Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Billy28
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Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Beitrag von Billy28 »

Guten Abend,

Ich habe momentan einen fast unbändigen Wunsch, ein anderes, gesundes Leben zu führen. Ich schaue mir andere Menschen an und stelle mir vor wie es wäre deren (von mir so vermutetes) gesundes Leben zu führen. Ich phantasiere und versuche so, der schweren Last der Zwänge zu entkommen. Aber ich weiß, dass dieser Wunsch niemals in Erfüllung gehen wird. Ich habe nur mein Leben und ich muss akzeptieren, dass ich wieder mal täglich Stunden damit verbringe, mir den Kopf über irgendwelche Eventualitäten zu zerbrechen. Dass der Zwang sozusagen morgens mit mir aufwacht und abends mit mir Schlafen geht. Ich leide mit meinen fast 30 Jahren leider schon 25 Jahre an der Erkrankung, mal geht sie so im Hintergrund mit und dann kommt sie, wie momentan, in fast unbekannter Wucht. Mir fällt es (gerade aktuell) extrem schwer, zu akzeptieren, dass sie wohl wahrscheinlich mein lebenslanger Begleiter sein wird. Auch mit Therapie ist und bleibt es sicher ein steiniger Weg. Irgendwie dachte ich immer, wenn ich so richtig erwachsen bin, werd ich gesund. Fühle mich jetzt weder richtig erwachsen, noch gesund, haha.
Wie geht es euch? Gibt es hier Menschen, die vielleicht in Sachen Akzeptanz schon einen Schritt weiter sind? Oder die ihrer Erkrankung auch etwas Positives abgewinnen können? Kreativität oder Motivation aus dem Leid ziehen?
Liebe Grüße
TeeCoffee
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Re: Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Beitrag von TeeCoffee »

Hi Billy28,

das ist eine sehr interessante Frage. V.a. auch was MUSS man akzeptieren und was ist vielleicht noch möglich dass es sich bessert? Ich finde es sehr schwer zu entscheiden wo einfach eine unüberwindbare Grenze ist und was noch geht wenn man sich nur noch mehr reinhaengt.
Mich selbst zieht es immer wieder mal mehr und mal weniger runter wie eingeschränkt ich bin. Aber es fühlt sich schon wie eine starke Belastung an.
Ich kenne auch Deine Idee von "später wirds mal besser"....aber wann später?

Habe nochmal Deine Geschichte nachgeschaut: sehe, dass Du Psychoanalyse machst/gemacht hast. Ich bin kein Fachmann, aber m.W. sagen die S3 Leitlinien dass es null Evidenz gibt dass sie bei Zwängen hilft. Sie wird nicht selten als Pseudowissenschaft angesehen, die nur in der Vergangenheit herumstochert und deren Behauptungen weder widerlegbar noch beweisbar sind. Ich persönlich würde nur Verhaltenstherapeuten für Zwänge aufsuchen und am besten welche, die viele Zwangspatienten behandelt haben. -- das nur in der Hoffnung dass es dir vlt hilft.

Gruss
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SHG
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Vielfalt

Beitrag von SHG »

Die Zwangserkrankung verläuft leider oft sehr langwierig und es ist auch noch nicht nachgewiesen ist, dass es die EINE Behandlungsmethode gibt, die langfristig und bei fast allen zur Heilung führt. Über Verhaltenstherapie mit Exposition.. sollte jede/r informiert werden und die soll auch jede/m/r zur Verfügung gestellt werden. Allerdings meine ich, dass es gut ist, wenn wir eine Vielzahl von Heilung-Möglichkeiten in Anspruch nehmen und uns diese auch niederschwellig angeboten werden - gerade weil die Erkrankung von solcher EINseitigkeit geprägt ist. Das ist ja das, was der Zwangserkrankte versucht: All das was nicht passt, unangenehm ist, die Herausforderungen mit der Vielfältigkeit des Seins mit etwas Monotonen, immer gleichen, letztlich EINfachen zu „lösen“. Ich vermute fast, dass es das sein könnte, was schließlich hilft - Sich auf ganz viel verschiedenes, was einem helfen könnte, einzulassen.

(Klar, sollte einem nicht geschadet werden mit unseriösen Angeboten - das Psychoanalyse oder gar humanistische Therapie-Ansätze schadet, dafür wüsste ich auch keine Evidenz; so wie ich das sehe - und auch aus der Leitlinie entnehme - wurden diese zu wenig untersucht, aber es gibt auch keine Hinweise dafür, dass sie schaden und es ist auch nicht nachgewiesen, dass sie nichts bringen)
downtherabbithole
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Re: Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Beitrag von downtherabbithole »

Hallo,

nur als Hintergrund, ich habe seit 28 Jahren Zwänge, fing schon in meiner Kindheit an.

Ich dachte früher, dass ich meine Zwänge auch mal komplett los werde. Das lag aber auch daran, dass ich dachte, dass das geht, ich habe da gar nicht dran gezweifelt. Leider sind sie aber schlimmer geworden und schränken mein Leben total ein. In den letzten Jahren habe ich dann immer wieder gelesen, dass es eine unheilbare Krankheit ist und diese wird einen das Leben lang verfolgen. Das ist total demotivierend muss ich sagen. Ich habe mich dann ein bisschen mehr damit beschäftigt und bin zu folgenden Schlüssen gekommen:

Ich glaube die Aussage wird manchmal falsch interpretiert, liest man nämlich weiter steht da auch, dass man symptomfrei werden kann. Und das würde ja schon reichen um ein normales Leben zu führen. Ist nur auch die Frage wie man symptomfrei interpretiert. Ich denke solche Aussagen werden getätigt, damit man sich nicht zu viele Hoffnungen macht und akzeptiert, dass man diese Krankheit hat und nicht enttäuscht ist, wenn es nicht viel besser wird. Dabei wird aber überhaupt nicht bedacht, dass jeder solche Sachen anders für sich interpretiert und dass es die Leute eben auch runter ziehen kann. Umgedreht fände ich den Ansatz aber auch schwierig zu sagen, dass man auf jeden Fall 100% geheilt werden kann, weil es dann Leute frustriert und sie sich nacher noch selber fertig machen, weil es bei ihnen nicht besser wird. Fakt ist ja, es ist individuell verschieden und wie es für einen selber läuft weiß man in dem Moment nicht.
Wie geht es euch? Gibt es hier Menschen, die vielleicht in Sachen Akzeptanz schon einen Schritt weiter sind? Oder die ihrer Erkrankung auch etwas Positives abgewinnen können? Kreativität oder Motivation aus dem Leid ziehen?
Ich ziehe aus folgendem Motivation und Akzeptanz, klappt mal mehr und mal weniger gut. Hätte ich stattdessen lieber kein Zwangsgehirn? Ja, aber das ist eine Sache auf die ich eben nur einen gewissen Einfluss habe und deswegen versuche ich auch das positive zu sehen.

- Ich bin 35 Jahre, wenn es in den nächsten 20 Jahren noch neuere Erkenntnisse gibt, kann es noch Medikamente und Methoden geben, die allen besser oder sehr gut oder eben einem selber besser helfen. Das weiß ja keiner, deswegen sage ich mir immer wieder, dass sich schon irgendeine Lösung finden wird und ich zumindest einen Teil meines Lebens besser verbringen werde.

- Wenn man in allen Formen an sich und seinen Themen arbeitet entwickelt man sich weiter. Es kann also sein, dass ich in 5 Jahren an einem ganz anderen Standpunkt bin und meine Zwänge besser besiegen kann als jetzt. Übrigens können äußere Umstände da genauso Einfluss drauf haben. Ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt gewesen mit Corona, mit Umzug im Nacken, mit Joberveränderungen etc... an den Zwängen stark zu arbeiten. Hat vielleicht einfach noch nicht gepasst. Vielleicht habe ich nicht die nötige Motivation gehabt um die Anstrengung auf mich zu nehmen, die Zwänge zu bekämpfen.

- Was will ich noch erleben im Leben und wie komme ich dahin? Wenn die Zwänge so stark wie jetzt sind kann ich zB nicht reisen, ich möchte aber unebdingt noch ein paar Länder sehen, also will ich wirklich sehr gerne an den Punkt kommen zumindest wieder reisen zu können, auch wenn ich nen Koffer voller Seife mitnehme. Dann wäre ich zwar nicht geheilt, aber ich kann zumindest etwas sehen und tun, was ich wundervoll finde. Ich schaue mir dann zB Dokus über meine Reiseziele an, klar zweifle ich manchmal auch und bin dann traurig weil ich denke, da schaffe ich es nie hin, aber dann versuche ich mir zu sagen: das ist mein Ziel! Wenn ich eine Expo mache dann sage ich mir auch manchmal: Denk an dein Ziel denk an die Reise, da willst du hin.

- Ich versuche aber trotzdem hauptsächlich im Hier und jetzt zu bleiben. Jetzt geht halt nur das. Und einen Schritt vor den anderen zu setzen. Manchmal einen zurück, dann aber wieder einen dazu.

- Ich höre mir Sachen von Leuten an und folge Instagrammern, denen es schon besser geht und die wieder mehr Sachen machen können, das motiviert mich.

- Ich habe akzeptiert, dass in meinem Gehirn ein paar Sachen anders laufen und wahrscheinlich nie so laufen werden wie bei anderen Menschen. Ich versuche mir klar zu machen, was ich besonders gut kann und welche Eigenschaften zwar wahrscheinlich irgendwie mit den Zwängen zusammenhängen oder dazu geführt haben, dass ich eher Zwänge bekommen habe als jemand anderes, aber die eben auch positives haben:
--> Phantasie und Kreativität - mein Gehirn zieht komische Verbindungen und hat ja auch eine ganz ausgeprägte Phantasie, was so alles passieren kann, aber ich kann dafür auch in anderen Bereichen Verbindungen ziehen und mir fallen lauter Sachen in den Sinn die ich dann zB in Gedichte, Geschichten, Zeichnungen oder Songs umsetzen kann (das wiederum hilft mir übrigens mich gut zu fühlen)
--> ich erkenne Fehler und Details sehr schnell, das ist mir zB im Job oft von Vorteil, ich musste nur lernen mich nicht daran aufzuhängen und zu lange zu brauchen. Ich erkenne Bugs in Programmen, ich bin super im sortieren und weil ich so vorausschauend denke,unterlaufen mir nicht so viele Fehler. Trotzdem habe ich gelernt auch Fehler zuzulassen, und dass das auch ok ist.
--> Hochsensibilität: Ich bin was Geräusche, visuelles und Tasten angeht super empfindsam, das kann sau anstrengend sein (zb im Großraumbüro) aber eben auch sehr schön, weil ich wahnsinnig viel aus Musik und Kunst ziehen kann und mich dass dann super zufrieden und glücklich macht. Ich kann manchmal ein Bild ewig anstarren und bin einfach nur happy. Menschen sind ja unterschiedlich fähig solche Empfindungen zu spüren, das kann alles vor und Nachteile haben. Aber ich bin schon immer so und versuche das beste darin zu sehen. Die die weniger Empfinden haben ja auch Nachteile.
--> Empathie: So sehr Empathie einem auch selber schaden kann, so sehr kann sie einem aber auch helfen, die Menschen besser zu verstehen und vielleicht auch dazu beizutragen, dass die Welt ein besserer Ort wird.

- Durch die Erkrankung habe ich sehr früh angefangen mich für Psychologie zu interessieren. Dadurch bin ich jetzt mit 35 an einem ganz anderen Stand als die meisten anderen Menschen. Und ich verstehe Menschen insgesamt viel besser und ich bin viel freier in meinem Handeln als andere (würden mich die Zwänge nicht einschränken), weil ich meine Werte mehr nach mir ausrichte und nicht nach dem was andere von mir wünschen. Das macht mich zufrieden. Ich bin froh dieses Wissen jetzt schon zu haben und nicht erst mit 60.

- Ich versuche mich nicht mit anderen Menschen zu vergleichen. Andere Menschen haben andere Voraussetzungen, manche sicherlich auch schlechtere. Ich handle im Rahmen meiner Voraussetzungen und das ist ok so.

- Ich will irgendwelche lösungen und wege finden wie es mir besser geht. vielleicht helfen die dann auch anderen und ersparen anderen größeres leiden. Auch deswegen versuche ich am Ball zu bleiben.

So das war jetzt ziemlich viel, aber ich bin gerade motiviert und wenn das nur auf irgendjemand ein kleines bisschen abfärben kann, dann wäre es ja schon gut. :)
PetraPetra
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Re: Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Beitrag von PetraPetra »

Danke für den Text downtherabbithole.....
TeeCoffee
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Re: Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Beitrag von TeeCoffee »

at SHG:
aber es gibt auch keine Hinweise dafür, dass sie schaden und es ist auch nicht nachgewiesen, dass sie nichts bringen
a) ich wuerde einfach nicht Zeit, Geld, Muehe in etwas investieren, wo es unklar ist ob es was bringt.
b) Psychoanalyse steht recht weit in der Kritik siehe z.B. hier: http://www.verhaltenswissenschaft.de/Ps ... htm#Kritik
Auch gibt es kaum noch Universitaetslehrstuehle in Deutschland dafuer, weil die Wissenschaftlichkeit bezweifelt wird.
c) Es gibt keine festen Beweise, aber Hinweise, dass sie bei Zwaengen schadet, siehe hier, von fuehrenden OCD Experten geschrieben:
https://iocdf.org/expert-opinions/ineff ... -disorder/

Jeder soll nehmen was er will. Und wenns hilft waer mir auch alles recht. Aber es tut mir einfach leid wenn jemand schreibt dass er so lange leidet und vielleicht ein Teil des Grundes auf unwirksame (schaedliche?) Methoden zurueckzufuehren ist. Die Krankheit ist selbst mit den erwiesenen Methoden so schwer zu behandeln, dass ich mich einfach mit unbewiesenen Dingen nicht abgeben wuerde oder nur als aller letzten Versuch.

Gruss
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SHG
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Was bringt’s?

Beitrag von SHG »

Wodurch ist es wissenschaftlich erwiesen, dass es gegen die Zwangserkrankung hilft sich in Online-Foren auszutauschen?

Danke für die Links, versuche bei Gelegenheit reinzulesen.
TeeCoffee
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Re: Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Beitrag von TeeCoffee »

Weiss nicht ob das untersucht wurde und was dabei rauskam.
Aber es kostet die Krankenkassen nichts und ist liegt wohl im Rahmen normaler Internetaktivität. Ich sehe solchen Austausch als interessant und vielleicht manchmal hilfreich, aber es ist nicht meine Primärtherapie oder Behandlung. Und es ist klar dass bei Internetkommunikation keine Haftbarkeiten enstehen wenn die Infos falsch sind weil wir Laien sind.
Ich denke es besteht ein erhablicher Unterschied zwischen einer Therapiemethode mit Wirksamkeits-Anspruch und einem informallen Austausch - kein guter Vergleich.
Billy28
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Registriert: Fr 3. Apr 2020, 12:32

Re: Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Beitrag von Billy28 »

So erstmal ganz vielen lieben Dank für Eure Antworten!
Vor allem danke downtherabbithole. Da sind einige schöne und positive Perspektiven dabei. Und ich finde mich in so vielen Punkten selbst wieder. Phantasie, ein Auge fürs Detail, Empathie und Hochsensibilität sind auch Eigenschaften, die ich oft an mir schätze. Und ich denke auch, dass diese Eigenschaften mich anfälliger für die Zwangserkrankung gemacht haben. Wichtig ist aber auch immer zu unterscheiden, dass es Eigenschaften sind und nicht der Benefit der Erkrankung!!!

Was ich mir für mich selbst wünsche ist, dass ich viel offener darüber sprechen kann und so eventuell anderen helfen kann. Ich bin mittlerweile auch Expertin in Psychologie und auch was das Thema Zwänge angeht. Wäre so schön, dass irgendwie noch besser zu nutzen. Momentan geh ich eher so Richtung sozialer Distanz oder Isolation, weil ich kaum mit Freund*innen drüber sprechen kann, was ja eher das Gegenteil ist. Das liegt aber einfach daran, dass ich zu wenig Kraft dafür habe und es meine Ängste wiederum triggert.

Und zum Thema Psychoanalyse... erstmal schön, dass ich hier ungewollt so eine Diskussion angeregt habe :D
Jedenfalls war ich, als ich die Psychoanalyse angefangen habe, an einem Punkt, an dem ich in der Tagesklinik war und die Diagnose Borderline bekommen habe. Ob sie nun zutrifft oder nicht - ich war jedenfalls in ner Krise, hatte keinen Halt, keinen Job, war depressiv, hab regelmäßig Drogen und übermäßig Alkohol konsumiert, mich selbst verletzt, hatte starke soziale Ängste... Die Zwänge waren auch da, aber irgendwie nicht vorrangig. Daher dachte ich, ich will richtig an due Substanz, richtig wühlen und aufbrechen und verstehen. Und die Psychoanalyse hat mir auch in einigen Aspekten echt geholfen und mich Dinge verstehen und aufarbeiten lassen. Ob es die Zwänge besser gemacht oder verschlimmert hat? Ich glaube nichts von beidem ehrlich gesagt. Ich denke, dass meine Zwänge gerade so schlimm sind wie noch nie zuvor liegt eher daran, dass ich 4 Jahre Escitalopram genommen und im Frühjahr letzten Jahres nach Ausschleichen schließlich abgesetzt habe. Danach hatte ich nämlich kurzzeitig mit Panikattacken zu tun, kannte ich in dem Maß auch nicht von mir. Jedenfalls denke ich, dass es einen klassischen Rebound-Effekt gab. D.h. die Symptome kommen stärker zurück als vor der Einnahme. Sicherlich auch mit ausgelöst durch eine belastende Zeit in meinem Leben durch Masterarbeit, Stress im Job, Stress in der WG, Umzug, Corona (wer kennt es nicht)... Jedenfalls habe ich gerade weder Therapie, noch Medikamente und das zusammen mit belastenden Faktoren im Umfeld... also ich suche gerade nach einem Therapieplatz in der VT, da ich jetzt tatsächlich einfach diese verdammten Zwänge angehen will. Aber... es ist nicht alles so einfach und einzeln zu betrachten. Deshalb vielleicht das nächste Mal auch nicht zu schnell urteilen :) denn viele Menschen haben ja auch nicht NUR Zwänge. Gerade wenn man ein ganzes Leben damit lebt sind Komorbiditäten ja fast schon vorprogrammiert. Und daher gibt es auch nicht nur die eine Therapieform, die hilft. Bei was auch immer... weiß ja jede Person für sich am besten, was gerade am meisten belastet.

Habt einen sonnigen Tag!
downtherabbithole
Beiträge: 205
Registriert: Sa 7. Nov 2020, 21:10

Re: Akzeptanz der eigenen Erkrankung

Beitrag von downtherabbithole »

Billy28 hat geschrieben: Mo 5. Sep 2022, 12:06 So erstmal ganz vielen lieben Dank für Eure Antworten!
Vor allem danke downtherabbithole. Da sind einige schöne und positive Perspektiven dabei. Und ich finde mich in so vielen Punkten selbst wieder. Phantasie, ein Auge fürs Detail, Empathie und Hochsensibilität sind auch Eigenschaften, die ich oft an mir schätze. Und ich denke auch, dass diese Eigenschaften mich anfälliger für die Zwangserkrankung gemacht haben. Wichtig ist aber auch immer zu unterscheiden, dass es Eigenschaften sind und nicht der Benefit der Erkrankung!!!
Total, einen Benefit gibt es nicht. Es wäre immer besser ohne. Man kann nur versuchen das beste daraus zu machen. Gibt auch Menschen mit diesen Eigenschaften, die keine Zwangsstörung haben, ich finde nur, man kann sich anschauen welche Faktoren unter wahrscheinlich schlechten Bedingungen oder Zufällen unter anderem zu der Störung geführt haben könnten, die aber eben an sich eigentlich gar nicht schlecht sind und anstatt sie als negativ zu betrachten weil man dadurch vll eher die Zwangsstörung bekam, das positive daraus ziehen.
Billy28 hat geschrieben: Mo 5. Sep 2022, 12:06 Was ich mir für mich selbst wünsche ist, dass ich viel offener darüber sprechen kann und so eventuell anderen helfen kann. Ich bin mittlerweile auch Expertin in Psychologie und auch was das Thema Zwänge angeht. Wäre so schön, dass irgendwie noch besser zu nutzen. Momentan geh ich eher so Richtung sozialer Distanz oder Isolation, weil ich kaum mit Freund*innen drüber sprechen kann, was ja eher das Gegenteil ist. Das liegt aber einfach daran, dass ich zu wenig Kraft dafür habe und es meine Ängste wiederum triggert.
Das geht mir auch so. Wobei ich mir auch vorstellen kann, dass manche Leute daraus total Kraft schöpfen könnten. Vielleicht geht es irgendwann wieder, bei mir funktioniert es momentan auch nicht.
Billy28 hat geschrieben: Mo 5. Sep 2022, 12:06 Und zum Thema Psychoanalyse... erstmal schön, dass ich hier ungewollt so eine Diskussion angeregt habe :D
Jedenfalls war ich, als ich die Psychoanalyse angefangen habe, an einem Punkt, an dem ich in der Tagesklinik war und die Diagnose Borderline bekommen habe. Ob sie nun zutrifft oder nicht - ich war jedenfalls in ner Krise, hatte keinen Halt, keinen Job, war depressiv, hab regelmäßig Drogen und übermäßig Alkohol konsumiert, mich selbst verletzt, hatte starke soziale Ängste... Die Zwänge waren auch da, aber irgendwie nicht vorrangig. Daher dachte ich, ich will richtig an due Substanz, richtig wühlen und aufbrechen und verstehen. Und die Psychoanalyse hat mir auch in einigen Aspekten echt geholfen und mich Dinge verstehen und aufarbeiten lassen. Ob es die Zwänge besser gemacht oder verschlimmert hat? Ich glaube nichts von beidem ehrlich gesagt.
Auch das kann ich total unterstreichen und wäre auch meine Meinung. Viele von uns sind ja nicht ausschließlich von einer Zwangsstörung betroffen. Und manchmal können andere Probleme auch behindern oder überlagern, dass man motiviert ist daran zu arbeiten. Deswegen kann letzendlich vermutlich nur jeder für sich individuell herausfinden welcher Weg passt und ich denke das kann auch eine Motivation sein, weitere Dinge auszuprobieren.

Ich bin durch diese Diskussion und aufgrund meiner eigenen Geschichte gerade zu folgendem Schluss gekommen:
Probleme die nicht direkt mit der Zwangsstörung zusammenhängen könnte man auch gut mit anderen Therapieformen angehen, müsste dabei aber vielleicht aufpassen, dass der Therapeut nicht versucht mit vermeintlich schädlichen Methoden die Zwänge zu therapieren oder gar keine Ahnung von Zwängen hat und deswegen Aussagen trifft, die die Zwänge verschlimmern.
Da das ganze aber ziemlich komplex ist und man sich dafür sehr gut selber auskennen muss, bin auch ich mittlerweile der Ansicht, dass man sich am besten als erstes auf die Empfehlungen verlässt, und eine Verhaltenstherapie mit der richtigen Methodik versuchen sollte wenn man die Zwänge behandeln möchte.
Wäre vielleicht besser, damit die Leute nicht nacher jahrelang herumdümpeln und sich die Zwänge immer mehr verfestigen und man feststellt man hat die ungeeignesten Therapien bekommen, von daher finde ich den Einwand von TeaCoffee durchaus berechtigt.
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