Sinn und Funktion des Zwangs

Miranda_L

Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von Miranda_L »

Nach dem, was ich bisher von Zwängen weiss ist es oft so, dass Zwänge Funktionen übernehmen, oder mal für uns übernommen haben.
Sie treiben/trieben uns dazu bestimmte Dinge zu tun, oder zu vermeiden. Dabei scheint das Unterbewusstsein aber bestimmte Ziele zu verfolgen.

Es scheint 2 Arten zu geben. Die Zwänge, die eine Funktion in der Gegenwart haben und die versuchen ein Problem zu beheben, das in der Gegenwart präsent ist.
Und es gibt die Zwänge, die in der Vergangenheit ein Problem bearbeitet haben, aber als eine Art schlechte Gewohnheit zurückgeblieben sind, obwohl das ursprüngliche Problem gar nicht mehr existiert.

Bei mir ist es beispielsweise so, dass in der Vergangenheit viel zu wenig Rücksicht auf mich und mein Wohlbefinden genommen wurde. Ich habe gelernt, dass die Zufriedenheit anderer und das Erfüllen von Pflichten viel wichtiger ist als ich selbst.
Und so habe ich auch bis vor Kurzem gelebt.
Wenn ich aber ein Zwangsvehalten an den Tag lege, indem ich eine Aufgabe vermeide, die mir Angst macht, die aber andererseits aus der Motivation der Pflichterfüllung getan werden muss, wird die Sache interessant.
Da steht Zwang gegen Pflicht.
Und scheinbar haben sich die Ängste bei mir in letzter Zeit so lange gesteigert, bis sie stärker als die Pflicht waren.
Und wenn die Angst stärker als die Pflicht wird, muss ich die Pflicht vernachlässigen und zugunsten meines Wohlbefindens diese Tätigkeit vermeiden.

Ist euch so etwas bei euren Zwangssyetemen auch schon aufgefallen?
Habt ihr auch entdeckt, dass der Zwang euch irgendwohin treiben will?
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michael_m
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von michael_m »

Hallo Miranda,

Mh schwierig ...

Bei mir ist es zumindest ähnlich, dass ich meistens das Wohl anderer über meinem eigenen Wohl gestellt habe.
Für mich sind auch die Meinungen anderer Menschen ziemlich wichtig.

An beidem arbeite ich und konnte auch schon die letzten Jahre eine Besserung erzielen.

Grüße

Michael
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Joq
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von Joq »

Hallo,
mich hat die Überschrift " Sinn und Funktion des Zwangs" angesprochen.
Meine Meinung: Der Zwang hat keinerlei Sinn, er ist völlig sinnlos. Er hat auch keine Funktion.
Das sehen natürlich die Tiefenpsychologen anders.
Führt es zu Wohlbefinden wenn ein Zwang die Funktion hat, Zeit für die Sorge um sein Wohlbefinden zu finden? Fühlt man sich mit dem Zwang jetzt besser? Hat der Zwang seine Funktion erfüllt? Wenn der Zwang einen Sinn hätte, warum sollte man ihn dann loswerden wollen?
Die Suche nach Sinn scheint uns ein tiefes Bedürfnis zu sein. Und so interpretieren wir auch in Sinnloses aber Unvermeidliches einen Sinn.
LG Jo
"Sie dürfen nicht alles glauben was Sie denken" Heinz Erhardt
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OCD-Marie
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Jo,

wie bist du zu deiner Meinung ("Der Zwang hat keinerlei Sinn, er ist völlig sinnlos. Er hat auch keine Funktion.") gekommen ? Einfach nur so ne Meinung ? Oder kannst du das begründen ?

Kann ein Zwang nur die Funktion haben, Zeit für die Sorge um sein Wohlbefinden zu finden? Oder könnte es da nicht auch noch andere Möglichkeiten geben ?

Wenn der Zwang Keinen Sinn hat, warum warum halten dann so viele so lange daran fest ?

Und warum ist ein Zwang unvermeidlich ?

LG
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Joq
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von Joq »

Hallo

wie bist du zu deiner Meinung ("Der Zwang hat keinerlei Sinn, er ist völlig sinnlos. Er hat auch keine Funktion.") gekommen ? Einfach nur so ne Meinung ? Oder kannst du das begründen ?
Mit Zwang meine ich die Zwangsstörung an sich.
Es gibt verschiedene Theorien darüber, was Zwänge verursacht. Eine genetische bedingte Störung in der Gehirnfunktion ist für mich als am wahrscheinlichsten anzunehmen.
Kann ein Zwang nur die Funktion haben, Zeit für die Sorge um sein Wohlbefinden zu finden? Oder könnte es da nicht auch noch andere Möglichkeiten geben ?
Meine Antwort bezog sich auf das Beispiel von Miranda_L
Wenn der Zwang Keinen Sinn hat, warum warum halten dann so viele so lange daran fest ?
Der Zwang hält an Ihnen fest.
Sie halten an der Zwangshandlung fest weil das ihre Art ist auf die äußerst unangenehmen Gefühle, die der Zwang auslöst zu reagieren.
Und warum ist ein Zwang unvermeidlich ?
Siehe oben. Unvermeidlich in dem Sinne das sich keiner den Zwang erwählt hat, und ihn jeder gerne vermieden hätte. Vermeidlich und veränderbar ist allerdings die Reaktion auf den Zwang. Jeder hier weiß wie schwer das ist.

LG Jo
"Sie dürfen nicht alles glauben was Sie denken" Heinz Erhardt
CupCake

Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von CupCake »

Ein Zwang macht keinen Sinn, ich glaube dass Wissen wir alle, ein beispiel und auch dass Wissen wir:

Einer Meiner Zwänge als Beispiel:
Ich kontrolliere die Sicherungen für die Küche, die Sicherungen sind aus - ich weiss das -.
Jetzt Kontrolliere ich den Herd - die Sicherungen sind für die Küche inklusive Herd -, ich weiss das die Sicherungen aus sind, also nichts passieren kann. Es macht also absolut keinen Sinn, die Küche zu kontrollieren.
Der Zwang macht also keinen Sinn und hat keinen zweck,

Aber....

Der zwang führt uns immer Tiefer in diese Unsicherheiten hinein, in diese Ängste " hab ich dies, hab ich das, ich darf nicht, ich muss".
Dass ist der eigentliche Sinn und Zweck, was der Zwang bewirken will, er will immer mehr und wer von euch kennt das Gefühl, das zwischen euch und der Sache, wo Ihr die Zwänge oder Zwang habt, es so ist, als ob ein unsichtbares Gummiband euch immer stärker dahin zieht?

Die Frage ist auch: Fühle Ich mich wohl, wenn ich meinen Zwängen nachgebe? Für mich muss ich sagen Nein. Sie Helfen mir nicht, sie belasten mich. Wohl fühle Ich mich, wenn ich Tage oder ein Tag habe, wo ich es leicht hinter mich bringen kann, wo ich widerstehen kann. Dass ist ein Erfolgserlebnis.

Warum viele an dem Zwang festhalten, muss jeder für sich alleine Erforschen, irgendwas gibt es was den Zwang auslöst und uns glauben lässt, wenn wir dies oder jenes machen, was uns der Zwang glauben lässt, es gut so ist. Dabei ist der Zwang nichts weiteres als ein schwarzes loch.

Kann ein Zwang unvermeidlich sein?
Irgendwas passierte eines Tages, dieser Gedanke war da, über mehrere Tage, man weiß nicht mehr so richtig was, aber da war was.
Der druck um diesen Gedanken wurde stärker und Ich gab nach. Der Gedanke war unsinnig, übertrieben, aber als Ich nach gab, gab es einen kurzen Moment, der Erleichterung.

Es war eine Lerngeschichte und Ich wusste das, aber dieses Gefühl der Erleichterung und immer Perfekt sein - Erwartung meiner Eltern -, fürten dazu, dass Ich alles Perfekt machen wollte und kontrollierte ob es auch Perfekt ist.
Ein Erlebniss führt uns dazu, so glaube ich und bin mir Sicher.
Aber Sinn, macht es nicht, da wir dass Erlebte nicht rückgängig machen können.
Aber wir können uns gegenseitig Helfen, Du, Ich jemand anderes hier und uns Mut und Power geben.
Alleine sind wir nicht.

Euch allen eine Wunderschöne Woche

liebe Grüße CupCake
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von OCD-Marie »

Na liebe(r) CupCake,

nicht selten glauben wir zu wissen wie die Dinge sind - und später, wenn wir mehr gelernt haben, merken wir, dass die Dinge doch anders sind, als wir zunächst dachten...
Ich z.B. weiss nämlich nicht, dass Zwänge keinen Sinn machen. Meiner Erfahrung nach machen sie durchaus Sinn und haben einen Zweck.

Rein oberflächlich betrachtet - so wie in deinem Beispiel mit der Küche - scheinen Zwänge tatsächlich keinen oder nur wenig Sinn zu ergeben. Aber vielleicht geht es ja am Ende gar nicht um die Küche als solches ? Vielleicht ist der Herd/die Küche nur ein Ersatz für ein anderes Thema. Für ein psychologisches Thema. Sozusagen eine Projektion eines Problems unserer Innen-Welt auf ein Thema in der Außen-Welt ?

Denn du hast selbst ja schon erkannt: "irgendwas gibt es was den Zwang auslöst und uns glauben lässt, wenn wir dies oder jenes machen, was uns der Zwang glauben lässt, es gut so ist."
CupCake

Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von CupCake »

Liebe Miranda

Ich kann dir da - Verstehe mich jetzt nicht Falsch- zustimmen.
Das Zwangsstörungen sinn machen und Ihren Zweck haben, sehe Ich ein. als ich die Zwangsstörung bekommen habe, wusste Ich dass , irgendwo in mir etwas Verborgen ist, dass dies Verursacht hat.

Zwänge Helfen mir aber nicht das Problem mit der Zwangsstörung zu Lösen, dass macht die Therapie und die Übungen die Ich machen muss. Ganz im gegenteil, die Zwangsstörungen ziehen mich nur npoch Tiefer hineinen und verursachen Ängste und Depressionen.

Ich geb Dir allerdings recht und stimme, dir zu, dass Zwänge, eine Projektion eines Problems unserer Innen-Welt auf ein Thema in der Außen-Welt sind
- hast Du gut getroffen, mit der Aussage-.

Ich glaube schon, dass es genau dies ist und da bin ich sicher nicht alleine, aber Zwänge lösen mir dieses Problem nicht und Sinn geben sie mir auch nicht und den Zweck ?

Der Sinn und Zweck sieht so aus einer Zwangstörung; Therapie, Übungen, dass ich nicht noch Tiefer hineingezogen werde.

Liebe Grüße Die CupCake
Miranda_L

Nebenwirkungen umsetzen

Beitrag von Miranda_L »

Man nehme alles was Zwang ist und stecke es im übertragenen Sinne in eine Black Box.
Man nenne die Black Box Z.
Das Bedürfnis sich die Hände zu waschen nachdem man etwas Kontaminiertes angefasst hat =Z
Die Hände dann waschen =Z
Die Angst vor Bakterien/Krankheiten /Aids /Krebs ... = Z
Die Angst andere zu schädigen =Z
Zählen=Z
...

Dann betrachtet man Z von aussen. Man betrachtet seinen Umgang mit Z ohne sich den Inhalt von Z anzusehen.
Man stelle sich die Frage: Was tue ich um Z umzusetzen, was ich im normalen Leben nicht tun würde?
Was ist die Nebenwirkung von Z?

Mich bringt Z z.B. dazu, meine Bedürfnisse vor die Bedürfnisse anderer zu stellen.
Das habe ich vorher nie gemacht. Z bringt mich dazu, mich als wichtig anzusehen.

Der Trick ist es, die Nebenwirkungen von Z herauszufinden und umzusetzen ohne dass Z umgesetzt wird.
Somit wird Z selbst immer unwichtiger und verliert automatisch nach und nach seine Macht.

Es ist schließlich so, dass Ängste und Zwängen auf einen Missstand hinweisen. Schaut man sich sein Verhalten um den Zwang herum, also die Nebenwirkungen des Zwangs genauer an, kann man dem Missstand auf die Spur kommen.
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Yorge
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Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Abwägen

Beitrag von Yorge »

Ich kann nachvollziehen, was du meinst und es hilft mir dabei klarer zu werden, welche Funktion der Zwang manchmal hat v.a. um meine Bedürfnisse bzw. Grenzen zu wahren.
Allerdings um einen hohen Preis und da ist mir beim Nachdenken über dein Posting immer wieder was eingefallen, was meine Therapeutin mal sagte: “Das können Sie einfacher auch haben, dazu sollten Sie den Zwang nicht brauchen.“ - die von ihr vorgeschlagene Lösung damals war, meine Bedürfnisse dem anderen gegenüber klar zum Ausdruck zu bringen - was ich aber damals nicht schaffte. Jetzt wo meine Zwänge weniger geworden sind, gelingt es mir besser meine Bedürfnisse wahrzunehmen und teilweise auch auszudrücken (oder war's umgekehrt?).
Also, den Erkenntnisgewinn zu nutzen finde ich gut, aber er ist es bei mir nicht wert den Zwang deswegen aufrecht zu erhalten. Vielleicht bei dir ja auch nicht, aber ganz hat mich bei deinem Posting das Gefühl nicht in Ruhe lassen, dass da dem Zwang etwas zuviel Bedeutung gegeben wird. So als würde es ohne ihn auch nicht ganz gehen - und vielleicht ist es im Moment ja noch so. Also du merkst, ich habe das für mich auch noch nicht ganz klar.

Was mir auch nicht so leicht gelingt ist, alles was den Zwang ausmacht vom Rest abzugrenzen. Zum Beispiel inwieweit ist es noch eine berechtigte Sorge vor einer tödliche Krankheit und wann beginnt die übertriebene Angst.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
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