Gibt es sowas wie manischen Zwang?

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Happy
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Gibt es sowas wie manischen Zwang?

Beitrag von Happy »

Hallo zusammen,

seit zwei Wochen beobachte ich bei meinem Freund Verhaltensänderungen. Er ist generell ängstlich und auch zwanghaft vom Verhalten seit Corona - achtet übertrieben auf Hygiene und hat Angst selbst zu erkranken oder andere anzustecken. Das war es aber -
Seit zwei Wochen habe ich das Gefühl ich schaue den Film "Der Dummschwätzer" mit Jim Carrey in Dauerschleife - er muss zwanghaft alles sagen - legt Geständnisse ab, total ungefiltert und verletzend.
Kann mir jemand sagen wo oder wie das einzuordnen ist? Ich dachte schon an eine manische - Phase, jedoch ist die Stimmung gedrückt bis wütend, aber der Rest passt ganz gut. Redet untypisch viel und schnell, motorisch unruhig, schläft schlecht, isst wenig, ungehalten, getrieben.... fällt nicht nur mir auf...


Für Ideen wäre ich dankbar.

LG
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SHG
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Bedeutungen

Beitrag von SHG »

Ich würde dir vorschlagen, das was du an ihm und an eurer Beziehung bemerkst, mal etwas unabhängiger vom Zwang zu betrachten.

Und, ich habe den Film zwar noch nicht gesehen, aber - mit ihm komme ich mir vor wie im Film Der Dummschwätzer - kommt mir auch nicht gerade wie ein Kompliment vor.

Zu deiner Frage: ich denke nicht, dass man diese Kombination ausschließen kann - sowie meine ich, auch so gut, wie alle psych. Besonderheiten auch b. Zwangserkrankten vorkommen können. Manche Kombinationen wurden daraufhin eher untersucht, auch im Hinblick auf die Wirkung von Antidepressiva (die allerdings dabei auch anders dosiert werden müssen als b. Depression und wenig nachhaltig wirken) und Benzodiazepine (dürften bzgl. kurzfristiger Symptomreduktion bei Zwängen nicht so wirksam sein, wie bei Angststörungen). Einen Zusammenhang zw. Zwangsstörung und Psychose/Schizophrenie dürfte es nicht geben. Drücke mich etwas wage aus, da ich dbzgl. keine konkreten Studien nennen kann - und man möge mich auch gerne korrigieren.
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Happy
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Re: Gibt es sowas wie manischen Zwang?

Beitrag von Happy »

Hallo,

danke für die Rückmeldung. Also das war schon respektvoll gemeint, der Film heißt leider so und trifft es ganz genau. Deshalb das Beispiel. Ich habe so viel Geduld und Rücksicht bislang gezeigt und das seit Jahren - das war sicherlich nicht unhöflich gemeint. Ich rede ja auch nicht mit ihm so, sondern hier. Ist vielleicht auch etwas Luft machen mit der ganzen Belastung.

Was genau meinst du mit "unabhängiger vom Zwang betrachten?".

Ja ich denke, das sollte von seinem behandelnden Therapeuten noch einmal angesehen und eingeschätzt werden. Ich mache mir wirklich Sorgen. Er nimmt auch Medikamente ein, vielleicht ist es auch eine Nebenwirkung derer.
Ich hatte gehofft jemand kennt das und das ist vielleicht ein Phänomen in einer Hochzeit eines Zwangspatienten, wenn der Zwang quasi die Kontrolle für eine Zeit massiv übernimmt oder sowas. Ich habe ihn so noch nie gesehen. Das ist sehr anstrengend.

Danke für deine schnelle Antwort.
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Joq
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Re: Gibt es sowas wie manischen Zwang?

Beitrag von Joq »

Hallo,

einen manischen Zwang gibt es meiner Meinung nach nicht. Mir ist noch nie eine Manie bei meinen entsprechenden Zwangs-Kontakten aufgefallen
Allerdings wird in der Literatur eine Komorbidität (gleichzeitiges Auftreten) von Zwang und Manie (bipolarer Störung) festgestellt.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4621290/
Was du schilderst entspricht den Kriterien für eine Manie. Laut DocCheck Flexikon kann statt gehobener auch eine dysphorisch gereizte Stimmung vorhanden sein. Du schreibst dein Freund nimmt Medikamente. Laut verlinkten Artikel können SSRI, die häufig bei Zwangsstörung eingesetzt werden, das Risiko erhöhen, manische Symptome auszulösen.
Dass sich sein Therapeut/Facharzt das anschaut halte ich für eine gute Idee.
Alles Gute
Jo
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Happy
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Re: Gibt es sowas wie manischen Zwang?

Beitrag von Happy »

Hallo Jo,

ganz herzlichen Dank. Das paper werde ich lesen. Mit der "dysphorisch gereizte Stimmung" ist ein guter Hinweis.
Danke dir!
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Happy
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Re: Bedeutungen

Beitrag von Happy »

Vielleicht kann der ein oder andere von meiner Rückmeldung profitieren: Nennt sich Beichtzwang - im Kontext einer ROCD.
vg
SHG hat geschrieben: So 29. Mai 2022, 06:07 Ich würde dir vorschlagen, das was du an ihm und an eurer Beziehung bemerkst, mal etwas unabhängiger vom Zwang zu betrachten.

Und, ich habe den Film zwar noch nicht gesehen, aber - mit ihm komme ich mir vor wie im Film Der Dummschwätzer - kommt mir auch nicht gerade wie ein Kompliment vor.

Zu deiner Frage: ich denke nicht, dass man diese Kombination ausschließen kann - sowie meine ich, auch so gut, wie alle psych. Besonderheiten auch b. Zwangserkrankten vorkommen können. Manche Kombinationen wurden daraufhin eher untersucht, auch im Hinblick auf die Wirkung von Antidepressiva (die allerdings dabei auch anders dosiert werden müssen als b. Depression und wenig nachhaltig wirken) und Benzodiazepine (dürften bzgl. kurzfristiger Symptomreduktion bei Zwängen nicht so wirksam sein, wie bei Angststörungen). Einen Zusammenhang zw. Zwangsstörung und Psychose/Schizophrenie dürfte es nicht geben. Drücke mich etwas wage aus, da ich dbzgl. keine konkreten Studien nennen kann - und man möge mich auch gerne korrigieren.
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SHG
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Re: Gibt es sowas wie manischen Zwang?

Beitrag von SHG »

Beichtzwang lese ich zum ersten Mal - kann mir aber vorstellen was damit gemeint ist.
Sorry, falls ich dir Unrecht tue - ich kenne das von mir, dass ich dazu neige für die Betroffenen Partei zu ergreifen im Austausch mit Angehörigen..

Ich frage mich -also jetzt eigentlich dich- ob dein Freund dieses Symptom bei sich ‚diagnostiziert‘ hat, oder sagst du, dass er das hat? Grundsätzlich ist eine Zwangsstörung ja so definiert, dass der Betroffene darunter leidet, dass er nicht anders kann, obwohl er eigentlich anders möchte.
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Happy
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Re: Gibt es sowas wie manischen Zwang?

Beitrag von Happy »

SHG hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 22:48 Beichtzwang lese ich zum ersten Mal - kann mir aber vorstellen was damit gemeint ist.
Sorry, falls ich dir Unrecht tue - ich kenne das von mir, dass ich dazu neige für die Betroffenen Partei zu ergreifen im Austausch mit Angehörigen..

Ich frage mich -also jetzt eigentlich dich- ob dein Freund dieses Symptom bei sich ‚diagnostiziert‘ hat, oder sagst du, dass er das hat? Grundsätzlich ist eine Zwangsstörung ja so definiert, dass der Betroffene darunter leidet, dass er nicht anders kann, obwohl er eigentlich anders möchte.
Hi,

ich verstehe leider die message nicht. Ich kenne auch deinen Hintergrund nicht. Bist du selber betroffen oder Experte. Dann könnte ich eher verstehen, wieso du mich das fragst. Die Formulierung ist etwas missverständlich bzw. vorwürflich.

Also ich bin Angehörige. Mein Mann ist Patient. Und es ist wie bei jeder Erkrankung, dass nicht nur der Patient betroffen ist sondern auch das System. Deshalb gibt es ja auch einen systemischen Ansatz in der Psychotherapie.

Mein Mann hat das gemeinsam mit seinem Therapeuten, mit mir (ich bin Ärztin und Krankenschwester) diagnostiziert. Er hat einen Leidensdruck und ich auch. Das ist ja bekannt für Zwänge. Insbesondere ROCD.
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso du für meinen Mann "Partei ergreifen" willst. Damit setzt du ja voraus, dass ihm Unrecht getan wurde/wird. Wenn du aber damit sagen möchtest, dass es für mich hilfreich ist und weniger verletzend, dass er das eigentlich nicht möchte, dann finde ich deinen Beitrag gut und hilfreich. Patienten können ja selten etwas für ihre Erkrankungen.

Ich wollte mit dem vorausgegangen Kommentar nur anderen helfen zu verstehen, dass ROCD diesen typischen Beichtzwang hat - mit dem hat es sehr! plötzlich angefangen. Das ist für den Betroffenen selber, der k.a. hat was los ist und Betroffene der absolute Horror.
Das Gute ist, dass er jetzt in einer stationären Behandlung ist. Und vielleicht bald den Weg hier in dieses Forum findet.

Beste Grüße und weiterhin eine schöne Vorweihnachtszeit
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SHG
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(R)OCD R Struggles

Beitrag von SHG »

Weißt du, ich schreibe hier manchmal einfach hier so d‘rauf los, was mir dazu einfällt - weil mir das weniger zwanghaft vorkommt. Das kann dann natürlich auch mal weniger korrekt sein bzw. überleg ich mir dann gar nicht recht, was ich damit beabsichtige oder beim Gegenüber auslösen kann.
Interessante Berufskombi hast du - wie geht denn das, beides zu sein? Aber egal, ich bin auch so manches und dann wieder auch nicht.. möchte ich aber nicht so gerne hier veröffentlichen. Kann ich dir per PN kurz schreiben, wenn es dich interessiert. Du scheinst ja nicht so schlecht darin zu sein, etwas für dich zu behalten - zumindest besser als dein Partner ;) Ansosnten schreibe ich lieber öffentlich hier im Forum (weil ich den öffentlichen Austausch zu Zwängen auch ein bisschen als meine Berufung ansehe)

Mit ROCD habe ich nicht so viel Erfahrung - ich habe eher mit Kontaminations/Schuld-Ängsten und damit einhergehenden Zwängen zu tun. Ich habe ja schon vorhin mal geschrieben so in etwa, dass ich meine, dass es besser wäre, wenn du ihn und eure Partnerschaft unabhängiger von seiner Störung sehen würdest (und habe dann verabsäumt, auf deine Nachfrage zu antworten). Jedenfalls wusste ich da noch gar nicht, dass es um ROCD geht. Naja und jetzt denke ich mir das umso mehr. Wenn du so - ich nenne es mal Teil seines Zwangsinhaltes bist, ist es da nicht ultrakompliziert für dich / euch noch zu wissen, was ihr wollt/fühlt/denkt. Und da würd ich dazu raten zu versuchen, dass er sich etwas unabhängiger von dir mit der Therapie seines Zwanges beschäftigt und du überlegst dir / spürst nach was das mit ihm für dich bedeutet. Ich stelle mir das zu kompliziert vor, andauernd zu überlegen ist das jetzt sein Zwang oder will er das wirklich oder zweifelt er in echt…
Vielleicht bist du ja so reflektiert, dass du das alles gut überblickst - ich kenne dich ja nicht und darum fasse bitte nicht zu viel als Unterstellung auf. Aber (unlängst hat mir ein Psychoanalytiker gesagt Zwängler haben immer ein „Aber“).. Wenn du dich jetzt besonders darum bemühst, dass er vom Zwang geheilt wird- warum willst du das? Damit er nicht mehr an der Beziehung mit dir zweifelt?
Wie gesagt, vielleicht tue ich dir Unrecht und die willst ihn wirklich einfach nur unterstützen, aber (wieder!) bewusst sollte man sich schon sein, was man dabei für sich sonst noch daraus gewinnen möchte.

Ich möchte nicht ganz zu viel Zeit ins Schreiben hier investieren, vielleicht konnte ich ja was anregen.

Und schaue nicht zuviel d‘rauf, ob ich das jetzt gegen dich oder für dich meine.

Ich habe ja vorhin schon ein Weilchen über deinen Beitrag nachgedacht und da ist mir auch was eingefallen - hat aber wieder vielleicht mehr mit meiner Geschichte zu tun: wäre es vielleicht hilfreich, wenn ihr an eurer Beziehung in einer Paar-Therapie arbeiten würdet und nicht gemeinsam gegen seinen Zwang - das wäre vielleicht gleichberechtigter.
(Sorry ist vielleicht wieder Partei-ergreifend - ich wünsche euch beiden alles Gute und viel Liebe - und nicht zuviel Sorgen)
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