Podcast-Episode "Meine Freundin, mein Zwang und ich"

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michael_m
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Podcast-Episode "Meine Freundin, mein Zwang und ich"

Beitrag von michael_m »

Ich bin neulich bei einem von mir abonnierten Podcast über die Episode "Meine Freundin, mein Zwang und ich" (Dauer ca. 24 Min.) gestoßen. Geht um die Probleme durch Zwänge in der Partnerschaft am Beispiel eines Paares. Produziert vom Bayerischen Rundfunk, daher auch mit entsprechender Sprachfärbung - als Vorwarnung. ;)
Hier der Link: https://www.br.de/radio/bayern2/sendung ... n-100.html

Für die, die sich den Beitrag anhören: Wie findet ihr ihn?
Ich bin da irgendwie hin- und hergerissen. Einerseits finde ich ihn schon nicht schlecht gemacht, aber der Ausgang ist dann doch auch bitter. Andererseits ist das ja auch nur ein "Fallbeispiel". Es soll glaub ich auch eine konkrete Geschichte über die beiden Personen im Podcast dargestellt werden und gar nicht allgemeingültig das Thema abgehandelt werden.
Ist es gut, wenn auch mal die traurige Realität dargestellt wird?
TeeCoffee
Beiträge: 89
Registriert: Di 12. Jul 2022, 01:56

Re: Podcast-Episode "Meine Freundin, mein Zwang und ich"

Beitrag von TeeCoffee »

Hallo,

Dein Post hat mich neugierig gemacht und ich habe es mir angehoert. Ich finde den Podcast gut, gerade weil er die Realität zeigt. Natuerlich sind positive Nachrichten und Erfolgsgeschichten motivierender und schoener. Allerdings muss ich selbst sagen, dass ich schon lange (ca. 20 Jahre) mit starken Zwägen zu tun habe. Da ziehen mich paradoxerweise "zu positive" Nachrichten manchmal runter. Wenn die Literatur und die landläufige Message ist "Zwangserkrankungen sind heute sehr gut behandelbar, ca. 70% profitieren von einer Therapie". "Die Zwänge gehen nie ganz weg, aber mit adäquater Behandlung kann den meisten zu einem guten Leben geholfen werden".
--- Da fragt man sich: Bin ich eine Ausnahme? Was mache ich falsch? Wie schade, dass ich nicht rauskomme.
Ich persönlich vermute (habe keine Daten, aber Hinweise dafür), dass die Wahrheit teilweise verzerrt dargestellt wird: Insbesonere Literatur von Verhaltenstherapeuten (ich schätze die Methode sehr, und sie hat mir auch sehr weitergeholfen, bislang aber nicht genug) neigt dazu, eher sehr positiv ueber CBT plus SSRI zu reden. Ich denke, dabei wird verschleiert, dass eine signifikate Verbesserung bedeuten kann, dass man immer noch stark eingeschraenkt ist oder immer noch unfrei. Wenn man reviews ueber Medikamente liest, liest man tendeziell, dass alle Methoden (medis UND Verhaltenstherapie) fuer 50-60% keine oder keine AUSREICHENDE Verbesserung erzielen -- klingt schon anders.
Und ich denke so geht es auch dem Patienten im Bericht: er kann vieles besser als zuvor dank Verhaltenstherapie, aber die verbliebenen Symptome scheinen zu stark zu sein, als dass die Partnerin es tolerieren kann. Und ich kann mir vorstellen, er ist keine Seltenheit unter Patienten mit wirklich stärkerer Symptomatik.
Ich denke, es kann nur Verbesserungen und einen Druck zu mehr Verbesserungen geben, wenn die tatsächliche Situation korrekt und unverzerrt dargestellt wird,und das hat der Beitrag getan (natuerlich ein Einzelfallbericht). Und es entlastet einen selbst ein bisschen, wenn man sich fragt/Vorwürfe macht, wieso man es nicht besser hinbekommt.
Gruss
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michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Podcast-Episode "Meine Freundin, mein Zwang und ich"

Beitrag von michael_m »

Stimmt, das kenn ich auch bei mir. Oft habe ich den Eindruck, dass ich mich nicht genügend anstrenge etc. weil es doch besser werden müsste. Das frustriert dann zusätzlich. Da tat es dann z. B. am Montag gut, als ein Arzt zu mir sagte: "Klar, dass ist ja auch die Krankheit, warum Sie das trotz fehlender Logik machen müssen."

Bin neulich bei der Leitlinie auf den Absatz gestoßen: "Die Effektivität der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) sowie pharmakologischer Behandlungen mit SSRI/Clomipramin sind durch kontrollierte Studien gut belegt. Dennoch profitieren 40–50% der Patienten nicht ausreichend von einer der beiden oder einer kombinierten Therapie." (unter 12.6. Ungenügendes Ansprechen auf Therapie) ...

Ich glaub auch, dass da auch einige Ärzte/Therapeuten ehrlicher sein sollten. Andererseits ist es aber auch ein schmaler Grat: sich zu fordern, aber nicht zu überfordern... Es hilft nichts, wenn man alles auf die Krankheit schiebt und keinen Widerstand mehr dagegen leistet. Andererseits bringt eben nichts, wenn man nach einem Ziel strebt, was nicht realistisch ist...
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