Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

seit30Jahren
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Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von seit30Jahren »

Hallo,

ich habe seit über 30 Jahren Zwänge, in den letzten 4 Jahren besonders stark, in den letzten 1-2 Monaten wegen klinische Therapie weniger.

Ich bin dafür aber in ein emotionales Loch gefallen und frage mich ob ich das Leben mit Zwängen besser ertrage. Mir macht fast nichts mehr Spaß. Soziale Kontakte sind seit Jahrzehnten sehr eingeschränkt (seit Mobbing).

Ich vermute, dass die Zwänge die Funktion haben, von anderem Schmerz abzulenken.

Habt ihr Erfahrungen mit Problemen, wenn die Zwänge zurückgehen?

VG
TeeCoffee
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Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von TeeCoffee »

Hi,
nein das kenne ich nicht, aber man liest das öfter in Büchern dass manche Menschen dann ganz andere Probleme oder Löcher haben, wenn die Zwänge weniger werden. Wenn Du professionelle Therapie hast, solltest Du das besrpechen, der Therapeut sollte dann auch auf solche dinge eingehen.
Du sagst "Mir macht fast nichts mehr Spaß" -- heisst das Du hattest recht viel Spass im Leben als die Zwänge noch stärker waren?
Gruss
seit30Jahren
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Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von seit30Jahren »

Das ich viel Spass am Leben hatte, als die Zwänge stärker waren würde ich nicht sagen. Eher mehr Interessen bevor die Zwänge vor ein paar Jahren erheblich schlimmer geworden sind. Ich hatte mich bis dahin mit den Zwängen arrangiert.
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michael_m
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Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von michael_m »

Ich habe schon öfter mal gehört/gelesen, dass eine Zwangsstörung auch eine Depression überdecken kann.
Wie du auch schon geschrieben hast ... da wären wir beim Thema "Funktion des Zwangs".

Ich selbst habe sowohl Zwänge als auch Depression. Hab aber die Zwänge noch nicht soweit herunter bekommen, als dass ich sagen könnte, dass dadurch die Depression stärker wird.
Bei mir selber ist es tendenziell eher so, dass beides gleichzeitig meist besser oder schlechter wird. Beides bildet bei mir einen recht "guten" Teufelskreis.

Wo mein 2. Therapeut viel Wert darauf gelegt hat: Schon zu Beginn der Behandlung der Zwänge zu überlegen, wie die freien Zeiten positiv genutzt werden können.
Bei dir liest es sich aber eher Richtung Antriebsproblem?! Hier hilft vielleicht, was mir auch öfters geraten wurde: Auch in depressiven Zeiten eigentlich schöne Sachen zu machen, auch wenn sie aktuell keine Freude bereiten.
Aber ja... ich weiß, in der Praxis ist das ne große Herausforderung... Auch ich kämpfe zurzeit wieder mit einem Stimmungstief...

Aber wie TeeCoffee schon schrieb, am besten mit dem Therapeuten das Ganze mal besprechen.
Wünsche dir jedenfalls, dass es bald wieder besser wird mit der Stimmung!
TeeCoffee
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Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von TeeCoffee »

Hi michael_m,

einfach aus Interesse - was fuer "schoene Sachen" machst du so? Ich weiss, dass wohl jeder andere Dinge hat die er mag oder nicht. Aber bei mir ist es z.T. dass es mir sehr schwer fällt, irgendwas zu finden und einen Einstieg zu finden. Oft arbeite ich, schlafe und am Wochenende hänge ich vorm Fernseher --- es lenkt ab und erfordert keinerlei Nachdenken oder Anstrengung. Mir faellt es schon schwer, mich zu irgendwas zu entscheiden und dann auch zu tun. Wie machst Du / macht Ihr sowas?
Gruss
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michael_m
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Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von michael_m »

Hallo TeeCoffee,

mir selber mangelt es eigentlich selten an Ideen. Ich habe eher das Problem, dass ich zu viele Sachen habe, die mich interessieren und dann auch vieles davon schnell wieder liegen bleibt.
Aber ja, auch dann was zu machen in Phasen, wo es einem schlecht geht, ist eine eigene Herausforderung ... die mir auch nicht so gut gelingt.

Aber als Ideen... Überleg mal, was dir früher bzw. ggf. sogar in der Kindheit/Jugend Spaß gemacht hat, welche Hobbys/Interessen du früher hattest. Vielleicht ist da etwas da, was du wieder aufleben lassen willst?

Ansonsten vielleicht auch mal gucken, welche Sportvereine in der Nähe sind. Oder was die Volkshochschule für Kurse im Angebot hat. Hier wäre jeweils der Vorteil, dass man auch sozialen Kontakt dabei hat. Insofern ggf. auch einfach so mal wieder Freunde treffen (kommt bei mir leider zu kurz).

Ggf. in die Natur - einen Waldspaziergang (oder einfach nur einen Spaziergang um den Block). Oder mal wieder Fahrrad fahren. Oder einen Tagesausflug machen - da vielleicht mal auch beim Tourismus-Info gucken, was so in der Nähe geboten ist.

Aber auch fernsehen/Filme gucken finde ich nicht verwerflich. Mache ich auch gern - aber wohl auch zu viel. Aber grundsätzlich kann das schon auch was Schönes für einen sein, wenn es in Maßen ist.

Viele Grüße, Michael
TeeCoffee
Beiträge: 89
Registriert: Di 12. Jul 2022, 01:56

Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von TeeCoffee »

Hi michael_m,

Danke für Deine Antworten. Gut, dass du so viele Interessen hast. Ich werde darüber nachdenken -- und auch das ist schon ein Problem: ich komme so schwer in eine Handlung rein, weil ich immer ewig hin- und herdenke...vlt auch etwas zwanghaft. Freunde - viele sind durch den Zwang und Kontaktabbruch nicht übrig. Volkshochschule überlege ich auch - allerdings kämpfe ich, meinen Tagesrhythmus in den Griff zu bekommen. Ich bin nachts sehr lang wach und morgens nicht zu gebrauchen. Damit wird die Arbeit auch spät fertig und man kann nicht um 18:00 zum VHS gehen. (es gibt wohl Hinweise dass solch ein verspäteter Rhythmus gehäuft bei Zwangsstörungen auftritt https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36057288/ Aber es gibt ja so viele Studien die X oder Y behaupten...).
Ich kann es nur selbst ändern, aber manchmal wünschte ich mir einen Personal Trainer, der heftiger und konsistent "tritt" bis es im Kopf angekommen und verinnerlicht ist - aber leider wird sowas bei der ambulanten Therapie mal aufgegriffen und dann auch gleich wieder vergessen....
Ciao und Gruss
ParlaPera
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Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von ParlaPera »

Hi Michael, es ist ein wichtiger und mutiger Schritt, Zwänge zu überwinden. Es ist ein ganz harter und komplexer Weg. Den Schlüssel habe ich damals gefunden, als ich mich mit dem Thema Selbstverwirklichung begeben habe. Der Prozess der Selbstverwirklichung ist jedoch ein individueller Weg, der von Person zu Person unterschiedlich aussehen kann. Es gibt keine festen Regeln oder schnelle Lösungen. Es erfordert Zeit und Geduld.

Eine entscheidende Punkt ist die Selbstreflexion. Nimm dir Zeit, um über deine Vergangenheit nachzudenken und zu verstehen, wie die Zwänge dich beeinflusst haben. Schau mal hier https://selbstverwirklichung5.wordpress.com/nach es gibt so vieles womit du dich schlauer machst. Weiter gehts:Identifiziere, was dir wichtig ist und was du wirklich im Leben erreichen möchtest.
Es ist auch wichtig, deine eigenen Grenzen zu setzen und dich vor möglichen Rückfällen zu schützen. Identifiziere die Situationen, die dir schaden oder dich in alte Muster zurückführen könnten. Setze klare Grenzen und halte an deiner neu gewonnenen Freiheit fest.

Um dich auf deinem Weg zur Selbstverwirklichung zu unterstützen, suche nach einem unterstützenden sozialen Netzwerk. Das können Menschen sein, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder dich in deinem Streben nach Selbstverwirklichung verstehen. Der Austausch mit ihnen kann dir zusätzlichen Rückhalt und Ermutigung bieten.

Sei offen für neue Erfahrungen und Chancen, die sich dir bieten. Probiere neue Aktivitäten aus, entdecke deine Leidenschaften und erweitere deine Komfortzone. Wachstum und Selbstverwirklichung finden oft außerhalb der eigenen Komfortzone statt.

Letztendlich geht es bei der Selbstverwirklichung darum, deine wahre Identität zu entdecken, deine Stärken zu nutzen und deine persönlichen Ziele zu erreichen. Es ist ein fortlaufender Prozess, der dich zu einem erfüllten und authentischen Leben führen kann. Sei liebevoll zu dir selbst und nimm dir die Zeit, dich selbst zu entfalten und deine Träume zu verwirklichen. Glaube mir du bist stärker als die Zwänge...

Du rockst das!

LG
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michael_m
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Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von michael_m »

Danke ParlaPera.

TeeCoffee hat geschrieben: Di 27. Jun 2023, 23:15 Danke für Deine Antworten. Gut, dass du so viele Interessen hast. Ich werde darüber nachdenken -- und auch das ist schon ein Problem: ich komme so schwer in eine Handlung rein, weil ich immer ewig hin- und herdenke...vlt auch etwas zwanghaft. Freunde - viele sind durch den Zwang und Kontaktabbruch nicht übrig. Volkshochschule überlege ich auch - allerdings kämpfe ich, meinen Tagesrhythmus in den Griff zu bekommen. Ich bin nachts sehr lang wach und morgens nicht zu gebrauchen. Damit wird die Arbeit auch spät fertig und man kann nicht um 18:00 zum VHS gehen. (es gibt wohl Hinweise dass solch ein verspäteter Rhythmus gehäuft bei Zwangsstörungen auftritt https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36057288/ Aber es gibt ja so viele Studien die X oder Y behaupten...).
Ich kann es nur selbst ändern, aber manchmal wünschte ich mir einen Personal Trainer, der heftiger und konsistent "tritt" bis es im Kopf angekommen und verinnerlicht ist - aber leider wird sowas bei der ambulanten Therapie mal aufgegriffen und dann auch gleich wieder vergessen....
Hi TeeCoffee,
da kommt mir einiges bekannt vor: das Hin- und Herdenken, das mit den Kontaktabbrüchen, das mit dem Tagesrhythmus...
Aber ja, mit festen Zeiten, wie bei einem VHS-Kurs ist dann wohl zunächst schwierig. Aber vielleicht findest du noch etwas für dich, wo du zeitunabhängig was machen kannst. Vielleicht puzzeln, etwas Handwerkliches, malen/zeichnen oder schreiben? (sind jetzt Sachen, die mir spontan einfallen, die andere in der Klinik gemacht haben).
Viele Grüße, Michael
Termicas
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Registriert: Do 15. Sep 2022, 20:34

Re: Kann das Leben ohne Zwänge nicht ertragen

Beitrag von Termicas »

Bei mir sind die Zwänge durch die Therapie (nach 30 Jarhen!) stark zurück gegangen und nun habe ich teilwesie komplett freie Tage .
Bei mir ist es so dass wie bei dir so Lücken entstehen, so wie wenn man aufhört zu rauchen, im moment arbeite ich daran sinnvoll füller zu finden.

Was ich auch merke ist das sich meine Risiko bereitschaft ändert. Also nicht wirklich extrem aber ich akzeptriere ja dass ich vielleciht mal was falsches geasgt habe oder riskiere es auch mal mit Frau zu reden (damals ich könnte mich verlieben zwang und meine Beziehung riskieren)
Manchmal frage ich mich wieviel von meinem alten Icih übrig bleibt, weil ich so ganz langsam schon anders werde.
Aber ich muss sagen dass ich mich viel freier fühle.

Habe seit 2 Tagen einen Zwang (zum Glück nur einen) der sehr unangenehm ist und ich merke schon, ne dahin will cih einfach nicht zurück.
Meine alltagsexpos haben noch nicht geholfen jetzt mache ich morgen sehr kontrolliert eine große sehr konsequente expo und bin dann vielleicht wieer so frei wie die wochen davor :).
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