Wo sind meine Emotionen geblieben?

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Xyz99
Beiträge: 97
Registriert: Mi 17. Mär 2021, 12:23

Wo sind meine Emotionen geblieben?

Beitrag von Xyz99 »

Mein Therapeut hat die Hypothese, dass ich weniger Zwänge hätte, wenn ich mehr Emotionen zulassen würde. Aber ich merke, dass ich mehr Emotionen spüre, wenn ich weniger Zwänge habe bzw. mal die Zwänge „loslassen“ kann. Wenn meine Zwänge stärker sind, dann spüre ich nichts außer Anspannung. Mit der Zeit sind meine Emotionen erschreckend wenig geworden, ich laufe ohne Emotionen durch den Tag. Wenn ich mal Zwänge loslasse, mir vornehme, dass ich sie nicht mehr berücksichtige, dann bin ich im Gegenteil sehr emotional, muss bei Kleinigkeiten weinen.
Ist das normal? Würde mich freuen wenn wir uns austauschen. Ich bin noch ziemlich am Anfang meiner Therapie.
Jessi
Beiträge: 284
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Wo sind meine Emotionen geblieben?

Beitrag von Jessi »

Hey :)

Ich glaube, das was du beschreibst, kenne ich auch.
Mein Therapeut sagt immer, dass ich mit den Zwängen negative Emotionen und Situationen versuche für mich aushaltbar zu machen. Früher war es ein Ablenkungsmanöver meines Gehirns und heute schießt es damit über das Ziel hinaus und ist nicht mehr nötig.
Daher nehme ich auch einige Emotionen nicht mehr wahr. Beispielsweise kann ich meinen Eltern gegenüber keine richtige Wut mehr empfinden, selbst in Situationen in denen es angebracht wäre. Stattdessen fühle ich mich schuldig und rutsche in Zwangsgedanken.
Außerdem befinde ich mich auch in schlechten Phasen eher unter einer Glocke und bekomme Angst und Panik sobald irgendwelche Unternehmungen angesprochen werden, die mir normalerweise Spaß machen würden. Die Freude darauf kann ich zu dem Zeitpunkt aber nicht spüren. Geht es mir hingegen etwas besser, kann ich viel unbeschwerter leben und spüre auch angemessenere Emotionen, ähnlich wie du es beschreibst. Das etwas weinerliche und sehr emotionale Verhalten ist in meinem Fall aber eher in sehr angespannten Phasen vorhanden, da ich mich dann wie auf einer Achterbahn fühle. Das liegt in den Momenten aber an dem Zulassen der emotionalen Beweisführung. Das Verhalten zieht mich nämlich unnötig tiefer ins Grübeln hinein.

LG Jessi
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michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Wo sind meine Emotionen geblieben?

Beitrag von michael_m »

Ich bin ja aktuell in der Klinik Windach, starte morgen übrigens auch mit dem Flooding.
Hier in der Klinik ist die zentrale These, dass Zwänge unangenehme Gefühle deckeln. Und ich muss sagen: Ja, da scheint wirklich was dran zu sein. Also sowohl bei anderen in der Gruppe, als auch bei mir selbst.
downtherabbithole
Beiträge: 206
Registriert: Sa 7. Nov 2020, 21:10

Re: Wo sind meine Emotionen geblieben?

Beitrag von downtherabbithole »

Hallo,

ich glaube was du schreibst passt schon zusammen sind und schließt sich nicht aus.
Xyz99 hat geschrieben: So 13. Mär 2022, 09:13 Mein Therapeut hat die Hypothese, dass ich weniger Zwänge hätte, wenn ich mehr Emotionen zulassen würde.
Hier geht es es eben um die These, dass Zwänge die Emotionen deckeln, also man versucht durch die Zwänge die negativen Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Das mache ich auch. Seitdem meine Zwänge so schlimm geworden sind, habe ich aber generell mehr negative Emotionen, so ein bisschen als wäre das Fass über gelaufen. Gehe ich in die Exposition wird es erst mal noch schlimmer. Da heule ich dann, oder werde total wütend.
Xyz99 hat geschrieben: So 13. Mär 2022, 09:13 Aber ich merke, dass ich mehr Emotionen spüre, wenn ich weniger Zwänge habe bzw. mal die Zwänge „loslassen“ kann. Wenn meine Zwänge stärker sind, dann spüre ich nichts außer Anspannung. Mit der Zeit sind meine Emotionen erschreckend wenig geworden, ich laufe ohne Emotionen durch den Tag.
Ja kenne ich auch, wenn ich zu sehr mit den Zwängen beschäftigt bin, dann wird alles zuviel und ich mache dicht, auch positiven Emotionen gegenüber. Da muss ich dann aber auch schon wieder aufpassen nicht in die Depression zu rutschen. Ich bin generell sehr sensibel und emotional unter Stress laufe ich Gefahr dicht zu machen, weil mir alles zuviel wird, da brauche ich dann viele Ruhephasen und das Allein sein um wieder zu mir zu kommen.
Xyz99 hat geschrieben: So 13. Mär 2022, 09:13 Wenn ich mal Zwänge loslasse, mir vornehme, dass ich sie nicht mehr berücksichtige, dann bin ich im Gegenteil sehr emotional, muss bei Kleinigkeiten weinen.
Das wäre dann wie bei mir bei der Exposition. Und ich merke auch generell, seitdem ich so stark an den Zwängen arbeite muss ich noch öfter mal weinen oder werde wütend, ich interpretiere das als die Emotionen, die ich so lange unterdrückt habe, die da hochkommen. Und die müssen ja nun erst mal verarbeitet werden bzw. ich muss lernen, dass sie zuzulassen nicht das Ende bedeutet.
Aber manchmal finde ich das schon auch verwirrend und frage mich ob ich mit den Expos nicht Emotionen hervorrufe die sonst gar nicht dagewesen wären.
Xyz99
Beiträge: 97
Registriert: Mi 17. Mär 2021, 12:23

Re: Wo sind meine Emotionen geblieben?

Beitrag von Xyz99 »

Ich wurde durch die Zwangsstöeung sehr stark eingeschränkt, im schulisch, beruflich und privat. So viel Leid so viel Enttäuschungen musste ich erleben, nur wegen den Zwängen. Ich musste so viel aufgeben, auch wenn es mir wehgetan hat. Ich glaube deshalb habe ich einfach angefangen nicht zu fühlen. Das ist glaube ich auch ein Grund für meine Gefühlslage.
Jessi
Beiträge: 284
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Wo sind meine Emotionen geblieben?

Beitrag von Jessi »

Das ist auch möglich, wobei die Zwänge irgendwo eine Existenzberechtigung bekommen haben, bzw sich entwickelt haben.

Bei mir ist es mittlerweile so, dass ich erkannt habe, dass die Zwänge mir zeigen wann es mir gut geht und wann nicht. Bzw ich habe mich zu sehr darauf versteift sie als Indikator zu sehen. Sind die Zwänge stark, geht es mir schlecht, sind die Zwänge schwach geht es mir gut. Ich kann die Dinge und mein Empfinden außerhalb der Zwänge kaum wahrnehmen und anerkennen, dass es mir eigentlich gut geht und die Zwänge losgelöst davon eben eine Fehlfunktion sind, die gleichzeitig auftritt.

LG Jessi
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