Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

eulenfalter
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Registriert: So 21. Nov 2021, 01:33

Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von eulenfalter »

Hallo,

es würde mich interessieren, ob bei euch auch erhebliche Probleme mit dem Thema Schlaf bestehen?

Bei mir ist es so:

Generell neige ich dazu, nach dem Aufstehen Konzentrationsprobleme zu haben und nicht so viel auf die Reihe zu kriegen. Auch neige ich mehr zu Zwängen in der Folge der Konzentrationsschwierigkeiten.
Gegen Abend geht es mir dann immer besser und ich kriege Sachen erledigt. Im Tagesverlauf vermeide ich dann aber viele Dinge, die anstrengend sind und oft auch mit Zwängen verbunden sind. Vor dem Bettgehen bin ich dann müde genug, dass ich die anstrengenden Zwänge vor dem Schlafen vermeide / aufschiebe / unterschätze. Am Ende gehe ich zu spät ins Bett und bin erschöpft. Am nächsten Tag stehe ich dann später auf und der Rhythmus verschiebt sich in den Tag, und es wird jeden Tag schlimmer mit dem Rhythmus, oder ich stehe auf trotz zu wenig schlaf,bin dann sehr depressiv und unkonzentiert und es geht mir wirklich schlecht bis hin zu somatischen Beschwerden (Herzrasen, Herzstolpern).
Ich habe das ganze nie allein in den Griff bekommen, nur mit sehr engmaschiger psychotherapeutischer Hilfe ging das, aber die ist nicht leicht zu finden. Ohne sehr engmaschige Hilfe stürzte ich wieder ab in das o.g. Schema --- ich habe schon zwei Klinikaufenthalte und zwei ambulante VTs hinter mir, d.h. das ist jetzt der Ist-Zustand schon seit Langem, mit dem ich mich arrangieren muss.

Habt ihr auch Probleme mit dem Schlaf, die alles andere noch schlimmer machen, und wenn ja, wie kriegt ihr es in den Griff?

Hier auch mal noch was zum Thema:

https://www.chronobiology.com/de/warum- ... d-erhoeht/

https://www.spektrum.de/magazin/spaetes ... ge/1498505

man sieht da also den teufelkreis: depression + zwänge ---> spätes zubettgeehen --> schlafmangel --> mehr zwänge und depression --> späteres zubettgehen.
Jessi
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Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von Jessi »

Hey!

Während der depressiven Phasen oder Zeiten, in denen der Zwang präsenter ist, hilft mir meistens nur "abwarten und so gut es geht weitermachen". Ich versuche die Gedanken in solchen Situationen zu ignorieren, zu unterbrechen und ihnen den Schrecken zu nehmen. Ich lasse mich auf keine Diskussion mit dem Zwang mehr ein.
Innerhalb dieser Phasen schlafe ich auch nicht gut, teilweise träume ich zwangsbehaftete Situationen und wache getriggert auf. Damit komme ich mittlerweile aber glücklicherweise relativ gut klar. Mir geht es morgens normalerweise jedoch eher gut. Ich bemerke morgens einen kleinen Moment, indem ich nicht an Zwänge denke und realisiere, dass es somit nur eine durch mein Gehirn erzeugte Angst ist. Mir fällt das aufstehen und der Ausgleich im Alltag dafür schwerer.
Das Verschieben des Rhythmus kenne ich demnach auch. Mir hilft diesbezüglich eine körperliche Aktivität auszuüben und jeden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit aufzustehen. Routinen sind wichtig und bieten einem Halt. Vielleicht hilft es dir, eine bestimmte Uhrzeit festzulegen und dir zb vorzunehmen jeden Tag ein halbe Stunde spazieren zu gehen oder 2x/3x in der Woche zum Sport zu gehen wie z.B. joggen. Mir hilft Ausdauersport sehr. Je nach Fitnesslevel und Einschränkungen durch die Zwänge kannst du dir Dinge überlegen, welche du regelmäßig angehen möchtest, sodass du dir selbst keinen Druck erzeugst sondern lediglich den Mechanismus des Körpers für dich nutzen kannst. ;)

LG Jessi
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Yoli
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Registriert: Mi 22. Sep 2021, 12:07

Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von Yoli »

Hallo Eulenfalter,
bei mir gingen/gehen Zwang, depressive Symptomatik und Schlafstörungen Hand in Hand und haben sich gegenseitig auch verstärkt, genau so wie du es unten nochmal dargestellt hast.

Die depressive Symptomatik am Morgen/tagsüber kenne ich auch. Ich habe als einzige Option für mich gesehen, nichts an meinem Schlafrhythmus zu ändern. Ich bin also jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett gegangen und morgens zur etwa gleichen Zeit aufgestanden, egal wie müde ich war. Mein Problem ist auch eher das Durchschlafen, ich bin dann häufig schon um zwei oder drei wachgeworden und lag dann wach. Die Herausforderung für mich war dann eher nicht zu früh ins Bett zu gehen, weil ich natürlich körperlich total erschöpft war.
Hast du vielleicht Freunde oder Familie, die dich unterstützen können, hier den Rhythmus beizubehalten?

Was mir hilft, ist an den Zwängen zu arbeiten. Als ich da merkte, dass es minimal leichter wird, wurde auch mein Schlaf Stück für Stück besser. Das führte dann wiederum dazu, dass ich mich tagsüber besser mit den Zwängen auseinandersetzen konnte usw. Also die umgekehrte Reihenfolge.
Der Tipp mit dem Sport/Spazieren von Jessi ist auch super. Das hilft mir auch. Sport mache ich erst seit vier Wochen wieder, vorher war das nicht möglich, aber ich habe immer versucht irgendwie auf eine bestimmte Anzahl Schritte zu kommen, sodass ich ein „Erfolgserlebnis“, frische Luft und Bewegung hatte.
eulenfalter
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Registriert: So 21. Nov 2021, 01:33

Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von eulenfalter »

VIelen Dank für eure Antworten. Was ihr schreibt, stimmt alles --- allerdings habe ich die Kraft nicht, das konsequent umzusetzen - daher versuche ich mir Hilfe zu holen.

Ich sehe, dass eure Probleme teilweise mit meinem Übereinstimmen, teilweise aber auch in dieser Form nicht existent sind wie bei mir, und umgekreht -- was zu erwarten war.

Was mich vor allem noch interessiert, ist, ob es hier Leute gibt, die eben massive Probleme haben, weil sie abends die "Kontrolle" verlieren und durch lange Zwänge (die "zu spät" begonnen worden durch Aufschieben) und allg. Erschöpfung und Handlungshemmung/Depressiv ihren Schlaf kaputtmachen durch Verschieben des Schlafs oder durch Auffressen der für den Schlaf zur Vergügung stehenden Zeit. Das ist meine Hauptfrage.
Jessi
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Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von Jessi »

Hey!
Da sich die Zwänge bei jedem anders äußern, es aber eben die gleiche Krankheit ist, bestehen eigentlich immer Parallelen aber eben auch Unterschiede, vor allem in der Thematik der Zwänge.
Mir machen zum Beispiel Dinge wie den Herd eventuell angelassen zu haben oder der Gedanke jemanden unbewusst geschlagen zu haben überhaupt keine Angst und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich jemals solche Ängste entwickeln könnte. Dennoch kann ich mich in die Gefühle der betroffenen Personen hineinversetzen, da es immer das gleiche ist, nur eben ein anderes Thema betrifft.

Zu deiner Frage: Ja, da ich eher morgens relativ gut gelaunt bin, kenne ich es auch, dass man sich abends in Zwänge verstrickt und dadurch nicht schlafen kann. In meinem Fall werde ich schlichtweg durch das Grübeln wach gehalten und halte eine panische Grundstimmung somit aufrecht. Das verhindert natürlich jegliche Müdigkeit. Diese schlimmen Phasen sind glücklicherweise mittlerweile sehr selten, doch es gab Zeiten, da hielt es mich ebenfalls sehr lange wach und verschob somit meinen Schlafrhythmus.

LG Jessi
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SHG
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Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von SHG »

Jessi hat geschrieben: Fr 11. Feb 2022, 14:27 Dennoch kann ich mich in die Gefühle der betroffenen Personen hineinversetzen, da es immer das gleiche ist, nur eben ein anderes Thema betrifft.
Das finde ich auch sehr interessant, wie da etwas Gemeinsames ist und dann aber die Thematik so individuell. Es kommt mir fast so vor als wäre (die Kombination) von den Zwangsinhalten so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Ich versuche dann immer auch ein wenig zu verstehen, wie die Zwangsinhalte, die mich nicht betreffen (z.B. habe ich "kein Problem" mit sog. Zwangsgedanken - glaube ich zumindest) mit denen zusammenhängen, die ich viel eher nachvollziehen kann, wie z.B. Kontaminationsängste. Ja, und dazu fällt mir gerade ein, dass es ja auch so etwas, wie eine "mentale Kontamination" gibt. Da geht es ja dann in etwa darum: würde ich mich schuldig machen, habe ich Angst, dass all mein Denken/Fühlen von dieser Schuld überschattet sein würde. Und damit will ich ja auch irgendwie mein Denken unter Kontrolle halten. Sorry, ich verstehe es selbst (noch) nicht ganz.
So richtig gut schlafen, kann ich auch eher selten, wobei ich mir immer wieder vornehme, am Tag gut darauf zu schauen, dass ich nachts gut schlafen kann, aber das ist gar nicht so leicht umzusetzen.
Guten Morgen und guten Tag und dann gute Nacht!
eulenfalter
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Registriert: So 21. Nov 2021, 01:33

Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von eulenfalter »

Vielen Dank für alle bisherigen Nachrichten. Mir ist das Thema sehr wichtig, daher nochmal an jeden, der dieses Thema irgendwann nochmal ausgräbt: Bitte schildert eure Erfahrungen und ggf. auch was euch geholfen hat bzgl. des Themas dieses Threads.

Nochmals danke.
Ulrike
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Registriert: Mi 18. Apr 2018, 20:07

Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von Ulrike »

Hallo Eulenfalter,

ich kenne das Thema der Schlafstörungen absolut. Und auch das Phänomen, welches Du beschreibst, dass sich eine sehr schlechte Nacht mit wenig Schlaf depressions- und zwangsverstärkend auswirkt. Negative traurige und ängstliche Grundstimmungen werden dadurch verstärkt. Ich empfinde in depressivenZuständen oft auch sehr viel seelischen Schmerz. Diese Emotionen wiederrum fördern Zwangsgedanken. Diese wiederum lösen dann Angst- und Schuldgefühle aus. Ein Teufelskreislauf, der sich aufschaukelt.

Was bei mir anders war, ist dass ich mich nach sehr schlechten Nächten eher morgens besser fühlte, weil ich da noch ein bisschen mehr Kraft hatte. Ab den frühen Nachmittagsstunden ging es dann stimmungsmäßig ganz besonders rapide bergab.

Jetzt geht es mir zum Thema Schlafen deutlich besser. Im Oktober vorletzten Jahres bekam ich ein Medikament gegen die Schlafstörungen, welches mir tatsächlich erst einmal dagegen geholfen hat. Seit circa einem Jahr habe ich es nun schrittweise geschafft, mich auf eine zwangsspezifische medikamentöseTherapie einzulassen. Das war mir aus Ängsten heraus sehr lange nicht möglich. Neben meiner Psychotherapie nehme ich jetzt also regelmässig Medikamente.

Ich habe deutlich gemerkt, dass die Medikation mich sehr unterstützt, sowohl was das Thema der Zwangserkrankung, der Schlafstörung als auch der Depression betrifft. In Belastungssituationen oder in schlechten Phasen kommt es auch bei mir noch zu Schlafstörungen. Aber das ist kein Dauerzustand mehr. Das hilft mir immens.
eulenfalter
Beiträge: 12
Registriert: So 21. Nov 2021, 01:33

Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von eulenfalter »

Hallo Ulrike, ich wollte mich nur nochmal bedanken für deine Antwort damals. (Mir ging es gesundheitlich aus anderen Gründen sehr schlecht, daher war ich dann verschwunden, jetzt wieder besser).
ocdopus
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Registriert: So 12. Jan 2020, 20:31

Re: Zwänge/Depression und Schlaf: Ein Teufelskreis

Beitrag von ocdopus »

Leider habe ich, zumindest phasenweise, auch Schlafstörungen im Zusammenhang mit der Zwangserkrankung. Sie treten bei mir besonders in den folgenden Situationen auf:

1. In Phasen, in denen Dinge auf mich zukommen, die sehr zwangsbehaftet sind und vor allem, wenn ich Problemsituationen erwarte, denen ich nicht ausweichen kann und für die mir keine gute Lösung einfällt.

2. In Phasen, in denen ich das Gefühl habe, noch zig Dinge erledigen zu müssen (Neutralisation, bei mir z. B. Dinge reinigen) bis ich das Gefühl habe, wieder einen halbwegs normalen Alltag führen zu können

3. Wenn ich abends noch zu lange zu aktiv bin (so ungefähr über 20:00 h hinaus) und dabei Dinge tue, die mich latent stressen (weil ich dabei vermehrt mit als „kontaminiert“ empfundenen Dinge hantiere und mir z. B. entsprechend oft die Hände wasche). Dann merke ich oft erst am Nicht-Einschlafen-Können, dass mich die zuvor getanen Dinge innerlich aufgewühlt haben.

4. Wenn ich allgemein abends zu lange wach bin, über den „toten Punkt“ hinaus, z. B., weil ich zu lange ferngesehen habe

5. Oft auch, wenn ich nachts aufwache, z. B., weil ich auf die Toilette muss, und mir dann diverse belastende Dinge durch den Kopf gehen. Manchmal liege ich dann stundenlang wach und es geht mir schlecht. Spät in der Nacht schlafe ich dann noch mal ein und obwohl ich dann verhältnismäßig spät aufstehe (insbesondere unter der Woche), bin ich natürlich nicht ausgeschlafen und alle Dinge verlagern sich zu sehr nach hinten

Folgende Dinge helfen mir:

- abends rechtzeitig „runterkommen“ und keine seelisch anstrengenden Dinge mehr beginnen

- nicht zu viel intensive körperliche Aktivität, z. B. Sport, relativ kurz von dem Schlafengehen. Früher hat mir das überhaupt nichts ausgemacht, mittlerweile aber schon

- abends wirklich auch dann zu Bett gehen, wenn die Bettschwere kommt.

- Darauf achten, abends nicht zu viel zu trinken (aber auch nicht zu wenig) und auch nicht zu viel salzige Sachen zu essen, um Gründe für nächtliches Aufwachen zu minimieren

- Ich selbst habe L-Tryptophan (gibt es als 500-mg-Kapseln in der Apotheke) als gute und nebenwirkungsarme Einschlaf- und Durchschlafhilfe für mich entdeckt (1-2 Kapseln ca. eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen oder schon vor dem Abendessen). Aber Vorsicht: Tryptophan ist eine Serotonin-Vorstufe und kann daher den Serotoninhaushalt beeinflussen. In den USA wird Tryptophan teilweise verordnet, um die Wirkung von Medikamenten, die auf den Serotoninhaushalt wirken, zu verstärken. (Was da wissenschaftlich wirklich dran ist, kann ich nicht beurteilen). Die Einnahme von Tryptophan sollte aus meiner Sicht in Fällen, in denen Medikamente genommen werden, die den Serotoninhaushalt beeinflussen, z. B. SSRI, zuvor medizinisch abgeklärt werden. Ich selbst empfinde ca. 30 bis 60 min nach der Einnahme von Tryptophan das Einsetzen einer Bettschwere, die ich dann auch zum Einschlafen nutzen sollte. Vor allem nach mehrtägiger Einnahme von Tryptophan bin ich abends auch ohne oft rechtzeitig müde und lasse das dann entsprechend wieder weg.

Vielleicht kommt ja der eine oder andere Punkt der/dem Einen oder Anderen bekannt vor…
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