengle.info/userfile/doc/Zwang-BÖP-2015-.pdf

Erkenntnisse, die ich mir daraus und darüber hinaus notiert habe:
ORDNUNG KANN ENTLASTEN, ABER IM ÜBERMASS AUCH EINSCHRÄNKEN

ENTSCHEIDEN und WOLLEN HEISST VERANTWORTLICH SEIN
Und zwar für das Gute UND das Schlimme was (mir) dadurch passiert. Wenn ich etwas verantworte, darf ich mich über den resultierenden Erfolg freuen – allerdings gehört dann auch dazu mit Misserfolgen, Unzulänglichkeiten und Schuldgefühlen umgehen zu können.

ICH KÄMPFE UM EINE ABSOLUTE SICHERHEIT, DIE ES ABER IM WIRKLICHEN LEBEN NICHT GIBT
Bei schwierigen Entscheidungen gibt es auch höchstwahrscheinlich nicht das Richtige

ICH SCHRÄNKE MICH EIN UND ZIEHE MICH ZURÜCK, WEIL MIR DADURCH DAS SICHERHEITS-GEFÜHL ERREICHBARER ERSCHEINT
Ich will mich wieder mehr dem vielschichtigen Erleben öffnen - auch der Welt um mich und diese mitgestalten

DAS NICHT-ERREICHEN DES UNMÖGLICHEN SICHERHEITSGEFÜHLS FÜHRT ZUR ANDAUERNDEN UNRUHE
Wenn ich die Unsicherheit des Lebens anerkenne, kann ich es auch mal gut sein lassen


Existentielle Psychodynamik wird auch von Irvin D. Yalom im Buch "Liebe, Hoffnung, Psychotherapie" recht eindrücklich beschrieben. Dabei geht es darum, dass der Mensch mit Ultimate Concerns konfrontiert ist, mit denen sich eine Auseinandersetzung lohnen könnte:
Tod Spannung zwischen der Bewusstheit von der Unausweichlichkeit des Todes und dem Wunsch weiter zu existieren
Freiheit Abwesenheit von äußeren Strukturen und damit völlige Verantwortung für meine eigene Welt
Isolation Letzten Endes bin ich dann doch auf mich allein gestellt
Sinnlosigkeit Jeder muss selbst seinen eigenen Sinn im Leben finden
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Yorge
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Mutmachbuch

Beitrag von Yorge »

Hilfreiches, was ich nach dem Lesen des Buches "Zwänge bewältigen - ein Mutmachbuch" von Burkhard Ciupka-Schön hier festhalten und teilen möchte:

Durch Zwangshandlungen wird versucht unangenehme Anspannung weg zu bekommen oder zu vermeiden. Kurzfristig scheint das zu gelingen, auf Kosten von langfristigem Schaden.
Ständiges Ausführen von Zwangshandlungen führt zu einer Gewöhnung. Man wird schließlich so abhängig davon, dass das Unterlassen/Konfrontieren sich unerträglich anfühlt. Zwangshandlungen werden meist tausende Mal ausgeführt und sind damit ein riesiger Aufwand. Alleine dadurch verstärkt sich die scheinbare Bedeutung des zugrundeliegenden Zwangsgedanken.

Gedanken können nicht willkürlich gesteuert werden, sie sind daher unbedingt zu akzeptieren.
Es soll versucht werden alle Gefühle zu akzeptieren, auch wenn sie unzumutbar erscheinen. Auch sogenannte negative Gefühle wie Ärger, Trauer, Ekel, Scham, Schuld, Angst, Unvollständigkeit.

Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit, Fleiß sind eigentlich geschätzte Tugenden. Der Zwang verschafft uns eine Illusion davon, diese in einem Teilbereich absolut zu erreichen. Absolute Sicherheit gibt es im Leben aber nicht und daher wird man damit nie Zufriedenheit erlangen.
Der Zwang hält nicht was er verspricht, sondern bringt meistens genau das Gegenteil.

REIZKONFRONTATION
Achtsamkeit bedeutet, seine eigene Anspannung zu erkennen und sie damit auch verändern zu können. Reizkonfrontation hat selbstbestimmt zu erfolgen und auch die Verantwortung geht dabei immer mehr auf den Konfrontationskandidaten über. Sie soll zum festen Bestandteil des Lebens werden.
Angehörige können (bei intakter Beziehung) wichtiger Behandlungspartner sein. Sie stören, wenn sie Angst vor dem gewachsenen Selbstbewusstsein des Betroffenen ohne Zwang haben.

SELBSTENTFREMDUNG / FEHLER-ERKENNUNGS-SYSTEM
Bei der Zwangsstörung liegt eine Neigung zur Selbstentfremdung und dominantes Fehler-Erkennungs-System vor. Man „funktioniert nur noch“ - Das Erleben ist weniger von den eigenen Wünschen und Bedürfnissen beseelt, als von der Pflichterfüllung und dem Streben nach Normalität.
Therapie sollte das Ziel verfolgen, wieder ein Gleichgewicht herzustellen.

Lange Ursachenklärung kann auch Strategie zur Vermeidung der Konfrontation sein.
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Yorge
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A.C.T. bei Zwangsstörung

Beitrag von Yorge »

https://www.researchgate.net/publicatio ... r_Marriage

Ein interessanter (ev. auch zu diskutierender) Text über Akzeptanz und Commitment Therapie bei Zwangsstörungen.
Recht klein gedruckt und englisch. Ich habe Teile daraus hier zusammengefasst:

ACT vs. ERP for OCD: Is it war or Marriage by Jonathan Grayson
Wesentliche Denkverzerrung bei Zwängen ist die Intoleranz von Unsicherheit.
Betroffene brauchen Hilfe beim Tolerieren unterschiedlicher Auswirkungen, die er/sie verzweifelt versucht zu verhindern.
(Selbst wenn jemand während der Therapie stirbt, würde ich ihr dazu raten, die Therapie fortzusetzen, denn ein einzelner Tod könnte ein Zufall sein. Wenn sie durch schlechte Gedanken 3-4 Leute tötet, würde die Behandlung geändert und die CIA kontaktiert, denn die hätten sicher eine spezielle Verwendung für sie.)

AKZEPTANZ Exposition ist Akzeptanz. Das Behandlungsziel ist zu lernen mit Unsicherheit zu leben, oder alternativ, die Unmöglichkeit, je absolute Sicherheit zu erreichen, akzeptieren zu lernen. Ängste und Rituale entstehen durch den Versuch 100% sicher zu sein.
Sicherheit ist keine Tatsache, es ist ein Gefühl. Ein Gefühl das oft mit der Realität übereinstimmt, aber wie wir wissen und befürchten, es gibt Überraschungen.
Menschen die 100% sicher sind, sind dumm.
Ich entscheide mich dafür eine gewisse Unsicherheit zu akzeptieren.

Die Unsicherheit, dass ein Unglück passiert, zu akzeptieren bedeutet auch zu entscheiden, dass, sollte dieses eintreten, hoffe ich mit dem Desaster zurecht zu kommen, anstatt in Anbetracht dessen aufzugeben.

DEFUSION Unsere Gedanken von der Bedeutung und Wichtigkeit, die wir ihnen geben, lösen. Das heißt nicht, dass die Gedanken, oder mit ihnen einhergehenden Emotionen, weg sind. Aber das Verhältnis zu ihnen ändert sich. Die Gedanken/Gefühle werden weniger als Wahrheiten erlebt, sondern mehr gesehen als Hypothesen, die auch wieder verworfen werden können (und die unmöglich überprüft werden können). Es geht nicht darum, wie Wahrscheinlich eine (gedankliche) Befürchtung tatsächlich eintreten kann, sondern, unabhängig davon, mit den potentiellen Konsequenzen leben zu können.
Das Schlimmste ist, dass du für all die Schmerzen und Qualen nichts bekommst. Du lebst nicht dein Leben und die befürchteten Desaster werden dennoch eintreten. Ritualisieren kann auch so gefährlich sein wie Exposition (Unfall durch Rückspiegelschauen). Ritualisieren führt letztlich zu mehr Angst und Ritualisieren (das registrieren Klienten, aber ignorieren sie in der Panik oft).

WERTE Therapie und Ritualisieren, beides ist sehr schmerzhaft – mit dem Unterschied, Ersteres führt zu einem Ende der Rituale und Letzteres zu endlosen Ritualen. Emotionen und Gedanken auf obsessive Stimuli wurden vom Betroffenen konditioniert. Was haben Sie durch Zwänge verloren und welches Leid Ihren Geliebten angetan? Welcher Mensch willst du wirklich sein? Dein Kind wird lernen was du tust, nicht was du sagst. Du stellst deine Zwangsängste über das Wohlergehen deines Kindes.
Sich einem Kontaminanten exponieren wird dann eine Tat der Liebe über die Angst.

ENGAGIERTES HANDELN Lebe einfach deine Werte. Einfach ist nicht das gleiche wie leicht. Höre auf damit dein Leben hinauszuschieben und arbeite daran der Mensch zu sein, der du entscheidest zu sein. ..mit der Möglichkeit, dass deine befürchteten Konsequenzen tatsächlich eintreten.

ASPEKTE DES SELBST Ständiges kategorisieren und beurteilen was vor sich geht, kann dem Lebensweg in die Quere kommen. Ein Ziel zu wählen heißt nicht dieses zu erreichen – es zeigt die Richtung, in die ich gehen will, an. Nur weil ich mich davor fürchte zu entscheiden, bedeutet das nicht, dass ich der Angst meine Entscheidungen treffen lassen muss.

ACHTSAMKEIT Sich selbst beobachten. Den Gedanken und Gefühlen erlauben da zu sein, anstatt versuchen sie zu stoppen.

MEINE ZUSAMMENFASSSUNG:
Der ständige Versuch, das Gefühl von absoluter Sicherheit zu erlangen, kann sehr schädlich sein. Ich achte darauf, entschieden - jetzt in diesem Moment - so zu handeln wie ich es auch langfristig für gut halte.
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SHG
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Registriert: Do 5. Dez 2019, 19:40
Wohnort: Linz

Kontakt mit Fachkräften?

Beitrag von SHG »

Ich habe gerade angefangen das relativ neue Buch „Zwangsstörung“ herausgegeben von Charles Benoy / Marc Walter zu lesen. Im Vgl. zu den zuletzt von mir gelesenen Büchern über Zwänge (von Hershfield, Külz, Quinlan) ist es eher eine Sammlung von Theorien und Fakten und etwas weniger vergnüglich zu lesen..
Zwei Erkenntnisse sind mir aufgefallen, da wir auch hier darüber diskutiert hatten:
Es gibt so etwas wie „atypische Zwänge“ bei ca. 10% der Betroffenen, die dadurch charakterisier sind, dass zumindest zeitweise der/die Erkrankte nicht von der Sinnlosigkeit seiner Handlungen überzeugt ist.
Es dürfte schon Hinweise für Komorbidität von Zwangsstörung und Schizophrenie geben.

Erschüttert mich jetzt nicht in besonderem Maße. Was mich dabei aber schon etwas irritiert, ist dass hier der Austausch ziemlich ohne Begleitung von Experten stattfindet. Ich weiß nicht, ob tatsächlich niemand von ihnen hier mitliest und es wäre wsl. auch zu viel verlangt, wenn jemand (die teilweise schon recht langen) Beiträge lesen und was dazu schreiben sollte. Noch dazu, wenn man als Experte hier schreibt, das muss ja dann alles auch recherchiert sein und tatsächlich könnte das schon recht aufwändig werden.

Ich frage mich, ob es Sinn machen könnte, einen Thread einzurichten für Fragen an Experten, diese rel. kurz zu fassen und die werden dann z.B. beim Zoom Treffen an die DGZ herangetragen. Was haltet ihr von so etwas - in der Art?
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